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Strobl vor dem Merzinfarkt

Strobl vor dem Merzinfarkt
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Merz als Herausforderer von Kretschmann oder als Kanzlerkandidat? Gefühlt stündlich produzieren die besonders hellen unter Baden-Württembergs CDU-Strategen neue Phantasien zur Verwendung des gescheiterten Sauerländers. Da reibt sich einer die Hände.

Jetzt hat's Thomas Strobl schwarz auf weiß und in den ganz großen Buchstaben: Der Erstzugriff auf die Spitzenkandidatur bei den Landtagswahlen in drei Jahren ist ihm endgültig entglitten. Wenn überhaupt, darf sich der Vize-Ministerpräsident als eine Variante von mehreren betrachten und keineswegs als die attraktivste. Jedenfalls sind "Bild" die von interessierten Kreisen geschürten Gerüchte eine Sonntagsgeschichte wert. Friedrich Merz, der Herzensfavorit so vieler im Südwesten, soll bei den nächsten Landtagswahlen erreichen, was 2016 verpasst wurde: die Wiederherstellung geordneter Verhältnisse dank eines schwarzen Regierungschefs.

Andere Gazetten tun es dem Blatt nach, auch wenn es seine dürftigen Spekulationen mit keinem einzigen Klarnamen unterfüttert hat. "Tritt Merz 2021 gegen Kretschmann an?", fragen eilfertig die STZN, "Südwest-CDU liebäugelt mit Merz", titelt der Konstanzer "Südkurier". Einer der Schönheitsfehler: Ob Merz seinerseits mit dem Job in der Villa Reitzenstein liebäugelt, nachdem er sich schon fast sicher im Kanzleramt gesehen hat, bleibt unerforscht. Immerhin, auf der Facebook-Seite der Landes-CDU trauern seine Anhänger massenhaft, seit der Hamburger Bundesparteitag sich Anfang Dezember knapp, aber doch für Annegret Kramp-Karrenbauer, die Frau aus dem Saarland, entschieden hat. Übrigens: Läse die, was da so manche Merz-Fans über sie zum Besten geben, verlöre sie womöglich manchmal die Lust am eigenen Laden.

Warum ist Strobl so mucksmäuschenstill?

Strobl, der sich bei seinem Wechsel von Berlin nach Stuttgart für den starken Mann der Partei hielt, ist mucksmäuschenstill. Die Debatten in der realen und der digitalen Welt, selbst die Häme gegen AKK, lässt er unkommentiert weiterlaufen. In seine Rolle als Parteivize auf Bundesebene hat er nie so recht gefunden, sein Verhältnis zu AKK dürfte kaum besser sein als das kühle zu Angela Merkel. Strobl und sein Generalsekretär Manuel Hagel posteten kürzlich ein Bild vom ersten Besuch bei Kramp-Karrenbauer und ihrem Generalsekretär Paul Ziemiak. Die einzige dürre Botschaft: "Man freut sich auf eine gute Zusammenarbeit." Blutleerer geht kaum.

In den Augen seiner Fans ist Friedrich Merz nicht nur der Anti-Strobl mit seiner klaren Kante samt dem Spitzbuben-Charme. Zudem ist er unbelastet von den Mühen der Ebene, durch die sich die einstmals erfolgsverwöhnte Südwest-CDU seit 2011 quält. Der Versuch der Erneuerung danach ist dem Landesvorsitzenden nicht abzusprechen. Eine diskussionsfreudige und lebendige Partei versprach er zu formen, damals im Sommer 2012, als er in Karlsruhe (Selbst-)Kritik übte, mit der Ära Oettinger/Mappus abschloss, unter dem wohlwollenden Blick seines Schwiegervaters. "Fehler macht man immer, aber es gibt niemand, der unser Land besser in eine gute Zukunft führen kann als die CDU", gab ihm Wolfgang Schäuble mit auf den Weg. Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt.

In den fünf Oppositionsjahren nach 2011 verzettelte sich die CDU, konnte keine inhaltlichen Akzente setzen und leistete sich nach Günther Oettingers Duell gegen Annette Schavan 2005 einen zweiten Mitgliederentscheid, der nicht einte, sondern spaltete und Strobl als Unterlegenen erst recht schlecht aussehen ließ. Der Merz-Hype ist auch eine Konsequenz dieser verlorenen Jahre. Viele an der schwarzen Basis hängen fest im vergangenen Jahrzehnt. Bei der Böblinger Regionalkonferenz war der Jubel für Merz am heftigsten, wenn er die alten Sprüche klopfte. Dass er zentrale Herausforderungen wie den Klimawandel ausblendete, störte nicht. Eher im Gegenteil: Genährt wird und wurde von Merz die Erwartung, dass ähnlich wie die Merkel-Jahre in der ganzen Republik die Ära Kretschmann in Baden-Württemberg ebenso mit einem Federstrich abgewickelt werden könnte, wenn nur wieder ein richtiger Marktwirtschaftler die Zügel in die Hand nähme.

