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AfD im Bunker

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Die AfD legt sich mit JournalistInnen an. Sie beleidigt die LandtagskollegInnen der anderen Fraktionen so wüst, dass die möglichst wenig mit den Rechtspopulisten zu tun haben wollen. Die sitzen in einem eigenen Gebäude und können dort ihre Aggressionen richtig ausleben.

"Fraktionen", lautet die dürre Auskunft der Landtagsverwaltung in Stuttgart, "üben in den ihnen zugewiesenen Räumlichkeiten Hausrecht aus." Die Regel galt immer, findet und fand aber kaum Anwendung. Ganz früher, weil im Landtagsgebäude allen Fraktionen gemeinsam – inklusive der 1980 erstmals eingezogenen Grünen – genau zwei Stockwerke zur Verfügung standen. Und später, weil im "Haus der Abgeordneten" (HdA) ebenfalls alle gemeinsam Platz fanden. Inzwischen sind bekanntlich fünf Parteien im Parlament, die Platzprobleme wurden größer, der AfD wurde ein Haus im Gerichtsviertel zugewiesen. Dort sitzen keine Fraktionäre anderer Parteien. Dort wird nur vorgelassen, wer sich anmeldet.

Die Abschottung spiegelt zugleich die eigene Bunkermentalität, in der kein Platz ist für politischen Austausch, für Rede und Gegenrede – nicht einmal in der eigenen Fraktion. Heinrich Fiechtner, enfant terrible der Truppe, ist für seine Rundumschläge schon aus dem Stuttgarter Gemeinderat bekannt. Seit Monaten hat er im Landtag Redeverbot, verhängt von der eigenen Fraktion. Der Grund: Der Stuttgarter Mediziner wollte einmal mehr nicht nach deren Pfeife tanzen, sondern erlaubte sich – eben gerade auch als Arzt – ein Ja zur Gesundheitskarte für Flüchtlinge. Das war im Spätwinter. Dem faktischen Maulkorb folgte der Beschluss der Fraktion, ihn aus zwei Ausschüssen zurückzuziehen.

Vor dem Verfassungsgerichtshof lässt Fiechtner nun klären, ob dies rechtens ist. Allein die Reaktion von Fraktionschef Jörg Meuthen zeigt, dass so oder so Klärungsbedarf besteht. Es sei "nachvollziehbar", wenn ein Mitglied der Fraktion "sehr stark" aus der Disziplin ausschere, "dieses Mitglied dann bei bestimmten Themen nicht auf Rede zu setzen im Plenum". Dabei tönt die AfD doch sonst immer ganz anders, so als sei sie der letzte Hort bedrohter Vielfalt im Politikbetrieb: Bei ihrer 100-Tage-Bilanz im vergangenen Sommer pries sie sich selbst als "als einzige echte Opposition" und verkündete: "AfD steht für Meinungsfreiheit statt Fraktionszwang."

Gut im Austeilen, schlecht im Einstecken

Natürlich gäbe das "unbegrenzte Redeverbot", über das sich Fiechtner beklagt und das Meuthen bestreitet, der AfD Anlass zu den heftigsten Tiraden, wenn es in einer anderen Fraktion verhängt würde. Natürlich stünden die sogenannten Alt- oder auch Systemparteien längst am Pranger, die Meinungsfreiheit, der Parlamentarismus oder die ganze Republik am Abgrund, weil immer das ganz große Rad gedreht wird, wenn es um andere geht. Die eigene Kritikfähigkeit ist dagegen schmerzlich unterentwickelt. Deshalb muss sich auf einiges gefasst machen, wer den Finger in offene AfD-Wunden legt. Unterlassungs- und Gegendarstellungsverlangen, Klagen und Klageandrohungen gibt es zuhauf. Und es müssen immer gleich "Lügen", "Schmähartikel" und "Rufmordkampagnen" sein, wenn Abgeordnete, Parteiobere oder parlamentarische Berater kritisiert werden. Auch Kontext ist davon betroffen.

Gründe für Kritik liefert die Fraktion reichlich. Zum Beispiel ein Arbeitseifer, der sich in Grenzen hält, immer wieder die Grenzen zur Groteske überschreitende Parlamentsreden, die eindeutig belegen, was die AfD leugnen will: dass sie im bundesdeutschen Spektrum am äußersten rechten Rand beheimatet ist. Falschdarstellungen, um den eigenen Ruf zu mehren. Christina Baum beispielsweise, bis vor Kurzem stellvertretende Landesvorsitzende, ist in ihrem Abgeordnetenleben bisher nicht besonders (positiv) aufgefallen. Weder durch kluge Plenarreden noch mit spürbarem Aufklärungswillen im NSU-Untersuchungsausschuss, in dem sie als einzige AfD-Abgeordnete sitzt.

Als diese ihre vornehme Zurückhaltung in den "Stuttgarter Nachrichten" kürzlich faktenbasiert dargestellt wurde, holten die für die Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Mitarbeiter gleich die ganz dicke Keule aus dem Sack. "'Unabhängig davon, dass es sich um einen Schmähartikel schlimmster Sorte handelt, strotzt dieser vor Unwahrheiten, die aufgrund vorhandener Protokolle und Filmaufnahmen beweisbar sind'", empört sich die AfD-Abgeordnete Dr. Christina Baum" in einer Pressemitteilung. Insgesamt scheine es "dem Autorenduo einzig darum zu gehen, eine nicht genehme Politikerin einer nicht genehmen Partei zu desavouieren". Die Gelegenheit dem entgegenzutreten, ließ die Zahnärztin ungenutzt verstreichen. Der Fragenkatalog hat sie an "ein Verhör" erinnert. Und die Frist empfand sie als "an diesem Tag aufgrund parlamentarischer Verpflichtungen nicht einzuhalten".

