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Partnerschaftlich baden gehen

Partnerschaftlich baden gehen
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In der Stauferstadt Schwäbisch Gmünd eskaliert der Streit um ein geplantes Familien- und Spaßbad. Während der OB Investoren ins Boot holen will, vermuten manche Bürger "mafiöse Strukturen". Sachlichere Kritiker warnen, dass die Kommune mit einer Öffentlich-Privaten-Partnerschaft finanziell baden geht.

Seit Jahren wird in Schwäbisch Gmünd über den Neubau eines Hallenbades diskutiert. Dass es eine neue Schwimmhalle braucht, darüber herrscht in der 60 000 Einwohner zählenden Stauferstadt nahezu Einigkeit. Viel zu klein ist das vorhandene Bad, um Schülern und Sportlern ausreichend Wasserfläche für Schwimmunterricht und Wettkämpfe zu bieten. Zudem verlangen Gebäude und Technik nach aufwendiger Sanierung, was viel kostet, aber keine größeren Becken bringt. 

Über das Wo und Wie in Sachen Badneubau schlagen in der Kreisstadt rund 50 Kilometer östlich von Stuttgart allerdings derzeit die Wellen hoch. "Mafiöse Strukturen" innerhalb der Stadtverwaltung glaubte eine Bürgerinitiative entdeckt zu haben, die sich für den Erhalt eines zentrumnahen Waldes einsetzt. Dieser könnte durch das Projekt Schaden nehmen, sollte der Neubau am ehemaligen Güterbahnhof realisiert werden, so wie es Oberbürgermeister Richard Arnold (CDU) vorschwebt. Und weil für Bewohner der Weststadt, in der das alte Hallenbad steht, die Wege zum Baden weiter werden würden, vermuteten prompt vermuteten einige Bürger "Geheimabsprachen" zur Standortwahl. "Das muss ich mir nicht bieten lassen – und auch nicht der OB", grollte darüber Gmünds Erster Bürgermeister Jochen Bläse vergangene Woche im Gemeinderat. Er werde die Aussagen strafrechtlich untersuchen lassen, kündigte Bläse an, der das im Urlaub weilende Stadtoberhaupt vertrat.

Nicht ohne Grund favorisiert die Stadtspitze den Neubau beim Güterbahnareal: Gegenüber der historischen Altstadt ist dort Platz für ein großzügiges Familienbad, das neben mehr Wasserfläche auch Freizeit- und Wellnessangebote wie Rutschen und Saunalandschaft bieten könnte. Was fehlt, ist das Geld für das auf über 20 Millionen Euro Baukosten geschätzte Vorhaben. Doch an Ebbe im Stadtsäckel soll es diesmal nicht scheitern, weswegen der OB auf ein alternatives Finanzierungsmodell drängt: Ein privater Investor soll mit ins Boot, das Bad könnte in sogenannter Öffentlich-Privater-Partnerschaft (ÖPP) realisiert werden.

Ei des Kolumbus oder Millionengrab?

Mit diesem Modell scheint Arnold, der vor der vergangenen Landtagswahl zeitweise als Herausforderer des grünen Ministerpräsidenten Kretschmann gehandelt wurde, das Ei des Kolumbus gefunden zu haben. Zumindest auf den ersten Blick: Der private Investor baut und betreibt das Spaßbad die nächsten 30 Jahre auf eigene Rechnung. Für die Nutzung des Badbereichs durch Schulen und Vereine überweist die Stadt jährlich 1,7 Millionen Euro. Was exakt der Summe entspricht, die die Kommune derzeit pro Jahr ins jetzige Hallenbad steckt, um das Defizit auszugleichen. Man bekomme so ein neues Bad, ohne mehr Geld als den sogenannten Abmangel in die Hand zu nehmen, verspricht Arnold. Über drei Jahrzehnte teile sich die Stadt zudem das Risiko, betont er. Die städtischen Bäderbetriebe bräuchten sich nicht mehr um Besucherzahlen und Auslastung kümmern.

Während die Gemeinderatsmehrheit von CDU und Freien Wählern den Vorschlag bejubelt, befürchten Grüne und Linke, dass die Stadt auf Dauer mit der ÖPP baden geht. "Das Investorenmodell kommt teurer, als das Bad selbst zu finanzieren", warnt Linke-Fraktionsvorsitzender Sebastian Fritz, denn er glaubt, dass ein Investor früher oder später Nachforderungen stelle, wenn seine Rechnung nicht aufgehe. Jährlich eine Million Euro Zuschussbedarf, zusätzlich zu den eingeplanten 1,7 Millionen für die Nutzung, hält er für möglich. Unter dieser Prämisse wäre ÖPP ein klares Verlustgeschäft: Bis Vertragsende summierten sich die Kosten für den städtischen Haushalt auf 86 Millionen Euro, rechnen Grüne und Linke vor. Bei Eigenfinanzierung über Kredite koste das Bad die Stadt lediglich 63 Millionen Euro.

