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Wüstenfuchs bleibt Wüstenfuchs

Wüstenfuchs bleibt Wüstenfuchs
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Mit großem Pomp hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen einen neuen Traditionserlass für die Bundeswehr vorgestellt. Anlass waren Funde von Wehrmachtsdevotionalien in Kasernen. Neu ist fast nichts und Kasernen dürfen immer noch Namen von NS-Helden tragen.

Was ist für die Bundeswehr traditionsstiftend? Fast ein Jahr ist es her, seit im vergangenen Mai der Skandal um den rechtsextremen Soldaten Franco A. und die Funde von Wehrmachtsdevotionalien in Kasernen zeigten, dass die Truppe ein strukturelles Problem mit rechtem Gedankengut hat. In der Folge kam es zu einer heftigen Diskussion über das Traditionsverständnis der Bundeswehr, und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) kündigte als Reaktion immer wieder eine Überarbeitung des sogenannten Traditionserlasses von 1982 an. Es entstand so der Eindruck, auf Mängel in diesem seien die rechten Umtriebe zurückzuführen.

Das war schon damals irreführend. Wäre er konsequent angewandt worden, hätte schon der alte Erlass, der auf den damaligen Verteidigungsminister Hans Apel (SPD) in der Endphase der sozialliberalen Koalition zurück geht, nicht zugelassen, die Wehrmacht in irgendeiner Form als Traditionsträger der Bundeswehr zu betrachten. Das Problem war immer nur seine nie konsequente Durchsetzung.

Von daher ist es auf der einen Seite folgerichtig, auf der anderen angesichts der geweckten Erwartungen aber auch kurios, dass in dem am 28. März vorgestellten neuen Erlass zum Verhältnis der Bundeswehr zur Wehrmacht nichts Neues steht, rein gar nichts. "Der verbrecherische NS-/Nationalsozialismus-Staat kann Tradition nicht begründen. Für die Streitkräfte eines demokratischen Rechtsstaates ist die Wehrmacht als Institution nicht traditionswürdig." Das stellte schon das Dokument von 1982 klar.

Immerhin neu: die ganze deutsche Militärgeschichte im Blick

Ausnahmen gäbe es aber – wenn Wehrmachtsangehörige im Widerstand waren oder sich besondere Verdienste um den Aufbau der Bundeswehr erworben hätten. Ersteres wird immer wieder für Erwin Rommel in Anspruch genommen, nach dem noch zwei Kasernen benannt sind, eine davon im baden-württembergischen Dornstadt. Eindeutige Belege dafür gibt es nach wie vor nicht, im Gegenteil.

Nichts Neues zur Wehrmacht kann auch Jakob Knab aus Kaufbeuren im neuen Erlass finden, der mit seiner "Initiative gegen falsche Glorie" seit Anfang der 1990er für das Kappen alter Traditionslinien zur Wehrmacht engagiert. "Der neue Traditionserlass ist ein von Ursula von der Leyen geschickt inszenierter Schachzug", sagt Knab. Denn durch die parallel erfolgte Umbenennung der Emmich-Cambrai-Kaserne in Hannover in Hauptfeldwebel-Langenstein-Kaserne erhalte nun die "Generation Einsatz" Rückenwind, so Knab. Tobias Langenstein wurde 2011 bei einem Einsatz in Afghanistan getötet

Das ist tatsächlich etwas Neues im Von-der-Leyen-Erlass: Die Bundeswehr wird durch sich selbst traditionsstiftend. Und, damit verbunden, nimmt der neue Erlass erstmals "die gesamte deutsche Militärgeschichte in den Blick", also auch andere Armeen als die der Bundeswehr vorausgehende Wehrmacht, etwa die die Nationale Volksarmee (NVA) der DDR oder die Armee des Deutschen Kaiserreichs. Und auch aus diesen könne "jenen Teile", sprich Personen, die Traditionswürdigkeit abgesprochen werden, "die unvereinbar mit den Werten unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung sind". Etwa jener preußische General Otto von Emmich, der im Ersten Weltkrieg für Kriegsverbrechen bei der Eroberung von Lüttich verantwortlich war und daher keiner Kaserne mehr als Namenspate dienen soll.

