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Mister 125 000 Euro

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Baden-Württembergs SteuerzahlerInnen sollen Herbert Landau, Bundesverfassungsrichter a.D., den Ruhestand versilbern. Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) hat den 69-jährigen mit der überteuerten Leitung einer Kommission zur Neuregelung der Abgeordnetenpensionen beauftragt. Seine schillernde Vergangenheit hat niemand bemerkt.

Herbert Landau ist Experte für Transparenz. Denn er hat sich, wie unter Kennern des Bundesverfassungsgerichts erzählt wird, vor zehn Jahren monatelang mit der Verhinderung derselben befasst. Rot-Grün beschloss kurz vor der Bundestagswahl 2005 ein Gesetz, wonach Abgeordnete ihre Nebeneinkünfte vorlegen und ihr Mandat in den Mittelpunkt aller Tätigkeiten rücken mussten. Friedrich Merz, damals Fraktionschef der Union, besaß nicht weniger als elf Jobs, klagte zusammen mit mehreren Kollegen in Karlsruhe und unterlag denkbar knapp in einer Vier-zu-Vier-Entscheidung. Der Vorsitzende Richter im Zweiten Senat, Winfried Hassemer, brachte trotz intensiver Gespräche keine Mehrheit gegen die Offenlegung zu Stande. Mit ihm stimmte allerdings Landau gegen die Transparenz, warnte vor einer "publizistische Prangerwirkung" und sprach von einem "Neidkomplex" in der Bevölkerung, der faktisch "als Schranke für Berufstätige" wirken könne, ein Mandat zu übernehmen.

Beste Voraussetzungen also für das neue Amt in Stuttgart, das er im September antreten soll. Der Zeitplan hat nicht nur damit zu tun, dass die Verursacher des <link https: www.kontextwochenzeitung.de politik raffkes-mit-mandat-4198.html internal-link-new-window>peinlichen Pensionsdesasters – die Fraktionen von Grünen, CDU und SPD – die Bundestagswahl vorüberziehen lassen wollen. Zu peinlich war im Februar die Rückkehr der Abgeordneten ins lukrativere staatliche System eingefädelt und im Schnellverfahren durch den Landtag gepeitscht worden. Nach immenser öffentlicher Aufregung trat der Landtag auf die Bremse. Jetzt soll eine externe Expertenkommission Vorschläge zur Altersversorgung der Abgeordneten machen. Herbert Landau ist deren künftiger Vorsitzender.

Und der hätte vor September auch gar keine Zeit. Der Siegener mit der ungewöhnlichen Karriere vom Bäckersohn, über ein Studium der Sozialwissenschaften zum Juristen, Staatssekretär und anerkannten Bundesverfassungsrichter ist inzwischen so etwas wie ein fahrender Kommissionsvorsitzender. Kein Vierteljahr nach seiner Verabschiedung in den sogenannten Ruhestand im vergangenen Sommer übernahm er die Leitung eines Gremiums, das die sächsische Staatsregierung eingesetzt hat, um die Hintergründe und Fehler bei der Fahndung nach dem Terrorverdächtigen Dschaber al-Bakr aufzuarbeiten, der sich in der Haft in Leipzig das Leben genommen hatte.

Seit Ende März beschäftigt auch der Thüringer Landtag den früheren Strafrechtler. Und zwar mit der Aufklärung einer technokratischeren, aber gleichwohl delikaten Frage. Hintergrund ist die Tatsache, dass die CDU zwar in der Opposition sitzt, aber als größte Fraktion den Landtagspräsidenten und damit auch die Landtagsdirektorin stellen darf. Letztere habe Kompetenzen überzogen, sagen die Regierungsfraktionen, Zensurvorwürfe stehen im Raum. Eine externe Kommission soll nun unter der Leitung von Landau die Abgrenzung der Stellung der Verwaltung zu Mehrheit und Minderheit durchleuchten. Auch in diesem Fall wurde dem ehemaligen Verfassungsrichter und seinem Team eine eigene Geschäftsstelle eingerichtet. Die allerdings lässt die Möglichkeit, Anfragen von Kontext zu Ausstattung und finanziellem Aufwand zu beantworten, ungenutzt verstreichen.

Kommunikation hinter verschlossenen Türen

Trotz des Erfurter Auftrags ist Landau dem Stuttgarter Ruf gefolgt. Insgesamt, mit Kommission und Bürgerbeteiligung, kostet das neue Verfahren 400 000 Euro. Dass Landaus Honorar in Höhe von 125 000 Euro für eine derartige Aufregung sorgen könnte, "hat keiner auf dem Schirm gehabt", heißt es in der Landtagsverwaltung. In Dresden und Erfurt sind die Rahmenbedingungen weiterhin Verschlusssache, wie übrigens der gesamte Abschlussbericht in Sachen al-Bakr, der als vertraulich eingestuft wurde. Für Baden-Württemberg legte Parlamentspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) die Rahmenbedingungen dagegen offen. Nicht nur Abgeordnete bis hoch zur Villa Reitzenstein rieben sich die Augen, als publik wurde, dass Landau in Stuttgart "orientiert an dem Einkommen eines aktiven Richters am Bundesverfassungsgericht" (14 700 Euro pro Monat) tätig werden soll und dieses üppige Honorar nicht angerechnet wird auf seine ebenfalls großzügigen Ruhestandsbezüge.

Während der auf sechs Monate angelegten Tätigkeit der Kommission sind "ca. 35 000 Euro" für die "begleitende Beauftragung einer Presse- und Kommunikationsagentur" veranschlagt. Wieso eine Kommission, die hinter verschlossenen Türen Vorschläge erarbeiten soll, eine solche Agentur benötigt, ist schleierhaft und gänzlich unüblich. Das ist das eine.