Vergangene Woche stellte die Verwaltung ihre Kostenprognosen im Gemeinderat vor. Und die fallen anders aus, als von Grünen und Linken erwartet. "Das derzeit diskutierte Investorenmodell ist eine von mehreren Beschaffungsvarianten", betonte Stadtkämmerer René Bantel. Man habe "ergebnisoffen" anhand von vier Badvarianten geprüft, welches Modell wirtschaftlicher sei. Demnach koste die günstigste Lösung, die Sanierung des jetzigen Hallenbades, 17 Millionen Euro. Bei 30 Jahren Nutzungsdauer zahle die Stadt voraussichtlich 2,334 Millionen Euro jährlich. Die teuerste Variante, ein großes Bad mit acht 50-Meter-Bahnen plus Sauna, Erlebnis- und Kinderbecken schlage mit 26 Millionen Euro zu Buche. Die Stadt koste dies auf 30 Jahre jährlich 2,601 Millionen Euro. Damit zeige sich, dass ein jährlicher Finanzrahmen von 1,7 Millionen Euro nicht reiche, weder für die Sanierung des alten Hallenbades noch für ein Neubauprojekt. Die Kooperation mit einem Investor "könnte" die Möglichkeit für einen Neubau eröffnen, so Bantel vorsichtig: "Letztlich wissen wir es erst, wenn ein konkretes Angebot vorliegt".

Mag ÖPPs: Die Baubranche 

Tatsächlich liegen Licht und Schatten bei ÖPPs eng beieinander. "Unsere öffentlichen Partner bescheinigen ihren ÖPP-Hochbauprojekten nicht nur eine hohe Termin- und Kostensicherheit, sondern auch einen verlässlichen Betrieb mit hoher Qualität", frohlockte Peter Hübner, Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, im Oktober 2016 auf der Berliner Konferenz "Partnerschaftlich bauen und betreiben". Das Eigenlob des Funktionärs bezog sich auf eine Studie der Technischen Universität Braunschweig. Die Wissenschaftler hatten bei allen öffentlichen Auftraggebern die Leistungen der privaten Partner in der Bau- und Nutzungsphase abgefragt – und zwar im Auftrag des Hauptverbands. Demnach wurden 90 Prozent der Vorhaben im Zeit- und Kostenrahmen fertiggestellt, und gute Noten bekamen die Partner auch für die Betriebsphase.

Wenn nur die Lokalpolitiker nicht so misstrauisch wären. Die Baubranche habe noch nicht das richtige Rezept gefunden, um ÖPP in den Kommunen flächendeckend zu verankern, räumte Andreas Iding, Geschäftsführer von Goldbeck Public Partner GmbH, während der Konferenz ein. Das liege mit daran, dass Bürgermeister und Gemeinderäte zu sehr auf die Risikoseite schauten statt auf die Vorteile, klagte der Manager, dessen Firma schlüsselfertige Schulen, Kindergärten und Sporthallen anbietet. Wohlwollender sieht dagegen offenbar der Bund ÖPPs. Jedes Projekt müsse ideologiefrei auf die beste Realisierungsform geprüft werden, forderte Werner Gatzer, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, auf der gleichen Veranstaltung. So seien etwa die ÖPP-Projekte im Verkehrswegebau erfolgreich gelaufen.

Bundesrechnungshof warnt vor ÖPPs

Gerade letzteres sieht der Bundesrechnungshof allerdings ganz anders. Mehrfach warnte die Kontrollbehörde, dass ÖPP im Fernstraßenbau teurer und langwieriger komme. Zudem sehen die Prüfer eine schleichende Privatisierungsgefahr sowie die Tendenz zur Auslagerung von Schulden - und damit der Umgehung der Schuldenbremse. Dabei legte ausgerechnet ein Sozi den Grundstein fürs florierende ÖPP-Autobahngeschäft: SPD-Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee vergab zwischen 2005 und 2007 die ersten ÖPP-Projekte mit einem Volumen von 1,1 Milliarden Euro. Als wahrer ÖPP-Fan outete sich der (noch geschäftsführend) amtierende Verkehrsminister: Im April vergab Alexander Dobrindt (CSU) zusammen mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) rund 600 Kilometer Autobahnneubau für rund 7 Milliarden Euro an private Investoren. Zusätzlich vereinbarten sie Erhaltungs- und Betriebsmaßnahmen, die den Staat in den nächsten 30 Jahren weitere 7 Milliarden Euro kosten.