Die "Bild"-Kampagne ist noch lange nicht vorbei

Die "Baden-Württembergische Initiative für Friedrich Merz" will nach eigenem Bekunden ihrem Favoriten weiterhin einen Berliner Kabinettsposten erkämpfen. Mit jenen, die ihn in Stuttgart sehen wollen, verbindet sie die Überzeugung, dass es ein Ende haben muss mit dem vermeintlichen Linksdrall in der Union. Und obendrein mit dieser Weiberwirtschaft. Die geht ja mittlerweile sogar so weit, dass sich die neue Bundesvorsitzende mit dem umständlichen Doppelnamen Sottisen leistet, die über Jahrzehnte im Nachkriegsdeutschland nur richtigen Männern erlaubt waren. Sie habe "beim letzten Kabinettsfrühstück nochmals durchgezählt und festgestellt: Das Kabinett war vollzählig", höhnte sie im Jahresendgespräch mit der "Zeit", mithin gebe es für die Kanzlerin "keinen Handlungsbedarf".

Für andere bleibt er bestehen. Also haben sich einige von ihnen hinter die "Bildzeitung" gespannt, die ohnehin, wie das Netz so einfallsreich spottet, von einem "Merzinfarkt" zum nächsten stolpert. Die Pro-Kampagne, die folgte, sucht ihresgleichen ("Mein Name ist Merz – Merz mit E", "Der Merz-Plan", "So will Merz Kanzler werden") und ist ganz offensichtlich noch lange nicht zu Ende. In der Südwest-CDU herrsche große Unzufriedenheit mit dem derzeitigen Landeschef, heißt es, und dann folgt, passend zur Jahreszeit, die frohe Botschaft: Die CDU in Baden-Württemberg stehe quasi wie ein Mann hinter Merz.

Klingt gut, stimmt aber nicht. Susanne Eisenmann, zum Beispiel, die Kultusministerin mit Ambitionen, wird nicht einfach das Feld räumen. Zumal sie, schon aus sehr prinzipiellen Gründen, auf die Unterstützung der Frauen-Union zählen darf. Auch Wolfgang Reinhart hat noch lange nicht abgeschlossen mit der Idee, das Land zurückzugewinnen für seine CDU.

Natürlich ist Oettinger wieder als Strippenzieher dabei

Selbst Günther Oettinger wird weiterhin genannt. Der hat dieser Tage mitgeteilt, nach seinem Abschied von Brüssel in die Wirtschaft wechseln zu wollen, national oder international. Baden-Württemberg wird er weiter nicht aus den Augen lassen, um im richtigen Moment als Strippenzieher mitzumischen. Und die Spatzen pfeifen von den Dächern, dass Strobl die geringsten Chancen darauf hat, dass Oettinger für ihn den Daumen hebt. 

"CDU-Landeschef traut man den Erfolg gegen den grünen Konservativen Winfried Kretschmann nicht zu", weiß sogar der "Tagesspiegel" im fernen Berlin und gewinnt dem Personalpoker noch einen ganz anderen Aspekt ab: "Statt des Schäuble-Schwiegersohns also der Schäuble-Protegé für die Wahl 2021." Das zwar in einem Land, aber in einem, "gegen das im Bund nichts geht und gewiss nicht in der CDU, was zeigt, dass der Wunsch, aus Merz möge etwas werden, ernst ist".

Aber was? Noch ist Verlieren nicht dasselbe wie Siegen, auch wenn seine Anhänger – von ihm selbst ganz zu schweigen – seit Hamburg genau diesen Eindruck erwecken wollen. Tatsächlich aber käme ein Verlierer an. Und der Einbürgerungstest wird einfach: Nicht ohne Grund hat noch nie in der westdeutschen Nachkriegsgeschichte in einem Flächenstaat ein Kandidat ganz ohne landsmannschaftliche Verbindung sein Glück versucht. Der Grüne kann sich, wenn er durchhält und ein drittes Mal antritt, jedenfalls schon mal die Hände reiben.


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7 Kommentare verfügbar

  • Jue.So Jürgen Sojka
    am 25.03.2019
    Antworten
    Im dritten Bild Susanne Eisenmann, die, wer wird sich daran nicht mehr erinnern, mit _ihrer_ Vorstellung männlicher sein zu wollen als jeder Mann, polternd die Sprechblasen der Männer meinte zum Platzen bringen zu können?!?
    Als Bildungsbürgermeisterin in _ihrem_ Verantwortungsbereich bereits die…
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