Das mag ein begrüßenswerter Schritt sein. Doch die Umbenennung erscheint aus mehreren Gründen als publikumswirksame Inszenierung: 2014 noch hatte es von der Leyen ausdrücklich abgelehnt, die Emmich-Cambrai-Kaserne umzubenennen – es lägen keine wissenschaftliche Belege für eine Schuld Emmichs vor, <link http: www.haz.de hannover aus-der-stadt uebersicht ursula-von-der-leyen-ist-gegen-umbennenung-von-umstrittener-kaserne-in-hannover external-link-new-window>hieß es damals. Dahingestellt sei ohnehin, ob ein Erster-Weltkriegs-General irgendeinem jungen Rekruten noch etwas sage, meint Knab.

"Deckmantel der Basisdemokratie"

Und wenn schon Kasernennamen als Ausweis eines Traditionsverständnisses dienen sollen, dann stünde als weit dringendere Aufgabe an, sich mit den immer noch nach NS-Kriegshelden benannten Quartieren zu beschäftigen. Etwa der Lent-Kaserne im niedersächsischen Rotenburg, als deren Namenspate der Jagdflieger Helmut Lent dient, der sich überaus eifrig in den Dienst der NS-Propaganda stellte. Der Streit um diese gleicht einer schon viele Jahre andauernden Posse (<link https: www.kontextwochenzeitung.de zeitgeschehen aerger-mit-der-wehrmacht-4366.html _blank internal-link-new-window>Kontext berichtete), Knab nennt es "einen Skandal". Von der Leyen will eine Umbenennung, doch nach aktuellem Stand soll an dem Namen nicht gerüttelt werden. Die immer wieder gleiche Begründung: Die "bewährten Verfahren", dass Namensgebungen "von unten", in einem Meinungsbildungsprozess in der Kaserne vor Ort angestoßen werden sollen.

Für Knab ist das "reine Augenwischerei", in Wirklichkeit sei es, auch bei der neuen Langenstein-Kaserne, stets so: Die Entscheidung erfolge im Ministerium, "dann wird von oben getriggert, wie das Personal vor Ort von unten zu entscheiden habe." Knab sieht hier auch die "eingebaute Schwachstelle der neuen Traditionsrichtlinien": Dass es beim Prinzip von unten nach oben geblieben sei. "Damit wurde unter dem durchsichtigen Deckmantel der Basisdemokratie ein Schlupfloch des militärischen Kämpferkultes erhalten." Bedenkliche Traditionsnamen könnten so mit vermeintlichem Mehrheitsvotum "unbefleckt" über die Runden gerettet werden.

Immerhin hat von der Leyen im vergangenen Jahr Lent schon explizit als "nicht mehr sinnstiftend für die heutige Bundeswehr" bezeichnet. Zum "Wüstenfuchs" Rommel ist eine entsprechende Aussage noch nicht überliefert, und Knab macht sich hier auch keine großen Hoffnungen. Er habe kürzlich mit einem Mitarbeiter des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam gesprochen, der ihm erklärt habe: "Wir werden Rommel bis zum Ende der Zeiten verteidigen." Das Hauptargument in der Bundeswehr sei, dass man sich "vor unseren Kameraden in der Nato lächerlich machen" würde, "wenn wir Rommel aufgeben."

Kasernennamen sind das eine, der allgemeine Umgang mit rechtem Gedankengut bei der Bundeswehr das andere. Dass sich hier, genau wie in anderen Fragen wie dem Umgang mit dem neuen Status als Berufsarmee, nichts tue, hat der Historiker Hannes Heer schon im vergangenen Jahr in Kontext beklagt. Dass die Bundeswehr mit Rechtsextremisten wie Franco A. ebenso wie jenen, die ihn verteidigen, ein strukturelles Problem habe, davor warnt auch der Freiburger Militärhistoriker Wolfram Wette schon länger. "Als Zivilist muss man sich bewusst machen, dass im militärischen Milieu alles ein Stück weit nach rechts versetzt ist. Was im Militär als konservativ angesehen wird, ist aus Sicht der Zivilgesellschaft rechtsradikal. Wenn man das begriffen hat, kann man manche Vorgänge in der Bundeswehr besser verstehen", sagte er Anfang Januar in einem <link http: www.badische-zeitung.de deutschland-1 gibt-es-in-der-bundeswehr-einen-braunen-sumpf--147841300.html external-link-new-window>Interview mit der "Badischen Zeitung".


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5 Kommentare verfügbar

  • Andromeda Müller
    am 15.04.2018
    Antworten
    Hm . Ich vermisse im Artikel Kritik und das Parallelen ziehen zwischen der "neuen Verteidigungspolitik" , embedded in NATO und EU -Einsätzen weltweit , und der nationalsozialistischen Tradition des "Auslandseinsatzes" , z.B. des "Präventivkriegs" gegen Rußland (das mußte ja auch damals schon alles…
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