Die Metapher könnte noch als halblustig durchgehen. Andere, aus der Riege der noch jüngeren Schwarzen, bringen niemanden mehr zum Lachen. Manuel Hagel, CDU-Generalsekretär und jagdpolitischer Sprecher der Fraktion, nutzte die Vorstellung des "Bildungstrend 2016", der vergangene Woche für so viel Wirbel sorgte, zur Generalabrechnung mit der "roten Ideologie": Die SPD "hat die Zukunftschancen einer ganzen Generation zerstört", wetterte Hagel. Daran ist zwar nichts richtig, aber das Vorgehen bemerkenswert. Die 400 Seiten starke Untersuchung der Leistungen von ViertklässlerInnen in Deutsch und Mathematik, erstellt vom Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) an der Berliner Humboldt-Universität, war bis Freitag, den 13. Oktober, 11 Uhr, unter Verschluss und wurde dann im Netz freigeschaltet – aber schon elf Minuten später posaunte Hagel seine kritischen Erkenntnisse in die Welt.
Jung-CDUler: Schlechte Schülerleistungen wegen sexueller Vielfalt
Dabei stilisiert sich der 29-Jährige als Politiker, der mit einem großen Maß an "Demut, Engagement, Präsenz sowie Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein für das öffentliche Wohl (...) zuhören will", der sich "über das Gehörte Gedanken macht", um es "mit in die politische Arbeit hineinzutragen". Offenbar nicht nur das Gehörte, sondern auch Zusammengereimtes. Noch niemand – außer möglicherweise verblendeten AnhängerInnen der "Demo für alle" – hat bisher eine Verbindung zwischen den bescheidenen Leistungen hiesiger GrundschülerInnen und der Toleranz gegenüber sexueller Vielfalt hergestellt. Hagel schon: Sexuelle Vielfalt sei "gegen jede Vernunft" im Bildungsplan propagiert worden, jetzt habe sie zum schlechten Abschneiden mit beigetragen.
Das ist unsinnig, kommt aber jenen in der CDU gerade recht, die wie eh und je Stimmung machen wollen gegen das längere gemeinsame Lernen auf verschiedenen Niveaus. Fakten zählen dabei wenig. Denn die Erkenntnisse aus Aufsteigerländern im "Bildungstrend"-Bericht wie Schleswig-Holstein, wie stärkere und schwächere Kinder sehr wohl zum Nutzen aller voneinander profitieren können, sagen ganz anderes.
Hamburg ist ebenfalls Aufsteiger im aktuellen Grundschulvergleich, 98 Prozent werden dort als Ganztagsschule geführt. In Baden-Württemberg sind es 22 Prozent. Die Zahlen sprechen Bände. Und vor allem öffnet sich die Schere zwischen beiden Ländern schon lange: 2011 besuchten 30 Prozent der Erst- bis ViertklässlerInnen in der Hansestadt eine Ganztagsschule. Hierzulande, nach dem langen erbitterten Abwehrkampf in Teilen der Union, waren es nur acht Prozent.
Für ganz Deutschland hat die Bertelsmann-Stiftung gerade errechnet, dass – um in acht Jahren für 80 Prozent der Schüler und Schülerinnen ein solches Angebot zu schaffen – 31 400 zusätzliche Lehr- und weitere 16 200 pädagogische Fachkräfte zuerst ausgebildet und dann eingestellt werden müssten. Die Autoren der Studie veranschlagen die Stellen mit jährlich 2,8 Milliarden Euro Personalkosten. Sie stellen aber eben auch fest, dass sich 72 Prozent der Eltern einen Platz an einer Ganztagsschule für ihr Kind wünschen.
Statt derartige Erkenntnisse auf sich wirken zu lassen, hackt die CDU auf der Ganztagsschule herum, die "weder Selbstzweck noch eine Art politischer Lottogewinn" sei, so der Fraktions-Vize. Und Kultusministerin Susanne Eisenmann, die sich als Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) zurzeit eine gewisse Zurückhaltung auferlegt, meint erkannt zu haben, dass baden-württembergische Mütter und Väter ohnehin ganz anders ticken: "Die Studie ignoriert, dass sehr viele Eltern eine flexible Betreuung für ihre Kinder brauchen und eben nicht einen ausschließlich verbindlichen Ganztag." Röhm verlangte kürzlich sogar "eine echte Wahlfreiheit" und dass parallel künftig an ein und demselben Standort neben dem pädagogisch gebotenen typischen Wechsel von Unterricht und Betreuung "optional (...) ein familienfreundliches Verweilen" angeboten wird.
3 Kommentare verfügbar
Peter Pan
am 20.10.2017Die einzige "sechs" die schlecht ist, ist die gleichnamige/gleichwertige Schulnote im staatlichen Schulsystem. Ihre Auslassung ist ja sowas von 19./20. Jahrhundert, das mir schlecht wird. - Das Problem ist nicht (nur) dass SchülerInnen anscheinend weniger "gut" sind als…