Das andere: In Dresden arbeitete Landau rund vier Monate. Und er brachte einen guten alten Bekannten als Sprecher der dortigen Kommission mit. Spätestens als dessen Name der baden-württembergischen Landtagsverwaltung bekannt wurde, hätten alle Warnlampen leuchten müssen: Dirk Metz, früher der engste Mitarbeiter, Staatssekretär und Regierungssprecher von Hessens Ministerpräsident Roland Koch, dann erfolgloser Strategieberater und Scharfmacher an der Seite von Stefan Mappus, gerade in Sachen Stuttgart 21. Inzwischen ist Metz Kommunikations- und Medienberater in Frankfurt mit eindrucksvoller Kundenliste, darunter auch der Flughafenbetreiber Fraport oder das Diözesane Zentrum St. Nikolaus, besser bekannt als Skandalbau des früheren Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst. Metz betreibt zudem die Redner-Agentur "Mikro frei", die Professoren wie den Stuttgarter Politik-Ordinarius Frank Brettschneider oder Bert Rürup, Ex-Politiker wie Günther Verheugen, den ehemaligen österreichischen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und natürlich Roland Koch vermittelt.

Nur die Bereicherung des juristischen Diskurses im Sinn

Bei Koch, mittlerweile gescheitert als Chefunternehmer bei Bilfinger&Berger, kreuzen sich nicht nur die Wege von Metz und Landau. In dessen Ära fallen auch Ereignisse, die zumindest fraglich erscheinen lassen, ob die "hohe Expertise" (Aras) ihr Geld wirklich wert sein kann. Besonders schwerwiegend sind die Vorwürfe, die die Journalisten Christoph Maria Fröhder und Hans Leyendecker vor 15 Jahren für einen Film im Hessischen Rundfunk ("Maulkorb für den Staatsanwalt") zusammentrugen. Darin wird Landau, damals Staatssekretär im hessischen Justizministerium, vorgeworfen, "immer wieder Staatsanwälte zum Rapport zu zitieren: Sie sollen Handlanger der neuen Regierung sein". Über die Versuche, die Justiz zu gängeln, "hätten wir gerne mit Herrn Landau ein Interview geführt", so der Filmemacher. Der politische Beamte wolle sich aber "nicht rechtfertigen". Und die Fragen nach Fakten seien von ihm schriftlich als "tendenziöse Arbeitshypothese" abgetan worden.

Nach den Recherchen von Fröhder und Leyendecker war ein Nutznießer von Landaus politischer Einflussnahme der heutige Ministerpräsident Volker Bouffier. Gegen ihn war Ende der Neunziger Jahre Strafanzeige wegen Parteienverrats in einem Scheidungsverfahren gestellt worden. Das machte sich 1999 nicht gut, als die CDU überraschend und dank Kochs unappetitlicher Unterschriftenkampagne gegen die von Rot-Grün geplante doppelte Staatsbürgerschaft wieder an die Macht kam und Bouffier an die Spitze des Innenministeriums aufrückte. Das Verfahren wurde gegen eine Zahlung von 4000 Euro eingestellt und ein Untersuchungsausschuss im hessichen Landtag eingesetzt.

In dessen Abschlussbericht mussten sogar CDU und FDP einräumen, dass Landau in der Angelegenheit aktiv geworden war. Er habe als Zeuge aber "überzeugend dargetan, dass es ihm lediglich um die Bereicherung des juristischen Diskurses ging und nicht die Absicht bestand, das Verfahren oder die Abschlussentscheidung zu steuern". SPD und Grüne hatten übrigens erfolglos Bouffiers Entlassung beantragt. Der wiederum flicht Landau zum Abschied im Juli 2016 Kränze und würdigt dessen "festes Glaubens- und Wertegerüst". Er weiß warum.

Solche und andere Einzelheiten hätte nicht die Stuttgarter Landtagspräsidentin selber, aber ihre Umgebung zwingend recherchieren müssen. Bekannt ist inzwischen, dass Dirk Metz immerhin in einem frühen Stadium der Gespräche als Sprecher der Pensionskommission abgelehnt wurde. Und dass die Suche nach einem geeigneten Vorsitzenden schwierig war. Das rechtfertigt aber nicht die famose Überdotierung von 125 000 Euro für eine halbjährige Tätigkeit. Seine acht Mitexperten müssen übrigens mit hundert Euro Honorar pro Sitzungstag – vorgesehen sind davon 14 – zufrieden sein. Das riesige Gefälle ist unübersehbar, unerklärlich und der gedeihlichen Zusammenarbeit kaum dienlich.

Vom Ende her betrachtet, kann die Kommission gar keinen Kompromiss vorlegen, der die Öffentlichkeit und die Betroffenen zufriedenstellen könnte. Die AfD reibt sich die Hände, eine weitere Empörungswelle ist programmiert. Denn das Delta zwischen der Durchschnitts- und der Abgeordnetenpension ist zu groß, und die Abkehr von der privaten Rente zu dreist, die sich die Parlamentarier von Grünen, CDU und SPD wünschen. Der Wählerschaft werde zugemutet, eigenständig Vorsorge zu treffen, "und das sollten sich auch die Abgeordneten selbst zumuten", fordert der Vorsitzende der FDP Hans-Ulrich Rülke. Und zwar zu Recht.


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5 Kommentare verfügbar

  • Joachim Frenzel Paal
    am 12.06.2017
    Antworten
    Der Skandal ist nicht die Höhe der Vergütung für Herrn Landau. Der Skandal ist, dass man für die Berechnung überhaupt so jemanden einsetzt. Dabei wäre die Berechnung doch ganz einfach. Der Landtag könnte beschließen, für alle Abgeordneten eine Sonderzahlung in der gesetzlichen Rentenversicherung…
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