Auch, weil sie um solche heiklen Vermischungen weiß, findet Annette Kleinfeld erstmal positiv, dass sich die Konstanzer Kommunalpolitik überhaupt einen Ethik-Leitfaden gegeben hat. Das helfe dabei, die Sensibilität für das Thema zu schärfen. Aus ihrer Sicht hat das Konstanzer Papier aber noch Lücken: "Zum Beispiel sollte eine konkrete Ansprechperson genannt werden, an die man sich wenden kann, wenn es den Verdacht gibt, dass es an einer Stelle nicht so läuft, wie der Leitfaden es vorgibt. Zusätzlich sollte es nicht nur bei den Buchstaben auf dem Papier bleiben. Um die Sensibilität für das Thema hochzuhalten braucht es Workshops, Seminare und regelmäßige Thematisierung in Sitzungen." All das hat es in Konstanz in den vergangenen Jahren eher nicht gegeben.
Wichtig ist Kleinfeld auch, dass das Thema offensiv nach innen wie nach außen kommuniziert werde: "Es irgendwo auf der städtischen Internetseite zu verstecken, nur um es irgendwo zu haben, ergibt keinen Sinn", so die Ethik-Expertin. Eigentlich sei es für die Politik auch ganz einfach, findet Kleinfeld: "Transparenz und ein Mehr-Augen-Prinzip sind wesentlich in dem Bereich. Nur so kann die Politik aktiv darauf hinwirken, dass gar nicht erst der Eindruck entsteht es würde gemauschelt."
Mehr Transparenz mit Verweis auf Datenschutz abgelehnt
In der Stadtverwaltung ist man sich der Tragweite des Themas Korruption sehr wohl bewusst. Neben dem erlassenen Leitfaden versucht die Stadt mit verschiedenen Maßnahmen der Korruptionsgefahr vorzubeugen: Es gibt seit 2002 einen Anti-Korruptionsbeauftragten im städtischen Rechnungsprüfungsamt, kommunale Unternehmen wie Stadtwerke und Wohnungsbaugesellschaft haben eigene Compliance-Richtlinien eingeführt, für städtische Angestellte gibt es klare Regeln, was geht und was nicht. Die Öffnung eingegangener Angebote im Vergabeverfahren erfolgt im Vier-Augen-Prinzip, die Mitarbeiter, die die Angebote entgegen nehmen sind nicht dieselben wie die, die die Aufträge letztlich vergeben und Nebentätigkeiten der Verwaltungsleitung, die den Wert von 6100 Euro übersteigen, werden jährlich im so genannten Beteiligungsbericht veröffentlicht.
Das Problem dabei: Bislang geht die Stadtverwaltung mit all den Themen sehr zurückhaltend um. Dass es einen Anti-Korruptionsbeauftragten gibt, ist selbst vielen Stadträten unbekannt. Informationen über Beruf, Anstellung, Beteiligungen, Mitgliedschaften in Aufsichtsräten, Vereinen und Verbänden von Stadträten und Bürgermeistern gibt es nur vereinzelt. Auch den Ethik-Leitfaden der Stadt muss man lange auf der städtischen Internetseite suchen, ehe man ihn findet.
Andere Städte sind da transparenter. Das nordrhein-westfälische Herten zum Beispiel veröffentlicht gebündelt auf einer Seite alle relevanten Infos rund um das Thema Korruptionsprävention – inklusive detaillierter Auflistungen von Beteiligungen, Mitgliedschaften in Aufsichtsräten, Vereinen und Verbänden von Stadträten und Bürgermeistern. Eine solche Lösung lehnt man in Konstanz mit dem Verweis auf den Datenschutz bislang ab. Aber andere Informationen zu Korruptionsprävention sollen auf der städtischen Internetseite künftig besser abgebildet werden: "Wichtig ist uns, dass die Themen durch die Suchfunktion dann besser gefunden werden können", erklärt die städtische Pressestelle auf Nachfrage. In den nächsten Wochen solle dies geschehen.
Bei allen Bemühungen um das Thema: Manchmal ist es auch die Politik, die sich selbst ein Bein stellt. Diese Erfahrung hat zumindest der SPD-Stadtrat Jan Welsch in Konstanz gemacht. "Bei fast jeder Debatte über Vergabe von öffentlichen Aufträgen gibt es Räte, die es für besonders clever halten, auf eine öffentliche Ausschreibung zu verzichten – ganz egal, ob das rechtlich möglich ist." Welsch hält das für einen großen Fehler. "In jeder öffentlichen Ausschreibung liegt ein doppelter Schutzmechanismus. Sie schützt die Allgemeinheit davor, dass bei der Vergabe getrickst wird. Sie schützt aber auch den Gemeinderat selbst davor, zu Unrecht der Mauschelei bezichtigt zu werden. In öffentlichen Ausschreibungen ist immer transparent nachvollziehbar, wie es zu Entscheidungen kam", sagt der Jurist. Sein Fazit: Einer Politik, die freiwillig auf so einfache wie effektive Mittel der Korruptionsprävention verzichte, sei ohnehin nicht mehr zu helfen.
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Antje H
am 07.10.2019Meine Familie lebt schon seit den 70iger Jahren in einem schönen reinen Wohngebiet.
Nun hat ein Großunternehmer aus dem Ort das Nachbargrundstück gekauft und baut dies nach und nach zu einem großen…