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Da stimmt was nicht

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Der AfD-Fraktionsvize im baden-württembergischen Landtag, Emil Sänze aus Sulz, wirft Menschen gerne vor, sie würden ein "Lügengespinst" flechten und betrieben eine "verheerende Informationspolitik". Das scheint nicht falsch zu sein – wenn man dessen eigene Geschäfte betrachtet.

Laut Selbstauskunft im Handbuch des Landtags von Baden-Württemberg ist der 67-jährige AfD-Abgeordnete "Geschäftsführender Gesellschafter der FleetFabrik Europe (Strategie-Unternehmensberatung) sowie Geschäftsführer und Beirat der CarVita Holding (Digitale Service-Gesellschaft/Business-Intelligence Prozesse)". Der studierte Betriebswirt hat außerdem etliche Karrierestufen durchlaufen, war bei der Deutschen Bank, bei der Deutschen Sparkassen Leasing und später in verschiedenen Unternehmen von BMW. Am Ende seiner aktiven Karriere war er bis 2014 bei der BMW-Bank.

Im September 2015 gründet er mit einem anderen ehemaligen BMW-Mitarbeiter die "FleetFabrik Europe. Gesellschaft mit beschränkter Haftung". Der Firmensitz in Sulz am Neckar ist zugleich seine Privatanschrift. Die Firma will unter anderem Beratungsleistungen im Bereich Autohandel und Banken anbieten. Wenn man sich in der Flottenleasing-Branche umhört, ist der Name Sänze durchaus bekannt. Sein Ausscheiden bei der BMW-Tochter, sagt einer, der ihn gut kennt, habe vielleicht damit zu tun gehabt, dass "seine charmante Art" beim ein oder anderen bei BMW "nicht so gut ankam". Aber seine Verdienste dort seien unbestritten.

Wie edel: keine Geschäfte mehr, nur noch Politik

Betrachtet man die beiden Angaben zu seiner aktuellen beruflichen Tätigkeit im Landtagshandbuch, kommt man ins Grübeln. Davon, dass Sänze Geschäftsführender Gesellschafter der FleetFabrik Europe und Geschäftsführer und Beirat der CarVita Holding ist, kann keine Rede sein. Auf Nachfrage der "Neuen Rottweiler Zeitung" (NRWZ), die den heimischen AfD-Abgeordneten kritisch begleitet, schreibt Sänze in einer E-Mail denn auch: "Meine operativen Tätigkeiten als geschäftsführender Gesellschafter habe ich allesamt niedergelegt, um mich voll und ganz meinem Mandat zu widmen." Das hat er mit stolzen 16,4 Prozent im Wahlkreis Rottweil erreicht.

Wahr ist: Die FleetFabrik befand sich in Liquidation. Sänze war daher zuletzt nicht deren Geschäftsführer, sondern Liquidator. Und seit dem 8. Januar 2018 ist die Gesellschaft aufgelöst. Es lag wohl nicht an seinem Mandat, dass der AfD-Politiker den Spaß an seiner FleetFabrik verloren hat, sondern, so sagt ein Kenner der Szene: "Die verschwand irgendwann einfach. Die hat wohl nicht so reüssiert, wie er sich das vorgestellt hatte."

Reichlich dubios erscheint auch die Geschichte zur CarVita: Da will Sänze Geschäftsführer und Beirat sein. Im Handelsregister findet sich allerdings als Geschäftsführer nur der Name Jürgen Henschel. Fragt man zu seiner Tätigkeit bei der CarVita Holding nach, erntet man "Verwunderung". Henschel schreibt: "Herr Sänze war zu keinem Zeitpunkt Geschäftsführer beziehungsweise Beirat der CarVita Holding." Er habe sich zwar mit seiner FleetFabrik bemüht, in eine Geschäftsbeziehung mit CarVita einzutreten, und hätte dann auch Geschäftsführer werden können. Dies sei aber "nie zustande gekommen." Und was ist mit dem Beirat? Stimmt das denn wenigstens? Auf Rückfrage erklärt Henschel: "Wir hatten und haben gar keinen Beirat."

Sänze spricht von nicht haltbaren Anschuldigungen

Nachdem der Artikel in der NRWZ erschienen war, meldete sich Sänze über seine Facebookseite am 8. Juli. Er hält der Zeitung vor, ein "Sammelsurium von nicht haltbaren Anschuldigungen" gegen ihn vorgebracht zu haben. Zunächst schildert er ausführlich seine verschiedenen Aufgaben, die er bis 2014 innehatte. Fakten, die gar nicht umstritten sind. Dann holt er seinen vermeintlichen Trumpf hervor. Einen Vertrag, wonach sich seine FleetFabrik 2015 an der CarVita in Hamburg beteiligt hat. "Folgerichtig wurden mein Partner und ich Geschäftsführer dieser Gesellschaft – siehe notarieller Gesellschafterbeschluss vom 7. Oktober 2015, in Anlage." Und auf Facebook findet man tatsächlich einen Vertrag, den Sänze, sein belgischer Partner und Jürgen Henschel von CarVita unterschrieben haben. Hat der Mann also doch recht?

