In der ersten Ferienwoche ist die Migrantin mit den kurdischen Wurzeln und dem deutschen Pass seit Jahrzehnten zu ihrer "Gedenkstättenreise" aufgebrochen. Fünf historische Orte dies- und jenseits des Rheins: Kippenheim, Haslach im Kinzigtal, Emmendingen, Breisach und Natzwiller. Im Emmendinger Rathaus hielt den Festvortrag zum Thema Erinnerungskultur der Freiburger Zeithistoriker Jörn Leonhard. Die grüne Landtagspräsidentin lobte in ihrer Begrüßung vor 150 Gästen das Engagement von ehrenamtlich tätigen Mitbürgern und Mitbürgerinnen. Seit ihre Partei die Landesregierung führt, sind die Mittel in Sachen Erinnerungskultur auf eine Million Euro etwa vervierfacht worden. Und die Präsidentin versprach weitere Unterstützung.
Dabei allerdings ließ sie es nicht bewenden. Aras spannte zugleich den Bogen vom Ersten zum Zweiten Weltkrieg und bis in die Gegenwart: "Der Holocaust wirkt bis heute nach." Allen Forderungen nach einem "Schlussstrich", wie er auch schon von einem Landtagsabgeordneten gefordert worden sei, erteilte sie eine klare Absage. An den Völkermord durch die Nazis müsse schon deshalb immer wieder erinnert werden, um die "Grundlagen unseres Staatswesens" hoch zu halten, weil "gerade ein so brutaler und tiefer Einschnitt wie der Holocaust eben kein Vogelschiss ist, den man vom glänzenden Lack made in Germany abwischen kann".
Aras kämpft gegen Ausgrenzung und Rassismus
Alle im Sitzungssaal des Emmendinger Rathauses wussten, wovon und von wem die Rede war. Alexander Gauland, Parteichef und Vorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion, früher CDU-Staatssekretär in Hessen, hatte beim Bundeskongress des AfD-Nachwuchses "Junge Alternative für Deutschland" (JA) im Juni Hitler und die Nationalsozialisten als "Vogelschiss" im Vergleich mit einer erfolgreichen und jahrtausendealten deutschen Geschichte bezeichnet. Die Empörung war groß, zumal der 77-jährige gebürtige Chemnitzer Wiederholungstäter ist. Vor einem Jahr, auf einem der inzwischen berüchtigten Kyffhäuser-Treffen der AfD-Ultras, plädierte er für einen Schlussstrich unter die Zeit des Nationalsozialismus. Aydan Özoguz (SPD), die frühere Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, wollte er wenig später "in Anatolien entsorgen" und "Frau Merkel oder wen auch immer jagen". Nicht zu vergessen sein Appell, "unser Land und unser Volk zurückholen".
Aras' Satz "Je größer das Wissen darüber, wo wir herkommen, desto leichter fällt es uns, die Gegenwart zu verstehen und mit ihr umzugehen" ist von einer derart kalkulierten Geschichtsvergessenheit Antipoden-weit entfernt. Es ist nicht nur das Recht der Landtagspräsidentin, genau dagegen anzuarbeiten und sich der Erinnerungskultur im Südwesten zu widmen. Es ist sogar ihre Pflicht. Moralisch, politisch und zuständigkeitshalber: 2013 wurde die Landeszentrale für politische Bildung (LpB) vom Geschäftsbereich des Staatsministeriums in den des Landtags geholt. Eine auch parteitaktisch motivierte Aktion, denn der Parlamentspräsident hieß damals Guido Wolf. Als einziger CDU-Politiker hatte er nach dem Machtwechsel noch ein Spitzenamt inne. Weil die Grünen 2016 sogar stärkste Partei wurden und selbst diesen Posten besetzen konnten, ging diese Rechnung nicht wirklich auf.
Wie ein roter Faden zieht sich seither der Kampf gegen Ausgrenzung und Rassismus durch Aras' Engagement. Im Dezember 2016 hat sie, unterstützt von der Landeszentrale, <link https: www.landtag-bw.de home aktuelles wertsachen.html external-link-new-window>die Veranstaltungsreihe "Wertsachen" ins Leben gerufen: "Was bis vor wenigen Jahren noch als unangefochten gegolten hat, steht plötzlich im Zentrum der öffentlichen Diskussion: Grundrechte werden angezweifelt, Grundwerte unserer Demokratie skeptisch hinterfragt, demokratische Institutionen angezweifelt". Die öffentliche Debattenkultur verrohe, beklagte sie zum Auftakt, im Internet grassierten Hassbotschaften, die Medienlandschaft werde als Lügenpresse bezeichnet: "Vor diesem Hintergrund ist es angezeigt, sich mit der Basis unseres Zusammenlebens auseinanderzusetzen, nämlich mit Grundgesetz und Landesverfassung."
Keine Argumente, nur Beleidigungen
An ihrer Tonlage hat sich seither nichts geändert. "Es begann nicht mit dem Bau von Konzentrationslagern und Gaskammern", sagt die Stuttgarter Abgeordnete, die bei der Landtagswahl mit dem landesweit besten Direktergebnis ins Parlament einzog, "es beginnt mit 'Wir gegen die', mit Hass und Verachtung." Beides schlägt ihr seit vielen Monaten von der ganz rechten Seite entgegen. Gepostet werden unvorteilhafte Fotos, Szenen, die ihre Überforderung in der Sitzungsleitung zeigen sollen, ein Video ist wieder gelöscht.
11 Kommentare verfügbar
Jue.So Jürgen Sojka
am 11.09.2018Der Vorstellung Raum gegeben, das würden die "Volljährigen" im Jahr 1957 bereits so diskutiert haben – 3. Bundestagswahl!!! Es würden bedeutungsvolle Weichen zur "Weiterfahrt" in Richtung…