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Danke, liebe CDU!

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Hätte sich die CDU in Stadt, Land und Bund ehrlich den Realitäten gestellt, gäbe es längst effiziente Maßnahmen zur neuen, sauberen Mobilität – im Talkessel und anderswo. Stattdessen besitzt Stuttgart einen Luftreinhalteplan in der vierten Fortschreibung. Folge fünf kommt bestimmt.

Das Beste haben sich die AutorInnen der inzwischen vierten Fortschreibung des Bemühens, die Luftschadstoffe unter die Grenzwerte zu drücken, bis zum Schluss aufgehoben. Denn, so heißt es im letzten Satz der 54 Seiten, falls auch das neue Tempo 40 in der ganzen Stadt, die Sperrung der ganzen Weinsteige, der B 14 am Neckartor oder von Teilen der Heilbronner Straße für Euro-5-Diesel im Laufe des Jahres 2020 nicht die gewünschten Effekte bringen, "erfolgt eine 5. Fortschreibung des Luftreinhalteplans".

Die fiele dann in den beginnenden Landtagswahlkampf, und die Aussicht, dass endlich Vernunft einkehrt, wäre noch geringer als derzeit. Gerade will Joachim Pfeiffer, der Waiblinger CDU-Bundestagsabgeordnete, promoviert als Diplomkaufmann mit dem Studienschwerpunkt Verkehrswesen, der Deutschen Umwelthilfe an den Kragen – nicht als erster und sicher nicht als letzter. Ginge es nach Pfeiffer, würden der lästigen DUH alle staatlichen Mittel gestrichen sowie Gemeinnützigkeit und Klagerechte aberkannt. Pfeiffer sieht im Wirken der DUH vorrangig Provokation, für die ihr alles recht scheine, und das findet er "unerträglich".

Anlass für Pfeiffers Zorn sind die DUH-Anträge auf Zwangshaft für Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), dessen Vize Thomas Strobl (CDU) und den Stuttgarter Regierungspräsidenten Wolfgang Reimer (Grüne). Natürlich weiß auch Pfeiffer, dass ein rechtskräftiges Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Fahrverboten für Euro-5-Diesel in Stuttgart nicht umgesetzt ist und dass alle milderen Maßnahmen wie die Verhängung von Zwangsgeld bisher ins Leere liefen. Und er weiß auch, dass die DUH höchstrichterlich als Verbraucherschutzverband vom Bundesgerichtshof anerkannt worden ist und sich ihre Gemeinnützigkeit auf die unstrittig als förderungswürdig anerkannten Belange des Umweltschutzes stützt.

Gegen Söder läuft der Zwangshaftantrag seit 2018

Dabei ist das DUH-Vorgehen weder singulär noch trivial. Denn gegen Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist ein Antrag auf Zwangshaft bereits seit Ende 2018 anhängig. Das Bayerische Verfassungsgericht ist von diesem Schritt offenbar so sehr in Verlegenheit gestürzt worden, dass es den Europäischen Gerichtshof um Klärung gebeten hat. Denn während das Bundesverfassungsgericht klargestellt hat, dass eine Inhaftierung des Regierungschefs nicht zulässig ist, um Dieselfahrverbote durchzusetzen, könnte das höherrangige europäische Recht eine solche Möglichkeit durchaus eröffnen. Immerhin trieben es die Nachbarn besonders bunt: Seit 2014 ist die Staatsregierung verpflichtet, ein rechtskräftiges Urteil zur Luftreinhaltung in der Landeshauptstadt München umzusetzen und Diesel-Fahrverbote in den Luftreinhalteplan aufzunehmen. Geschehen ist nichts.

Ein Satz, der für Stuttgart gleichermaßen gilt. Wirkungsvolle und vor allem abgestimmte Pläne gab’s auch hier allzu lange keine. Schon 2005 hat die damalige Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) laut über Fahrverbote zur Luftreinhaltung nachgedacht und vor Aktionismus gewarnt, um zugleich ein "verlässliches Gesamtkonzept" in Aussicht zu stellen. Ein Jahr später erläuterte sie, dass "selbst mit einem Bündel von Maßnahmen eine kurzfristige und spürbare Verbesserung der Luftqualität nicht zu erreichen ist". Deshalb setze sich das Land bei der EU "für ambitionierte, europaweit gültige quellenbezogene Reduktionsmaßnahmen bei allen relevanten Quellgruppen wie dem Verkehr" ein.

