"Andere sind einfach mutiger", sagt Ex-Justizminister Rainer Stickelberger (SPD). In der vergangenen Legislaturperiode hat seine Partei gemeinsam mit den Grünen die Chance auf Reformen verstreichen lassen. Der Südwesten hätte, was über der Debatte zur Landtagswahlrechtsreform am Ende fast unterging, ohne Verfassungsänderung das Kommunalwahlrecht ändern und ein sogenanntes Parité-Gesetz samt dem vielbeschworenen Reißverschluss einführen können. Hätte, hat aber nicht. Ehrlicherweise muss gesagt werden, dass Gutachten gegen Gutachten stand. Von Stickelberger stammt der Satz, dass "wer vorangehen will, Spielräume austesten muss". Nicht einmal die damalige Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann wollte so etwas, ganz zu schweigen vom Genossen Innenminister Reinhold Gall. Beide Parteien scheuten zurück, wollten partout eine – durchaus mögliche – Niederlage vor Gericht vermeiden, um sich von der Opposition aus CDU und FDP nicht als unfähig kritisieren zu lassen.
Das wiederum war eine realistische Befürchtung. Sie unterstreicht die gleichstellungspolitische Rückständigkeit, vor allem in der Union. Ihr berühmtester Berlin-Export, Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, handelte sich kürzlich eine Breitseite sogar eines Mannes ein, Jost Müller-Neuhof im "Tagesspiegel", für seine "putzige Version von Geschlechter-Gleichheitsvorstellungen" und folgenden Satz: "Erst wenn Frauen und Männer wirklich frei entscheiden können, wo sie die Prioritäten in ihrem Leben setzen wollen, ohne auf Beruf oder Familie oder gesellschaftliches Engagement zu verzichten, ist das Ziel erreicht." Leider werde es "so nix mit der Gleichheit", schreibt Müller-Neuhof, " denn zu Frauen und Männern mit Beruf und Familie, die ihre Prioritäten nicht genau darauf setzen, kommt entweder das Jugendamt oder die Kündigung".
Nachholbedarf in Baden-Württemberg
Wenn Ende März die Frist zur Einreichung der KandidatInnen-Liste für die Kommunalwahlen abgelaufen ist und die Vorschläge öffentlich werden, wird abermals ein nicht akzeptabler Männerüberhang im Südwesten dokumentiert und sich erneut bestätigen, wie wenig Freiwilligkeit weiterhilft. Schon 2014 war der Aufschrei groß, denn in nur zehn (!) von den mehr als tausend Gemeinderäten im Land sind beide Geschlechter ausgeglichen vertreten. Gerade in Kreistagen haben die Männer mit 80 Prozent ein erdrückendes Übergewicht. "Auch nach 100 Jahren noch Nachholbedarf in Baden-Württemberg", heißt es in einer entsprechenden Pressemitteilung des Statistischen Landesamts zum "Internationalen Frauentag". Am größten ist er im Landkreis Heidenheim – der übrigens seit 1968, als die NPD in den Stuttgarter Landtag einzog, überproportional gute Rechtsaußen-Ergebnisse meldete – mit einem Männeranteil von 93,6 Prozent.
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Frank Frei
am 08.03.2019