Es ist durchaus bemerkenswert, wenn die "FAZ" eine ganze Zeitungsseite einem Beitrag widmet, der mit "Mut zu mehr Staat" betitelt ist. Mietpreiskontrollen seien weniger schädlich als oft behauptet, der Staat als Marktakteur nützlicher, schrieb der Wirtschaftswissenschaftler Sebastian Dullien am 31. Mai. Tenor seines Artikels: Weil Grund und Boden als nicht vermehrbares Gut ein limitierender Faktor ist, funktionieren Immobilienmärkte anders als andere Märkte und müssen deswegen anders betrachtet werden.
Es wird dafür höchste Zeit. Denn es ist kaum mehr zu übersehen, wie gravierend sich Fehler beim Thema Wohnen auswirken, die im Glauben an die lenkende Kraft des Marktes gemacht wurden. Vor Kurzem wurde im "Tagesspiegel" eine großartige Reportage über den Berliner Wohnungsmarkt und dessen Profiteure veröffentlicht. Sie ist aufschlussreich – und gerade deswegen deprimierend. Denn die Abschaffung der Gemeinnützigkeit von Wohnungsbauunternehmen hat in den vergangenen Jahren eine irrsinnige Preisbewegung in Gang gesetzt. Und das nicht nur in der Hauptstadt. In Stuttgart sind die Gesamtumsätze mit Immobilien 2019 auf ein neues Rekordhoch geklettert; sie betrugen mit 4,19 Milliarden Euro fast das Doppelte von 2008 (2,15 Milliarden Euro) – und das bei deutlich weniger Aktivitäten: 5181 Kaufverträge wurden 2018 abgeschlossen, 2008 waren es 6253.
Hierfür sind vor allem die rapide wachsenden Preise für Wohnungen verantwortlich, sie stiegen laut Amtsblatt vom 27. Juni 2019 bis zu acht Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Preise für Bestandswohnungen sind zwischen 2007 und 2017 jährlich um rund 16 Prozent gestiegen. Es kann einem schwindelig werden.
Altersvorsorge treibt die Mieten hoch – Großkonzerne profitieren
Die wenigen Profiteure sind große Unternehmen, börsennotierte Konzerne. 15 Prozent des Berliner Wohnungsmarkts gehören ihnen, die Aktienkurse stiegen seit 2012 um ein Vielfaches des DAX-Mittelwerts – um schon mal bis zu 700 Prozent. Zu den Anteilseignern gehören so vertrauenserweckende Firmen wie Blackrock. Der CDU-Grande Friedrich Merz arbeitet für dieses Unternehmen.
0 Kommentare verfügbar
Schreiben Sie den ersten Kommentar!