Spätestens seit die schärferen EU-Grenzwerte dann Schritt um Schritt in Kraft traten, hat die Autoindustrie bekanntlich betrogen und gelogen, was das Zeug hielt. Auch nachdem 2015 der Dieselskandal aufgeflogen war, besaß sie speziell in CDU- und FDP-Verkehrsfachleuten trotzdem immer weiter treue FürsprecherInnen. Jetzt laufen in wenigen Tagen jene Hardware-Nachrüstungen an, die Grüne, allen voran der Ministerpräsident Kretschmann und der Verkehrsminister Hermann, seit Frühjahr 2017 fordern und für vielversprechend hielten. Hätten die beiden Regierungsparteien gemeinsam und einträchtig Druck auf die Autohersteller gemacht, würde wohl niemand mehr von Euro-5-Fahrverboten reden.

Immer neue Ausreden in der CDU

Stattdessen gab es in der Union nur Zögern und Zaudern, immer neue Vorwände und Ausreden über Ausreden. Besonders hervorgetan hat sich CDU-Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut, zum Beispiel als sie im Frühjahr 2018 zu der von Managern geleiteten Erkenntnis gelangte, Hardware-Nachrüstungen seien der falsche Weg, weil sie zu lange dauerten. Dem heutigen Daimler-Chef Ola Källenius ließen Landes- wie Bundespolitiker Sätze wie diesen durchgehen: "Der technische und wirtschaftliche Aufwand zur Hardware-Nachrüstung von Euro-5-Fahrzeugen wäre unverhältnismäßig hoch." Ein Jahr darauf liegt die Zulassung durch das Kraftfahrtbundesamt vor, und der Konzern stellt pro Fahrzeug 3000 Euro zur Mitfinanzierung in Aussicht.

UnionspolitikerInnen, ganz vornedran Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), haben aber nicht nur versäumt, den Konzernen Beine zu machen. Zugleich wurden und werden bis heute bundesweit praktikable Lösungen wie die Weiterentwicklung des ohnehin gültigen Etikettensystems – rot, gelb, grün – hin zu blau verhindert. Das Land wiederum hat Geld verbrannt mit sinnlosen neuen Messstellen, auf dringenden Wunsch des CDU-Landeschefs, mit Maßnahmen wie Filteranlagen oder neuen Belägen oder Verputzen, die die Luft wenn überhaupt im Promillebereich verbessern werden, sowie mit einer ausgereiften Verzögerungstaktik nicht zuletzt auch zu Lasten der im Stau stehenden AutofahrerInnen. Und ferner eben erst mit einem Gutachten.

Eine der renommiertesten Kanzleien in der Stadt wurde beauftragt, sicher nicht für zwei Euro fünfzig, die Chancen einer Vollstreckungsabwehrklage gegen den Zwangshaftantrag zu bewerten. Groß seien die Erwartungen gewesen, heißt es auf einer der zahlreichen Jura-Seiten im Netz, "doch das Ergebnis ist eine Katastrophe für die Landesregierung" angesichts der Botschaft: Weder wäre eine Klage erfolgreich noch hätte sie eine aufschiebende Wirkung in Sachen Fahrverbote. Und im CDU-geführten Justizministerium sitzen SpitzenjuristInnen, die für sich in Anspruch nehmen, genau das schon vor Monaten gesagt zu haben. Gehör gefunden bei der CDU haben sie allerdings nicht.

Das Neckartor ist das perfekte Symbol

Exemplarisch für das, was die Partei alles verbockt hat im Spannungsfeld zwischen Mobilität und Luftreinhaltung, ist das Vorgehen rund ums längst bundesweit bekannte Neckartor. Der Vergleich mit den AnwohnerInnen, nach einem gut zehnjährigen Klagemarathon, stammt vom Frühjahr 2016, als noch die Vorgängerregierung im Amt war. Die Grünen schoben die Annahme des Vergleichs auf, weil einem neuen Koalitionspartner die Möglichkeit zur Mitentscheidung eingeräumt werden sollte. In einer der ersten Kabinettssitzungen im Sommer 2016 nickten sämtliche MinisterInnen, also auch die der Union, den Kompromiss ab. Er sah vor, dass ab 1.1. 2018 der Verkehr am bundesweiten Schadstoff-Hotspot um 20 Prozent reduziert wird. Nicht in der ganzen Stadt und schon gar nicht für alle Teile der Fahrzeugflotte, sondern einzig und allein an Feinstaubalarmtagen. Deren Abschaffung hatte übrigens die CDU-Verkehrsexpertin Nicole Razavi, den Kopf ganz fest im Sand, im Wahlkampf versprochen.

