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Hoppla, die Kasse ist leer

Hoppla, die Kasse ist leer
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Zehn Jahre lang hat der BUND die Kasse des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21 verwaltet. Jetzt ist sie plötzlich leer und AB-Sprecher Eisenhart von Loeper spricht von einem "schweren Gesetzesverstoß".

Es war kalt und es schneite, als Brigitte Dahlbender die Bühne auf dem Stuttgarter Schlossplatz enterte. Sie habe lange geschwiegen, sagte sie, aber jetzt müsse sie ihre Stimme erheben, das Maß sei voll, und sie erwarte von der SPD, dass sie endlich mithelfe, das "unsinnige Projekt zu beerdigen". Die Genossen Schmid und Schmiedel sollten endlich einsehen, dass sie "auf das falsche Pferd" gesetzt hätten. Das war am 23. Februar 2013.

Da haben manche gestaunt, weil Frau Dahlbender zum einen Sozialdemokratin ist, zum andern in den Monaten zuvor nachvollzogen hatte, was Kretschmann & Co als Parole ausgegeben hatten: Stuttgart 21 kritisch begleiten beziehungsweise "dr Käs isch gässe". Dazwischen gekommen war schließlich die Volksabstimmung vom 27. November 2011. "Die Mehrheit gilt", hatte die BUND-Landeschefin damals befunden und sich als Sprecherin des Aktionsbündnisses (AB) gegen S 21 verabschiedet.

In diesem Bündnis hatten sich vor zehn Jahren alle zusammengefunden, die gegen den unterirdischen Bahnhof waren. Die Initiative "Leben in Stuttgart", linke Sozialdemokraten, SÖS, Grüne, die Linke, Gewerkschaften, VcD, Pro Bahn und eben Umweltverbände wie der BUND. Eine bunte Truppe, die sich streiten konnte wie die Kesselflicker, aber am Ende im Dagegen stets vereint war. Egal, ob die Vorturner Gangolf Stocker, Gerhard Pfeifer, Clarissa Seitz, Hannes Rockenbauch oder Brigitte Dahlbender hießen. Mit der Volksabstimmung, so manipuliert sie auch war, hat sich das geändert.

Die Parteilogik übernommen, den Widerstand aufgegeben

Eisenhart von Loeper, einer der heutigen Sprecher, bezeichnet es als "Machtanpassung", was damals passiert ist. Nicht über Nacht, eher peu a peu haben sich vor allem grüne Bewegungsteile der herrschenden Politik angeschmiegt. "Sie haben die Parteilogik übernommen", sagt Rockenbauch, "und den Widerstand aufgegeben". Nun sollten keine verkehrsbehindernden Demos mehr stattfinden, wegen der erbosten Autofahrer. Das Bündnis sollte nur noch den Begleiter geben, im Beiboot zur grüngeführten Regierung sozusagen, vermutet von Loeper – wäre es nach dem BUND gegangen. Selbiger wiederum fühlte sich vom AB als "Verräter" beschimpft, in Pressemitteilungen und auf Montagsdemos aggressiv angegangen, mit Misstrauen überzogen. Kurzum: das Tischtuch war zerschnitten, der Auszug aus dem Aktionsbündnis konsequent. Im Januar 2014 war's, als der BUND zusammen mit den Grünen das Weite suchte.

Geblieben ist ein Konto, auf dem die Spenden für die S-21-Gegner gesammelt werden. Zu den Hochzeiten des Protests, etwa zum Schwarzen Donnerstag 2010, standen dort durchaus sechsstellige Beträge zu Buche. Geführt und verwaltet wird das Konto seit 2007 vom BUND-Regionalverband Stuttgart – bis heute. Lange Jahre, als alle noch Freunde waren, hat das gut geklappt, weil die organisierten Naturschützer ordentliche Haushälter waren und in der Regel bezahlten, was dem Aktionsbündnis wichtig war. Es sollte im Einvernehmen beider Seiten, so ist's schriftlich festgehalten, geschehen und streng nach Gemeinnutz, auf den der BUND achten muss. Spätestens nach der Attacke des Ulmer SPD-Abgeordneten Martin Rivoir, der im Juni 2011 die Gemeinnützigkeit formal erfolglos, politisch aber nachhaltig in Frage stellte. Dahlbender hatte jetzt alle Hände voll zu tun, aufzupassen, dass ihr Verband nicht in den Ruf geriet, Positionen zu beziehen, die nicht mehr staatstragend waren.

