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Super-Theresia wird Buhfrau

Super-Theresia wird Buhfrau
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Noch gar nicht lang ist's her, da wurde Theresia Bauer (Grüne) als mögliche Ministerpräsidentin gehandelt. Das ist vorbei. Allein dass ein Untersuchungsausschuss ihren Namen ("Bauer I") tragen sollte, macht ihren Absturz deutlich.

Irgendwas bleibt immer hängen. In einer Plenardebatte vor bald drei Jahren beschrieb der FDP-Abgeordnete Friedrich Bullinger genüsslich "das System" der Wissenschaftsministerin, die allerorten als "nette Grüne" gelobt werde: "In der schlimmen Rasselbande ist sie noch immer das am wenigsten schlimme Mädchen." An dieser "Selbstbeweihräucherung" wollten sich die Liberalen aber nicht beteiligen. "Wie zahlreiche Beispiele von gekrönten Häuptern aus der Geschichte lehrten", so der einmal in Fahrt gekommene Schwäbisch Haller, "werfen große Hermelinmäntel auch große Schatten".

Die Aufregung im Plenarsaal und darüber hinaus war interessengeleitet: Eine Überfliegerin sollte in trüberes Licht gerückt werden, eine Frau, die zum dritten Mal zur Wissenschaftsministerin des Jahres gekürt worden war. Und vor allem fiel ihr Name immer wieder zuverlässig, wenn über die Nachfolge von Winfried Kretschmann diskutiert wurde. Da schadeten ein paar Kratzer nichts. Bauer zu kritisieren, grenze an "Majestätsbeleidigung", behauptete reichlich übertrieben Bullinger, dabei reiche doch schon "die Heiligsprechung des Ministerpräsidenten".

Die "nette Grüne" hätte früher hellhörig werden müssen

Spätestens an diesem Apriltag 2015 hätten die "nette Grüne" und ihr Team hellhörig werden müssen. Denn die Angriffe waren nicht ohne Unterfutter gestartet worden und reichten über die übliche Oppositionsrhetorik hinaus. In der Ludwigsburger Hochschule, der vielzitierten Verwaltungs-Kaderschmiede des Landes, kochte eine Affäre aus der Zeit vor ihrem Amtsantritt hoch. Es ging und geht um zu hohe Professorengehälter in 17 Fällen, ermöglicht durch Zulagen, die ein 2011 pensionierter Rektor zweifelsfrei nicht ordnungsgemäß gewährt hatte. Inzwischen ist Anklage erhoben. Seine Nachfolgerin, die längst eher berüchtigte als berühmte Claudia Stöckle, entdeckte die Causa, sprach 2012 die Ministerin darauf an. Die war von der Fachebene ihres Hauses bis dahin aus der Sache herausgehalten worden – und hielt sich selbst heraus.

Mit gutem Grund. Der hört auf den Begriff der Hochschulautonomie, ein Prinzip, wonach allfällige Probleme vor Ort bearbeitet und gelöst werden müssen. Allerdings hätte Bauer, schon allein, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, sie wolle sich ihr hohes Ansehen in der Professorenschaft mit einer Überdehnung dieses Anspruchs erkaufen, zumindest so reagieren müssen, dass ihr Verhalten im Rückblick lückenlos plausibel darstellbar ist. Was aber nicht wirklich gelang und gelingt.

Die Sache ist komplex und wie geschaffen für Kritiker, Honig daraus zu saugen. "Der Fall der Professorengehälter ist so kompliziert, dass man ihn Unbeteiligten nur mit viel Geduld erklären kann", schreibt die "Südwest-Presse", um die unendliche Geschichte zumindest einigermaßen zu entflechten. Es gehe "um jahrelange, ineinander verschachtelte Vorgänge, um die Gestaltungsfreiheit von Hochschulrektoren und Eingriffsrechte und -pflichten des Wissenschaftsministeriums".

