Vor mehr als zwei Jahren hat Kontext das erste Mal über Marcel Grauf berichtet. Über ein ehemaliges NPD-Mitglied, das als wissenschaftlicher Mitarbeiter für zwei Landtagsabgeordnete in Baden-Württemberg arbeitet. Ein Jahr später, im Mai 2018, haben wir aus Chatprotokollen von diesem Mitarbeiter zitiert: "Ich wünsche mir so sehr einen Bürgerkrieg und Millionen Tote. Frauen, Kinder. Mir egal. Hauptsache es geht los ... Tote, Verkrüppelte. Es wäre so schön. Ich will auf Leichen pissen und auf Gräbern tanzen. SIEG HEIL!" Oder: "Nigger, Sandneger. Ich hasse sie alle." Über Sigmar Gabriel: "Wenn ich die Scheiße von Gabriel dazu schon wieder lese, weiß ich dass ich die Drecksau am liebsten abknallen würde. IRGENDWANN! Ich werde noch ausrasten... Da soll man kein Terrorist werden!!!!! Hoffen, dass es bald knallt." Oder: "Gibt ein offenes Mikrophon. Hab gedacht ich äußere mich mal. Eröffnungsgag: 'Immerhin haben wir jetzt so viele Ausländer im Land, dass sich ein Holocaust mal wieder lohnen würde.'"
Grauf wollte uns daraufhin per Klage verbieten lassen, ihn beim Namen zu nennen und ihm diese Aussagen zuzuschreiben. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat uns vollumfänglich Recht gegeben, auch die identifzierende Berichterstattung sei angesichts des öffentlichen Interesses zulässig. Und Marcel Grauf? Der arbeitet noch heute für die AfD-Landtagsabgeordneten Heiner Merz und Christina Baum. Trotz rechtsextremistischer Haltung. Trotz Gewaltfantasien, die doch allerspätestens jetzt, nach dem Mord am CDU-Politiker Walter Lübcke durch einen Neonazi, auch dem dumpfsten AfD-Gehirn zu denken geben sollten.
In der Partei, in der Fraktion, im Umfeld der AfD, kümmert sich um diese Personalie exakt: keiner. Kein einziger Offizieller aus der Partei hat sich öffentlich von Marcel Grauf distanziert, der in seinen Chatprotokollen zu NPD-Kadern, rechtsextremen Burschenschaftern, zu faschistischen Gruppen im europäischen Ausland Kontakt hatte. Grauf hat als Mitarbeiter Zugriff auf sicherheitsrelevante Informationen, auf sensible Unterlagen. Und das in einer Zeit, in der wir verstärkt über rechte Netzwerke, rechte Polizisten, rechte Soldaten sprechen und selbst einem wie dem CDUler Friedrich Merz auffällt, dass es eher nicht so gut wäre, die Sicherheitsorgane und das Militär an Rechtsextremisten zu verlieren.
Graufs Chefin, die Landtagsabgeordnete Christina Baum ist grundsätzlich auf keinem der bekannten Wege für unsere Presseanfragen zu erreichen. Graufs Chef Heiner Merz ist genervt: Zu Marcel Grauf äußere er sich nicht mehr, sagt er. Und so halten es auch alle anderen, die wir angefragt haben.
Jörg Meuthen, Bundessprecher der AfD und ehemaliger Fraktionsvorsitzender im Landtag von Baden-Württemberg, bleibt auch nach diversen Versuchen der Kontaktaufnahme stumm. Meuthen ist die Personalie bekannt, seitdem Kontext und die taz das erste Mal über Grauf berichtet hatten – schon damals erklärte er sich als Fraktionsvorsitzender auf Anfrage nicht zuständig für Rechtsextreme in den eigenen Reihen und wurde, damals wie heute, nicht müde, die Verwicklung seiner Partei in die extreme Rechte kleinzureden. "Berlin direkt" hat Meuthen vor ein paar Tagen gefragt: "Trägt die AfD eine Mitverantwortung für die Verrohung der Gesellschaft?" Jörg Meuthen antwortete: "In keiner Weise." Die AfD sei eine Rechtsstaatspartei. "Alles was wir tun ist, ein friedliches, anderes, alternatives Politikangebot zu machen." Selbstverständlich.
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Nina Picasso
am 26.06.2019