Vielleicht hätte eine ordentliche Klatsche wirklich was bewirkt. Wie bei lernunwilligen SchülerInnen, die erst dann richtig loslegen, wenn es Fünfen und Sechsen hagelt. Die Bundesrepublik hängt aber fest im gefährlichen Pisa-Mittelmaß. Und der vielbeschriebene Schock von 2000 war gar keiner, jedenfalls nicht in der entscheidenden Gerechtigkeitsfrage.
Stattdessen gab und gibt es viel Aufregung über die Platzierungen. Selbst wenn die Unterschiede und Verschiebungen nur minimal sind. 2015 zum Beispiel liegen zwischen Platz eins und zwei – Singapur und Hongkong – 16 Punkte und damit ebenso viele wie zwischen Platz 13 – Deutschland – und Platz 27, belegt von Russland, Österreich und Spanien. Zur Einordnung: Ähnlich viele Punkte (15) betrug zwischen 2012 und 2015 das naturwissenschaftliche Minus heimischer SchülerInnen. Die Bestürzung war groß.
Tatsächlich wäre es viel wichtiger endlich den Zusammenhang zwischen Herkunft und Schulerfolg ernsthaft anzugehen. "In keinem Land ist er enger als in Deutschland", heißt es im ersten, schon im Dezember 2001 veröffentlichten Pisa-Bericht. Europäische Vorbilder mit ähnlichen Systemen hätte es durchaus gegeben: In Schweden, Norwegen, Österreich, Italien, Spanien, Lettland oder Finnland waren die Aufstiegschancen durch Bildung deutlich besser. "Hohes Kompetenzniveau und geringe soziale Ungleichheiten – diese wünschenswerte Kombination wird vor allem durch die Sicherung eines befriedigenden Leistungsniveaus in den unteren Sozialschichten erreicht", schrieben die Autoren. Die Botschaft wurde xfach verbreitet. Wirksame Konsequenzen? Fehlanzeige.
Pisa hat wenig mit der Schulwirklichkeit zu tun
Stattdessen wurde und wird mit den immer neuen Testzyklen, den immer neuen Vergleichen und Nachfolgestudien vor allem die ewige Strukturdebatte gefeuert. Trotz all der Warnungen vor Fehl- und Überinterpretationen. "Pisa hat nicht viel mit der Wirklichkeit von Schule zu tun", wiederholt Stefan Hopmann seit Jahren. Der Bildungsforscher mit langjähriger internationaler Erfahrung ist einer der renommierten Kritiker, weil "im klassischen Sinne die Produktion von Halbbildung gemessen wird" und "die Untersuchung ausschließlich darauf abzielt, einen bestimmten Typus, nämlich Testfähigkeit, zum Maßstab zu machen". Das unterschätze die Komplexität und Breite von Bildung aber "katastrophal", so Hopmann. Und er beklagt – ein Aspekt von besonderer Bedeutung für die aktuelle Situation Baden-Württemberg – die Einengung der "Qualitätsdebatte auf Schülerleistungen".
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