Am Jahresende ist das Spendenkonto auf null

Das hat die Zusammenarbeit nicht leichter gemacht. Genaue Zahlen zu bekommen, sei immer mühseliger geworden, berichtet von Loeper, aber um des lieben Friedens willen, und um dem Verband nicht zu schaden, habe er stillgehalten.

Im Juli 2016 wird BUND-Geschäftsführer Gerhard Pfeifer dann doch deutlicher. Die Rede ist von übriggebliebenen 14 293 Euro, die sich zum Jahresende auf Null reduzierten, weil zum einen ein S-21-Gutachter (Vieregg) und zum anderen beim BUND angefallene Personalkosten bezahlt werden müssten. Das war neu, eine "völlig neue Zweckrichtung", wie von Loeper fand und seinen Mitstreitern im Bündnis berichtete. Ein "schwerer Gesetzverstoß", vulgo ein "dicker Hund" sei's, urteilte der Nagolder Jurist, dem nicht in den Kopf wollte, warum er mit Geldern von S-21-Gegnern einen Verband alimentieren soll, der sich vom Bahnhofsprotest verabschiedet hat.

Das sieht Pfeifer naturgemäß anders. Er kämpfe seit 1994 gegen Stuttgart 21, den "riesigen Schwachsinn", erzählt der 54-Jährige, und er werde das weiterhin tun. Im konkreten Fall sind es jetzt eben die Obertürkheimer Zauneidechsen, die von der Bahn zwangsumgesiedelt werden. Früher hat er mit Gangolf Stocker Demos organisiert. Allerdings müsse auch das Aktionsbündnis begreifen, dass das Projekt "einfach zu weit fortgeschritten" sei, um "zurück auf Los zu gehen". Und intern macht Pfeifer keinen Hehl daraus, was er vom AB-Konzept "Umstieg 21" hält: ein "Etikettenschwindel", der ehrlicherweise "Ausstieg 21" heißen müsste. Er will nicht auf "halb fertig gegrabenen Tunneln" sitzen bleiben, da freut er sich lieber über die 20 Platanen an der Schillerstraße, die stehen geblieben sind, wegen des Juchtenkäfers und wegen des Kampfes seines Verbandes. Der Diplombiologe will damit wohl sagen, dass er es für durchaus gerechtfertigt hält, wenn sein Einsatz über das Bündniskonto mitfinanziert wird.

Ganz einfach: Der BUND braucht das Geld

Pfeifer hat dafür auch ein ganz praktisches Argument zur Hand: die wirtschaftliche Lage des Regionalverbands, der nicht auf Rosen gebettet ist. Am Jahresende fehlen ein paar Zehntausend Euro, um den Etat auszugleichen, und so ist der BUND dazu übergegangen, wie der Geschäftsführer bestätigt, seit 2014 Personalkosten in Teilen über das Bündniskonto abzurechnen. Ein Problem hat er dabei nicht. "Wir entscheiden final über das Konto", hält Pfeifer fest, daran gebe es keinen Zweifel.

Den hat Werner Sauerborn in starkem Maße. Der AB-Geschäftsführer sieht sich, um es milde auszudrücken, übers Ohr gehauen, will aber auch nicht den Knüppel der Klage aus der Tasche ziehen. Er will eigentlich nur, dass der BUND etwas ganz Einfaches akzeptiert: "Dass das unser Konto ist". Und en detail verrät, wo das Geld geblieben ist. Sauerborn spricht von 30 000 Euro.

Aus dem Urlaub hat sich inzwischen auch Brigitte Dahlbender via Landesgeschäftsführerin Sylvia Pilarsky-Grosch gemeldet. Sie zeigt sich verwundert über die Forderungen, seien doch die Abrechnungen der Personalkosten "im Grundsatz" abgestimmt gewesen. Nun seien die vorhandenen Gelder zwar aufgebraucht, aber sie sei zuversichtlich, dass ein Abschluss der Gespräche binnen Monatsfrist möglich sein werde.


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20 Kommentare verfügbar

  • Michael Ecker
    am 06.06.2017
    Antworten
    Lieber Josef-Otto Freudenreich, sehr geehrte Damen und Herren,

    wenn ich das so lese, bin ich doch ganz froh - und ich denke, ich spreche da für sehr viele SpenderInnen -, dass die Spendengelder durch die Profis vom BUND verwaltet werden. Nein, das ist jetzt wirklich keine Ironie. Mir wird ganz…
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