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Lichterloh brennt es bei der Bahn

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Schlimmer geht immer bei der DB AG: Nach Bahnchef Lutz' "Brandbrief" im September folgten weitere Hiobsbotschaften. Angesichts einer Rekordschuldenlast kündigt der Bundesrechnungshof nun einen Prüfbericht an. Aber das wird auch nicht helfen.

Am 7. September kam der "Brandbrief", fünf Wochen später, am 12. Oktober, brannte auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke Köln-Frankfurt der ICE 511 lichterloh (<link https: www.kontextwochenzeitung.de politik brandschutz-5591.html external-link-new-window>siehe Kontext-Artikel in dieser Ausgabe). Im Dezember schließlich wurde bekannt: Die DB-Schulden erreichen Ende des Jahres das Rekordhoch von 20 Milliarden Euro. Der Konzern meldet für die nächsten Jahre eine Finanzierungslücke in Höhe von fünf Milliarden Euro.

Am 20. Dezember deckte der Journalist Thomas Wüpper auf, dass in den kommenden Jahren Stuttgart 21 erheblich zu dieser Finanzierungslücke beitragen werde. Und für Januar 2019 kündigte der Bundesrechnungshof (BRH) einen dem Bundestag zuzustellenden Prüfbericht zur DB an. Der BRH beklagt, die Deutsche Bahn fahre die Infrastruktur systematisch "auf Verschleiß". Eine seriöse Kontrolle über die Bundesmittel, die Jahr für Jahr in Höhe von mehr als zehn Milliarden Euro in den Konzern fließen, bestehe nicht. Der BRH will in diesem Zusammenhang auch die "Unternehmensform" der Deutschen Bahn zur Debatte stellen. Das ist immerhin die einer Aktiengesellschaft.

Soldat in Afghanistan mit Kindern

Blind in den Abgrund

Ausgabe 391, 26.09.2018
Von Winfried Wolf

Wegen Rekordschulden kündigte Bahnchef Lutz kürzlich "einschneidende Maßnahmen" an. Doch die tieferen Ursachen der Krise werden von den Bahn-Oberen nach wie vor nicht identifiziert. Die jetzige Konzernpolitik werde die Krise sogar noch verschärfen, prognostiziert unser Autor.

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Nun feiert die Deutsche Bahn AG am 5. Januar 2019 ihren 25. Geburtstag. Anlass genug, einmal nachzulesen, was ihr damaliger Chef Heinz Dürr 1994 verkündet hatte: "Mit der Bahnreform soll eine Entlastung für den Steuerzahler von ca. 100 Milliarden DM in den nächsten zehn Jahren einhergehen." Dürr konkretisierte dies hinsichtlich der Infrastrukturinvestitionen wie folgt: "Da die DB die vom Staat vorfinanzierten Investitionen über Abschreibungen verdienen muss, wird [...] in Zukunft [...] im Zweifelsfall abzuwägen sein zwischen einem Fahrtzeitgewinn von wenigen Minuten und dem dafür notwendigen Investitionsaufwand.

Tatsächlich gab es das Gegenteil einer "Entlastung": Die staatlichen Zahlungen für das System Schiene liegen heute wesentlich höher als vor der Bahnreform. Gerade bei Neubaustrecken zählen heute nur noch Minutenzeitgewinne, die Kosten treten demgegenüber völlig in den Hintergrund. Kein Wunder, zahlt doch der Bund – beispielsweise im Fall der Bolzstrecke Wendlingen-Ulm – 100 Prozent der neuen Schienenwege. Für die DB gibt es hier keinerlei Kapitalkosten. Damit existiert aber auch keinerlei Bremse als Resultat von Abschreibungen.

All das heißt: Es brennt lichterloh im Konzern. Das sieht auch die Ratingagentur S&P so. In ihrem Bericht vom 21. August 2018 wird festgehalten, dass die Verschuldung sehr hoch ist (22,1 Milliarden Euro), und die betriebswirtschaftlichen Aussichten negativ sind, obgleich der Bund 2017 erhebliche zusätzliche Mittel (2,7 Milliarden Euro) bereit gestellt hat.

Was in einer solchen Situation einer Aktiengesellschaft passieren könnte, hat der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags 2016 in einer Ausarbeitung zum Thema "Insolvenz von Eisenbahnunternehmen nach Artikel 87e Absatz 3 GG" (<link https: sehrgutachten.de bt wd7 external-link-new-window>hier das Gutachten) dargelegt. Sie kommt zum Schluss: "Mit der Privatisierung eines vormaligen ´Staatsunternehmens´ in Gestalt einer Kapitalgesellschaft wird dieses grundsätzlich insolvenzfähig [...] Auch eine Verpflichtung zum Ausgleich von Gesellschaftsverbindlichkeiten durch den Staat als Anteilseigner ist aufgrund Aktienrecht [...] nicht ersichtlich."

Unterstellt man auf dieser Grundlage, Stuttgart 21 erweise sich 2020 endgültig als ein Fass ohne Boden, während es gleichzeitig im Rahmen einer neuen Finanz- und Wirtschaftskrise zu massiven Verlusten kommt, dann könnte der Bahnkonzern Insolvenz anmelden. Es käme zur Bildung einer Auffanggesellschaft und einem Neustart auf niedrigerem Niveau. Ein großer Teil der Schulden müsste abgeschrieben werden. Die Bauruine Stuttgart 21 müsste mit Finanzmitteln des Landes Baden-Württemberg bzw. solchen der Landeshauptstadt Stuttgart "saniert" werden.

Wollte man angesichts des DB-AG-Jubiläumstag drei notwendige Schritte formulieren, wären dies folgende: Erstens eine Aufgabe des Status als Aktiengesellschaft und eine Rückführung in ein öffentliches Unternehmen, zweitens ein Ausstieg bei Stuttgart 21 und anderen zerstörerischen Großprojekten und drittens ein kompletter Neustart im Bereich Schiene.


Der Publizist Winfried Wolf ist Chefredakteur von "Lunapark21 – Zeitschrift zur Kritik der globalen Ökonomie". Soeben erschien das 
<link http: www.lunapark.21.net external-link-new-window>Lunapark21-Extra-Heft zu "25 Jahre Deutsche Bahn AG", 96 Seiten, 5 Euro.


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5 Kommentare verfügbar

  • Peter Meisel
    am 13.03.2019
    Antworten
    Wo ist das Problem: Günter Oettinger hat den Vertrag 2009 unterschrieben und die Wirtschaftlichkeit war bekannt aber nie veröffentlich (Volksabstimmung).
    Zitat.
    "2)
    Für die DB AG und die EIU ist es im Hinblick auf die Zukunft des Unternehmens von besonderem Interesse, dass für die DB AG und die EIU…
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