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Die Flüwo-Wohnungsbaugenossenschaft setzt langjährige MitarbeiterInnen vor die Tür und will ihre ältesten Häuser abreißen. Das müssten sich die Mieter nicht gefallen lassen, sagt der Rechtsberater des Mietervereins.

Jens Rüggeberg glaubt nicht, dass die Flüwo mit ihrem Vorhaben durchkommt, ihre drei ältesten Wohnhäuser am Stammsitz in Stuttgart-Degerloch abzureißen. "Die Häuser sind nicht marode", sagt der Rechtsberater des Stuttgarter Mietervereins, "das ist auf den ersten Blick zu erkennen." Die Wohnungsbaugenossenschaft will die Häuser bis 2022 entmieten, um die 76 bestehenden Wohnungen durch 90 neue zu ersetzen. Das einzige, was getan werden müsse, bemerkt der Anwalt, sei die Eternitplatten an den Fassaden zu entfernen und eine Wärmedämmung anzubringen. Das habe die städtische Wohnbaugesellschaft SWSG in einem anderen Fall erledigt, ohne dass die Mieter ihre Wohnungen verlassen mussten.

"Wir versprechen nichts", sagt Rüggeberg. Doch der Fall liegt ziemlich klar: Das deutsche Mietrecht kennt nur drei Gründe, warum ein Vermieter kündigen kann: Erstens wenn "der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat"; zweitens bei Eigenbedarf; und drittens, wenn "der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde".

Flüwo Neubauten in Degerloch

Häuserkampf

Ausgabe 337, 13.09.2017
Von Dietrich Heißenbüttel

Die Flüwo, 1948 gegründet als gemeinnützige Flüchtlings-Wohnbaugenossenschaft, will drei ihrer ältesten Häuser abreißen. Die Mieterin Mary Schwarz kämpft mit aller Kraft dagegen. Kein Einzelfall.

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Zwar habe ein Gericht jüngst entschieden, dass einem Vermieter der Erhalt eines Hauses nicht zuzumuten sei. Allerdings war dieses Haus von Hausschwamm befallen. Den Wunsch, eine höhere Miete zu erzielen oder den Hausbesitz zu veräußern, schließt das Gesetz als Kündigungsgrund ausdrücklich aus. Die Flüwo gibt an, die Wohnungen seien nicht mehr vermietbar. Dabei hat sie selbst Wohnungen, die leer geworden sind, mit einem befristeten Mietvertrag weiter vermietet: zu einem Quadratmeterpreis von 11 Euro.

Seit Rainer Böttcher die Genossenschaft leitet, 2010 hat er im Zuge eines Skandals bei der Esslinger Baugenossenschaft aufgehört, herrscht bei der Flüwo ein anderer Ton. Die Arbeitsbelastung nahm zu, zwei langjährigen Mitarbeitern wurde 2017 gekündigt, ein weiterer erhielt elf Abmahnungen. Alle drei haben geklagt. "Wir hatten früher flache Hierarchien", sagt einer, der nicht namentlich genannt werden will: "Ich musste in den vergangenen sechs Jahren mit ansehen, wie gute langjährige Mitarbeiter gingen oder gehen mussten, weil sie entweder krank wurden, vorzeitig in Rente gingen, gekündigt haben oder gekündigt wurden und das nur, weil der Vorstand die Mitarbeiter anschreit, unter Druck setzt, sie einzuschüchtern versucht und demütigt. Er gibt ihnen das Gefühl, sie sind wertlos und unfähig. Wer sich wehrt oder was sagt, wird weiter drangsaliert, bis er weg ist."

Rüggeberg rät den Mietern dringend, sich zusammenzutun und nicht einschüchtern zu lassen. Sie sollten auf keinen Fall ausziehen, und wenn die Genossenschaft sie dazu drängt, sich vom Mieterverein beraten lassen. Denjenigen, die einen zeitlich begrenzten Mietvertrag haben, könnte ebenfalls geholfen werden: Bei elf Euro pro Quadratmeter müsste die Mietpreisbremse greifen. Auch den Wunsch der Flüwo, in Degerloch nachzuverdichten, lässt Rüggeberg nicht gelten. Wenn sie mehr Wohnungen wolle, bräuchte sie nur ein Haus dazu zu bauen.


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1 Kommentar verfügbar

  • Schwa be
    am 28.12.2017
    Antworten
    "Ich musste in den vergangenen sechs Jahren mit ansehen, wie gute langjährige Mitarbeiter gingen oder gehen mussten, weil sie entweder krank wurden, vorzeitig in Rente gingen, gekündigt haben oder gekündigt wurden und das nur, weil der Vorstand die Mitarbeiter anschreit, unter Druck setzt, sie…
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