Erst einmal zur Entspannung die guten Nachrichten: Die vielgescholtenen Medien sind diesmal nicht schuld, ganz im Gegenteil. Der öffentliche-rechtliche ORF, die Privaten, sämtliche Blätter von der "Kronen-Zeitung" bis zum "Falter" hatten sich mit beispielloser Hingabe der Wahlkampfberichterstattung verschrieben. Dutzende Duelle, mehrere Elefanten-Runden, Speed-Datings der SpitzenkandidatInnen. Am Wahltag selber berichtete oe24, sonst ein Boulevard-Sender mit Hang zum Trash, 16 Stunden live, hochkarätig besetzte Talk-Runden inklusive.
Und wochenlang wurde nichts ausgespart. Nicht Ibiza und die Folgen, nicht die abstoßenden Tricks, mit denen die ÖVP ihren Wahlkampf 2017 an den gesetzlichen Vorgaben vorbei finanzierte, nicht der Kurz-Mitarbeiter, der sich zum externen Schreddern von Festplatten des Kanzleramts aufgerufen fühlte, nicht die Fehltritte des jüngsten Altkanzlers aller Zeiten bis hin zu seiner Segnung durch Tausende BesucherInnen eines Evangelikalen-Events in der Wiener Stadthalle. Und schon gar nicht direkt vor dem Wahlgang am vergangenen Sonntag die immer neuen Details zum feudalen Lebensstil des früheren FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache, finanziert aus den Kassen einer Partei, die sich seit Jahrzehnten geriert als Schutzpatron zu kurz gekommener ÖsterreicherInnen ("In Eurem Sinne entscheiden").
Tief verwurzeltes Jetzt-erst-recht-Gen
Und weil so viel bekannt wurde über Kurz‘ Message-Control, also den Kabinettsmitgliedern einen Maulkorb umhängen und alle unliebsamen Einblicke ins Innenleben dieser Regierung verhindern, über den Siegeszug rechter Burschenschafter und den Postenschacher in den FPÖ-geführten Häuser und natürlich über Ibiza, wäre die Koalition fast überall in der demokratischen Welt abgewählt worden. Aber Österreich ist anders: Das Jetzt-erst-recht-Gen ist tief verwurzelt rechts der Mitte, in bürgerlichen und bäuerlichen Kreisen, seit Mitte der Achtziger der frühere UN-Generalsekretär Kurt Waldheim mit seiner SA-Vergangenheit konfrontiert wurde. Die bestritt er als ÖVP-Kandidat mitten im Bundespräsidentschaftswahlkampf von 1986 und wurde gewählt, obwohl es nur gute Gründe gab, ihn nicht zu wählen. Natürlich wurde er später der Lüge überführt.
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e.m .beutel
am 05.10.2019