CarVita-Chef Henschel sagt Nein. Nachdem Sänze den Notarvertrag auf Facebook präsentiert hatte, ist Schluss mit der hanseatischen Zurückhaltung. Zunächst verwundere ihn, sagt der Hamburger Manager, dass der Mann aus Sulz als "Mitglied des Landtages sich wohl nicht an Verträge und Verschwiegenheitserklärungen hält und von dem Thema Datenschutzgrundverordnung auch noch nicht Kenntnis genommen hat." Bei dem von Sänze veröffentlichten Dokument zur Bestellung als Geschäftsführer handele es sich um einen "Teil eines Notariatsvertrages zum beabsichtigten Kauf von Gesellschafteranteilen der CarVita Holding GmbH durch die Firma FleetFabrik Europe GmbH." Dieser Kaufvertrag habe "als aufschiebende Bedingung die Zahlung des Kaufpreises zum 31. Dezember 2015" gehabt. "Da der Kaufpreis nicht bezahlt wurde, ist der Vertrag rechtlich nicht zustande gekommen."

Für den Mann aus Sulz ist klar: Die Medien sind schuld

Im Sommer 2016 hat Henschel dann dem Notar geschrieben, der Vertrag mit Sänze sei wegen Nichterfüllung nicht zustande gekommen. "Dies ist im Handelsregister und der Gesellschafterliste nachzuvollziehen", so der CarVita -Chef. Da er sich "nicht auf das gleiche Rechtsniveau wie Herr Sänze begeben" wolle, werde er die entsprechenden Unterlagen weiter vertraulich behandeln, auch weil er sonst ebenfalls gegen Verabredungen und Datenschutzbestimmungen verstoßen würde. Weshalb Sänze nicht bezahlt hat, wisse er nicht. Nur so viel: "Von all den großspurig angekündigten Geschäftsanbahnungen ist nichts zustande gekommen."

Der stellvertretende AfD-Fraktionschef hat eine Erklärung: Die Medien sind schuld. Er schreibt, original zitiert: "Die Bekanntgabe meines Namens in der Presse und im Handbuch des Landtags war mit dem schleichenden Exodus unserer Kunden und Partner in Deutschland, und zwar nur in Deutschland, verbunden, der entstandene Schaden durch den Rückzug von Kunden und qualifizierten Anbahnungen bewegt sich im siebenstelligen Bereich."

Mehrere Tage hatte Sänze Zeit, um die Fragen von Kontext zu beantworten: Wie er zu den Erklärungen des CarVita-Chefs steht? Weshalb er nicht im Handelsregister aufgeführt ist? Ob das mit dem nicht bezahlten Kaufpreis stimmt? Wie es ihm gelungen ist, Mitglied in einem Beirat zu werden, den es nicht gibt?

Bis Redaktionsschluss keine Antwort. Oder doch: Auf seiner Facebookseite, auf der er lang und breit gegen das "Sammelsurium von nicht haltbaren Anschuldigungen" in der NRWZ gewettert hat, ist das Thema inzwischen verschwunden. Komplett weg. Vielleicht hat ihm jemand klar gemacht, dass er insbesondere seine Schlussbemerkung lieber für sich behalten hätte: "Dass wir in Deutschland als Parteimitglied, Funktionär und Parlamentarier solcher Hetze ausgesetzt sind, obwohl legimitiert gewählt, lässt nur die Frage offen, sind wir auf dem Weg zu einer Hetzkampagne wie 1933?"

Kontext schaut nach den Rechten

Wer sich als Alternative für Deutschland anpreist, muss Lösungen anbieten. Kontext lässt sich durch politische Nebelkerzen und dreiste Lügen nicht einlullen, sondern checkt die Fakten.

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2 Kommentare verfügbar

  • Peter Cuenot
    am 19.07.2018
    Antworten
    Meiner Ansicht nach dürfte in diesem Artikel nicht der Eindruck erweckt werden, dass Herr Sänze unlautere Geschäfte getätigt oder unlautere Geschäftspraktiken an den Tag gelegt haben könnte. ("......wenn man dessen eigene Geschäfte betrachtet.")

    Auch war er unstreitig, bis zum Liquidationsbeschluss…
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