Bevor nun im Hickhack der Parteimeinungen eine neue Spielstätte auserkoren wird, wären einige grundsätzliche Fragen zu klären. Was ist der Stadt die Oper wert? Wie viel Geld sollen Stadt und Land, über die reine Sanierung hinaus, für den Altbau und auch für die Interims-Spielstätte in die Hand nehmen? Danach hat die Fraktion SÖS-Linke-Plus bereits vor zwei Jahren gefragt. "Grundsatzfragen klären!" steht über ihrer Anfrage vom Oktober 2016. Bis heute hat sie nach eigenem Dafürhalten keine zufriedenstellende Antwort erhalten.
In der Geschäftsordnung des Gemeinderats steht: "Schriftliche Anfragen beantwortet der Oberbürgermeister grundsätzlich innerhalb von drei Wochen, in Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung oder bei referatsübergreifenden Vorgängen innerhalb von sechs Wochen." Nun ist es nicht unüblich, dass die Verwaltung die Antworten verschleppt oder sich aus den Fragenkatalogen ein paar leicht und unverbindlich zu beantwortende Fragen herauspickt, um an anderer Stelle ein Tacet einzulegen.
SÖS-Linke-Plus beschweren sich beim Regierungspräsidium
Diesmal ließ sich Oberbürgermeister Fritz Kuhn mit der Antwort acht Wochen Zeit: "Eine umfassende Information des Gemeinderates über die anstehende Opernsanierung und eine offene Diskussion über alle Themen in den zuständigen Gremien halte ich nicht nur für zwingend, sie ist mir auch ein persönliches Anliegen", bekennt er im Dezember 2016, ohne weiter ins Detail zu gehen: "Alle im Antrag genannten Fragestellungen und Positionen werden daher in der Planungsphase zu gegebener Zeit thematisiert werden."
Die gegebene Zeit war ein Jahr später offenbar noch nicht gekommen. Daher präzisierte die Fraktion ihre Anfrage im November 2017 noch einmal und erweiterte sie unter anderem auf die Kosten für das Interim. Um im März 2018, als noch immer keine Antwort vorlag, mit weiteren Fragen nachzuhaken. Diesmal antwortete Kuhn Anfang Mai, die Anfrage von 2017 sei mit einer Sammelzwischennachricht, auch auf einen anderen Antrag des Stadtisten Ralph Schertlen von November 2016, erledigt. Dies reicht nun der Fraktion nicht aus. Sie hat gegen die ihrer Meinung nach schleppende und unzureichende Beantwortung beim Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde Beschwerde eingelegt.
Sicher kann Kuhn keine Fragen beantworten, wenn er die Antwort selbst noch nicht weiß. Aber in der Debatte wird immer nur mit Gesamtsummen operiert, die pauschal in Gutachten genannt werden, ohne näher aufgeschlüsselt zu sein. Diese sind dann komischerweise hoch. Über Spielräume, die es sicher auch gibt, lässt sich so nicht diskutieren.
Architekten fordern breite öffentliche Diskussion
Im bunten, bisweilen dissonanten Konzert der Meinungen erheben nun auch die Architekten ihre Stimme. In einem offenen Brief der Architektenkammer, der Landesgruppe des Bunds Deutscher Architekten (BDA) und der Ingenieurkammer zur B 14 und zur Opernsanierung loben sie zunächst – ohne Streitthemen anzusprechen – die Initiative des Vereins "Aufbruch Stuttgart". Doch dann heißt es weiter: "Dieser vielversprechende Ansatz droht aber jetzt in vielstimmigem aneinander Vorbeireden und zunehmend konfrontativen Aktionen verschiedener Protagonisten verloren zu gehen. Dabei wäre gerade jetzt die gemeinsame Anstrengung aller an einer positiven Stadtentwicklung Interessierten notwendig."
Die Architekten mahnen "partizipative Instrumente" und eine breite öffentliche Diskussion an: "Einseitige Vorfestlegungen sind dabei ebenso kontraproduktiv wie getrennt nebeneinander herlaufende Untersuchungen und Wettbewerbe." Erst nach einer solchen Diskussion könnten "die Randbedingungen für weitere Wettbewerbsphasen so definiert werden, dass deren Ergebnisse vergleichbar sind, eine breite Akzeptanz finden und sich ohne weitere Verzögerung umsetzen lassen."
Ein hochdotierter, offener und interdisziplinärer Planungswettbewerb in zwei Phasen, so die Architekten, sei am Ende das am besten geeignete Prozedere. Dass eine Interimsoper nach Ende der Sanierung des Opernhauses weiterhin als Kulturstandort genutzt werde, davon gehen sie aus. Sie ziehen daraus den bemerkenswerten Schluss: "Bei der Standortwahl sollten daher nicht Verfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit im Vordergrund stehen, sondern die Frage, an welcher Stelle die Stadt am meisten von einer solchen Einrichtung profitieren würde."
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