Trotz vielbeschworener Vorteile läuft nicht alles rund bei ÖPP. Im vergangenen August wurde bekannt, dass dem größten privaten Autobahnbetreiber A 1 Mobil die Pleite droht, weil die Mauteinnahmen auf der ÖPP-Strecke zwischen Hamburg und Bremen hinter den Erwartungen blieben. Das könnte für den Steuerzahler noch teuer werden: Der Betreiber verklagt den Bund "wegen ausgebliebener Einnahmen" auf 778 Millionen Euro.

Gerade Schwimmbadprojekte scheitern oft

Auch kleinere ÖPPs scheitern meist an fehlenden Einnahmen. Speziell Schwimmbadprojekte gehen deshalb baden. Wie etwa 2008 im badischen Leimen, wo ein privater Investor bereits ein Jahr nach Eröffnung des örtlichen Bäderparks Nachschussforderungen wegen Besuchermangels stellte. Sollte die Stadt nicht zusätzlich zur vereinbarten Jahresmiete von 420 000 Euro noch 480 000 Euro draufzahlen, würde das Bad schließen, drohte er.

In diesem Fall müsste Leimen dennoch das Nutzungsentgelt bis Vertragsende im Jahr 2037 auszahlen. Schließlich gelang es der Stadt, den Vertrag 2009 rückabzuwickeln. Das einjährige ÖPP-Abenteuer kostete Leimen das Dreifache des ursprünglich vereinbarten Mietbetrags.

Ähnlich erging es auch der Erzgebirgsgemeinde Thalheim, die in 2009 mit Hilfe eines Wirtschaftsberaters einen Betreiber für ihr Freizeitbad engagierte. Auch beim Erzgebirgsbad zwang "unerwarteter Besucherrückgang" die 6500-Einwohner-Gemeinde dazu, jährlich 150 000 Euro außerplanmäßig zuzuschießen. "Das gefährdete unseren Haushalt", so Thalheims Bürgermeister Nico Dittmann, weswegen er im September 2014 die Reißleine zog und das Bad schloss. Vor wenigen Wochen wies ein Gericht Thalheims Schadensersatzklage ab, mit der sie sich 400 000 Euro an zu viel gezahlter Miete von der Beraterfirma zurückholen wollte. Es sind solche Entwicklungen wie in Leimen und Thalheim, die die Kritiker von Linken und Grünen im Gmünder Gemeinderat bei einem ÖPP-Projekt fürchten.

Fürs Gmünder Bad will der OB nun einen Bürgerentscheid 

In Schwäbisch Gmünd soll nun am Mittwoch, den 29. November, der Gemeinderat entscheiden, ob Bau und Betrieb des neuen Bades europaweit ausgeschrieben werden. Findet sich ein privater Investor, will OB Arnold die Bürger das letzte Wort sprechen lassen. Doch selbst das lässt die Kritiker nicht verstummen. "Ein Investor muss sozialverträgliche Eintrittspreise für den normalen Badebereich garantieren", fordert Linke-Stadtrat Fritz schon jetzt als Bedingung im Ausschreibungstext vorzuschreiben. 

Sollte Gmünd ein neues Spaßbad bekommen, könnte das zudem die Bäderlandschaft in der Region aufmischen, warnt der Steuerzahlerbund. Denn bereits heute konkurrierten im Großraum Stuttgart viele solche Bäder miteinander. Und die meisten schreiben rote Zahlen. So belief sich etwa der Zuschussbedarf in Bad Urach zwischen 2010 und 2015 auf 284 000 bis 443 000 Euro. Im Stuttgarter Leuze schwankte der Abmangel zwischen 1,1 und 1,7 Millionen Euro.

Aus Sicht des Steuerzahlerbundes sollte alles unternommen werden, um die Zuschüsse aus öffentlichen Kassen gering zu halten. "Das versuchen auch viele Gemeinden, indem sie die Attraktivität ihrer Bädern mit neuen Rutschen und Saunen erhöhen", so Sprecher Eike Möller. Jede neue Attraktion, erst recht jedes neue Bad, lenke jedoch die Besucherströme um. Bestandsbäder würden dadurch höhere Defizite schreiben. Das führe in den betroffenen Gemeinden zum Nachdenken, ob man vielleicht in das eigene Bad investieren muss, um die Besucher zurückzugewinnen? "Und so dreht sich die Spirale munter weiter", sagt Möller.


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4 Kommentare verfügbar

  • KF B
    am 28.11.2017
    Antworten
    Zwischen der großen Kreisstadt Aalen auf der Ostalb und dem etwas kleineren Schwäbisch Gmünd werden seit jeher schwere Geschütze aufgefahren, wenn bewiesen werden muss, wer besser und schöner ist. Eine Umfrage unter Bäder-Investoren hat dort unlängst ergeben, dass die Ostalb scheinbar noch ein…
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