Außerdem erscheinen auf der Negativ-Seite der langjährigen Heidelberger Abgeordneten inzwischen so heikle Themen wie die <link https: www.kontextwochenzeitung.de politik bauers-uni-maut-4052.html internal-link-new-window>hochumstrittenen Studiengebühren für EU-Ausländer, für die es bestenfalls neoliberalen Applaus gibt. Oder die finanzielle Schieflage der Dualen Hochschulen. Oder dass auch in Konstanz Zulagen ohne Grundlage gezahlt wurden. Das Habenkonto, vor allem dank des bundesweit gelobten Hochschulfinanzierungsvertrags aus ihrer Amtszeit, verblasst jedenfalls. Zudem geisterten alsbald unschöne Codeworte durch die maßgeblich von der "Stuttgarter Zeitung" dominierte Berichterstattung: "Sündenbock" für Stöckle, die an der Aufarbeitung der Vorgänge scheiterte, "Falschinformation" des Landtags durch die Ministerin, "Blamage" oder "Makel im Musterländle" (FAZ). Nur folgerichtig – und die Grünen wissen, dass sie es zu Oppositionszeiten nicht anders gehalten hätten – wurde der Ruf nach einem Untersuchungsausschuss immer lauter.

Schon allein der Name, den SPD und FDP dem parlamentarischen Gremium geben wollten, zeigt, wie sehr die beiden Oppositionsfraktionen die 52-Jährige immer weiter ins Visier nehmen: "Bauer I" sollte die Kurzbezeichnung lauten, unterstellend, dass noch ein zweiter notwendig werden könnte. Im Einsetzungsantrag heißt es, "insbesondere das pflichtwidrige Verhalten" der Ministerin sei aufzuklären. Es sei ihr nicht gelungen, "geeignete Maßnahmen in die Wege zu leiten, um eine tragfähige Lösung gemeinsam mit der Hochschule zu entwickeln".

Aus "Bauer I" wurde mit den Stimmen der Regierungsfraktion "Zulagen Ludwigsburg". Dennoch – oder gerade deshalb – nahm bei der Einsetzung vor gut einem Jahr SPD-Fraktionschef Andreas Stoch das Ergebnis bereits vorweg mit der Aussage, die Ministerin trage für Aufklärungsversäumnisse "letztlich die persönliche Verantwortung", und ihr Verweis auf die Hochschulautonomie sei bloß "ein kleines Feigenblatt der Scham". Auch sein FDP-Kollege Hans-Ulrich Rülke kannte wie gewohnt kein Pardon und wusste schon damals, dass die Ministerin "weggesehen und vertuscht" habe.

Belegt sind diese kühnen Behauptungen bisher durch die Arbeit des Untersuchungsausschusses nicht. Eher im Gegenteil. Hinter den Kulissen wird unter Sozialdemokraten und Liberalen diskutiert, dass Bauer persönlich kaum ein Fehlverhalten nachzuweisen sein wird. Zufriedenheit hat sich dennoch breitgemacht, weil sich die Grüne anhaltend rechtfertigen muss. Im Regierungsbericht, der dem Ausschuss präsentiert wurde, im dreistündigen Auftritt gleich zu Beginn. Erst recht seit bekannt wurde, dass sich Zeugen in Pension Anfang Dezember im Ministerium auf ihren Auftritt im Ausschuss vorbereiteten. Und zwar nicht nur per Aktenstudium, was üblich und erlaubt ist. Sondern zudem durch Treffen mit früheren Vorgesetzten und dem eigenen Nachfolger, der sogar Vertreter der Landesregierung im Ausschuss ist, also alle Zeugenvernehmung und vor allem Protokolle kennt.

Was wäre das für ein gefundenes Fressen gewesen für Rezzo Schlauch oder Franz Untersteller in den Untersuchungsausschüssen zu Obrigheim oder der Atomaufsicht im Land. Oder für die Opposition aus Roten und Grünen im FlowTex-Ausschuss zum Milliardenbetrug mit erfundenen Horizontalbohrmaschinen. Ein Ausschuss übrigens, der illustriert, welche Eigendynamik solche Gremien bekommen können: Am Ende mussten 2004 der damalige stellvertretende Ministerpräsidenten Walter Döring und Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck (beide FDP) ihre Sessel räumen.