Schon in seiner achten Sitzung debattierte der neue Landtag das heikle Thema. Winfried Hermann brachte es so auf den Punkt: "Das wesentliche Problem ist, dass hier in Stuttgart seit nunmehr elf Jahren die gültigen Grenzwerte bei Feinstaub nicht eingehalten werden und dass seit 2010 die Grenzwerte bei Stickoxid nicht eingehalten werden." Auch das schon Erreichte bleibt nicht unerwähnt: Die Zahl der Tage, an denen die Feinstaubgrenzwerte überschritten wurden, lag nur noch bei 35. (Zwei Jahre später, als mit der Umsetzung des Vergleichs hätte begonnen werden müssen, waren es nur noch 21, Tendenz weiter sinkend.) Spätestens seit dieser Debatte hätten alle Akteure wissen können und müssen, was die Stunde geschlagen hat. Zumal die DUH bereits angekündigt hatte, Fahrverbote für die ganze Stadt erwirken zu wollen.

Aber nicht nur im Landtag, im Stuttgarter Gemeinderat spielt(e) die CDU ebenfalls immer weiter auf Zeit - zu Lasten der BürgerInnen und nicht zuletzt der AutofahrerInnen. Viele Varianten wurden angeboten, darunter Stufenpläne ab 2018 und Fahrverbote am Neckartor. OB Fritz Kuhn (Grüne) warb vergeblich um Mehrheiten. Die sonst durchaus mit ihm zusammenarbeitende CDU wollte von ernsthaften Anstrengungen zur Luftreinhaltung aber nichts wissen. "Autofahrerpartei" schimpfte SÖS-Fraktionschef Hannes Rockenbauch und sprach von einem "post-faktischen Politikverständnis" und der "vorsätzlichen Schädigung der demokratischen Kultur".

Trotz ihrer überlangen, sich drastisch auch in den miesen Kommunalwahlergebnissen niederschlagenden Verhinderungs- und Misserfolgsgeschichte in puncto Verkehr macht die CDU weiter wie bisher. Als wäre hinzuzulernen eine vergessene Fertigkeit. Der Stuttgarter Kreisverband "steht dem im neuen Luftreinhalteplan vorgesehenen Vorhaben einer flächendeckenden Tempo-40-Regelung im gesamten Stadtgebiet skeptisch gegenüber", meldete sich am Wochenende sein Vorsitzender Stefan Kaufmann zu Wort. Nach dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung" wirft der Bundestagsabgeordnete dem Regierungspräsidium vor, keinen Plan zu haben und "stattdessen andauernden Alarmismus zu betreiben und neue Säue durchs Dorf zu treiben". Kaufmann dagegen reitet weiter einen alten Klepper zu Tode und plädiert für Nordostring und Filderauffahrt, weil "eine Entlastung der Innenstadt und eine Verbesserung der Luftwerte mittelfristig nur dann gelingt, wenn endlich die Umfahrung von Stuttgart realisiert wird".

Danke, liebe CDU! So kommen Euro-5-Fahrverbote ganz bestimmt. Erste Gerichte nehmen übrigens bereits den Euro-6-Diesel unter der 6d-temp-Kategorie in den Blick, die ab 1. September für alle Neuwagen Pflicht wird. Aber das ist eine andere Geschichte. Noch.


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1 Kommentar verfügbar

  • hans drager
    am 20.08.2019
    Antworten
    "Dieselabgase töten!" heißt es in entsprechenden Berichten, u.a. in der TAZ, über die Kampagne gegen die Deutsche Umwelt Hilfe (DUH), ihr die Fördergelder zu streichen, da sie es wagte, zur Durchsetzung eines rechtskräftigen Urteils des Bundesverwaltungsgerichts zum Fahrverbot für Diesel in…
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