SPD rügt das "blinde Vertrauen" der Ex-Koalitionspartnerin 

Viel wird ausgerechnet vom Zeugenauftritt jener Frau abhängig sein, in deren Hände sich Theresia Bauer schon in der Aufarbeitung der Affäre begeben hatte: Claudia Stöckle, die gegen ihre erzwungene Absetzung als Rektorin vor Gericht gezogen ist. Die wird noch vor Ostern gehört und sicher ziemlich unangenehme Fragen beantworten müssen, ob durch sie ständig neue Details an die Öffentlichkeit kommen und kamen. Oder wieso sie in ihrem Schreiben im Dezember 2013 dem Ministerium mitteilen konnte, dass alle 17 Fälle repariert sind. Oder wie sie selber die Bedeutung der Hochschulautonomie einschätzt.

Im Nachhinein, in der Ex-Post-Bewertung, rügt Sascha Binder, der angriffslustige SPD-Obmann im Ausschuss, das "blinde Vertrauen" der früheren Koalitionspartnerin. Leicht vorstellbar allerdings, wie groß die Aufregung bei FDP und der damals noch oppositionellen CDU gewesen wäre, hätte Bauer die Aufklärung in der Einrichtung mit 2700 Studierenden, 85 festen ProfessorInnen und mehr als 500 Lehrbeauftragen an sich gerissen. Zumal sie auch noch in die monatelangen Debatten um die Neuordnung der Musikhochschulen im Land verstrickt war, in denen ihr von Teilen der Öffentlichkeit und der Rektorenschaft unbotmäßige Einmischung vorgeworfen wurde.

Inzwischen ist die Offensivspielerin, von der "Zeit" geadelt zur "Musterschülerin", in der Defensive. Da nutzt nur noch wenig, wie beliebt sie ist im Wissenschaftsbetrieb nicht allein nur des Landes, oder dass ihre Faktenfestigkeit gelobt wird. Denn die meisten solcher Beschreibungen sind schnell ins Gegenteil zu verkehren. Gerade noch wurden das zupackende Wesen oder die Entscheidungsfreude gelobt, schon heißt es, sie höre zu wenig auf andere, führe ihr Haus als "Ich-AG". Und sie selber hinterlässt einen früher ganz ungewohnten eher gehemmten Eindruck, wenn sie ihre eigene Fürsprecherin sein will. Sie habe sich nichts vorzuwerfen, wiederholt sie gebetsmühlenhaft. Das stimmt vermutlich sogar, ist aber nicht Teil der Lösung, sondern des Problems.

Schon im April 2015 zementierte sie ihre Position: "Ich bestehe darauf, dass es richtig ist, die Autonomie nicht auf die schönen und einfachen Entscheidungen zu begrenzen." Es gehe darum, auch in Konfliktsituationen und in schwierigen Situationen das Richtige zu tun. Mehr als eine Begleitung durchs Ministerium, meint sie bis heute, sei da nicht drin. Also hält der Sinkflug an, was aber wenig zu bedeuten hat. Schon einmal wurde aus der Buhfrau die Super-Theresia, nachdem sie ihrem Musikhochschul-Dilemma entstiegen war und alle fünf Standorte anhaltend befrieden konnte. Der Vorgang ist wiederholbar. Allerdings: Ein bisschen neuer Rückenwind dürfte nicht schaden.


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2 Kommentare verfügbar

  • Lutz Mertins
    am 21.02.2018
    Antworten
    Informationen sind OK, Bewertungen sollten begründet werden. So geht aus dem Artikel nicht hervor, warum Frau Stöckle eher "berüchtigt" als "berühmt" sein soll (wobei sie beides wohl kaum anstrebt). Angesichts der Sach- und Personenkonstellation erschließt sich für mich auch nicht, warum die…
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