Die Melodie ist immer dieselbe: Lügenpresse

Sich – gerne namentlich – anzulegen mit MedienvertreterInnen gehört zum Repertoire der ums Wohl des deutschen Volkes besorgten Truppe. Melanie Amann vom "Spiegel", die sich intensiv mit dem rechten Rand befasst, kann ein Lied davon singen. Auf AfD-Versammlungen kann es passieren, dass sie vom Rednerpult aus nicht nur namentlich genannt, sondern sogar darauf hingewiesen wird, wo sie sitzt. Als sie kürzlich mit Kanzleramtsminister Peter Altmaier ihr neues Buch präsentierte, twitterte Beatrix von Storch eine infame Unterstellung: "CDU stellt heute Auftragsarbeit der Politaktivistin Melanie Amann über die AfD vor. Unabhängige kritische Hofberichterstattung. Kann man kaufen."

Auch "FAZ" oder "Süddeutsche" sind im Netz Ziele wüstester Angriffe. Und erst kürzlich beim Wahlkampfauftakt im Cannstatter Kursaal wurden Teile eines Artikels aus der "Stuttgarter Zeitung" unter Namensnennung der Autorin verlesen. Die Melodie ist immer dieselbe: Das Auditorium, ob im Netz oder anderswo, soll davon überzeugt werden, wie unwahrhaftig die inzwischen grundsätzlich sogenannte "Lügenpresse" mit der AfD umgeht. Nie wird auf konkrete inhaltliche Kritik eingegangen, immer wird so getan, als gäbe es eine solche gar nicht.

Dabei bemühen sich JournalistInnen landauf landab mit großer Ernsthaftigkeit, das Phänomen AfD zu beschreiben, interne Vorgänge ebenso transparent zu machen wie bei anderen Parteien oder Programm und Praxis darzustellen. Was wenig nützt und nicht wirklich wahrgenommen wird. Eher im Gegenteil: Sogar auf den "Nachdenkseiten" stimmt deren Herausgeber Albrecht Müller in den Chor jener ein, die die Beschäftigung der bundesdeutschen Medien mit der AfD für "meist hohl und damit ungenügend" halten.

Besonders dreist ist die Vorgehensweise, wenn tatsächlich Fehler passieren. Kürzlich stellte der Finanzexperte der Fraktion, Rainer Podeswa, einen grotesken Zusammenhang zwischen Klimapolitik und Hexenverfolgung her. Seine Rede über das mittelalterliche Buch "Der Hexenhammer" von Heinrich Kramer, in dem die schrecklichsten Regeln für Entlarvung und Beseitigung angeblicher Hexen aufgestellt werden, war kaum zu dechiffrieren. "Ich empfehle Ihnen, das Buch, in dem die Lösungsansätze alle zusammengefasst sind, zu lesen. Es ist in Speyer im Jahr 1486 erschienen. Es fasst die Methoden alle zusammen, mit denen damals in Ravensburg die Klimakatastrophe bekämpft wurde. Ich empfehle Ihnen, dieses europäische Standardwerk in der Stuttgarter Bibliothek auszuleihen (...) Damals wurde Hunderte Frauen verbrannt und damit das Klima gerettet. Das sind die Ergebnisse einer ökostalinistischen, schon wahnhaften Mission, die Sie bei diesem Thema verfolgen."

Schwierig wird's, wenn Afd-Abgeordnete zur Ironie greifen

Nach einer missglückten Meldung, die die Deutsche-Presse-Agentur (dpa) daraus konstruierte, wetterte Podeswa sogleich gegen die "Lüge", er habe eine Hexenverbrennung gegen den Klimawandel empfohlen. Vielmehr habe er "den Grünen empfohlen, über einen ideologischen Irrsinn nachzudenken". Er verlinkte anprangernd zahlreiche Medien, die die Meldung im Internet verbreitet hatten. Später, und nach einer Rüge durch Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) hinter verschlossenen Türen, stellte er das Ganze als Ironie dar. Die sei in der Politik aber schwierig: "Wem bei Hexenverbrennungen nicht auffällt, dass das nicht ganz ernst gemeint sein könnte, dem kann man kaum mehr helfen. Aber wenn es gegen die böse AfD geht, dann sind Falschmeldungen legitim, oder?"

Mitnichten. Die dpa stellte ihre Nachricht in epischer Breite richtig, was ihr nun wiederum den Zorn weiblicher Abgeordneter aus anderen Fraktionen eintrug. Es sei doch nie um Satire gegangen, sagt Sabine Wölfle (SPD), die selbst schon am Netz-Pranger der Rechtspopulisten stand, sondern "immer nur um Provokation".

Der Deutsche Journalisten-Verband attestiert der AfD – längst nicht nur wegen der Aussperrungen bei Parteitagen – ein "gestörtes Verhältnis zur Pressefreiheit und zur Unabhängigkeit der Medien". Es gehe ihr darum, sagt der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall, "tragende Säulen unseres demokratischen Systems aggressiv anzugreifen. Dazu zählt vor allem die Pressefreiheit". Im Gesamtbild verschiedener Äußerungen ihres Führungspersonals stelle die AfD "eine konstitutive Regel des Grundgesetzes in Frage, gibt sich also faktisch verfassungsfeindlich". Und er zitiert den nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden Marcus Pretzell, der JournalistInnen nicht das "Recht" bestritten habe, "überall dabei zu sein" – als wenn PressevetreterInnen je verlangt hätten, an Vorstandssitzungen der AfD teilzunehmen oder lauschen zu können, wenn Pretzell mit seiner Frau Frauke Petry die nächsten Züge gegen ihre innerparteilichen Gegner bespricht.

JournalistInnen, die in Stuttgart zu bestimmten Pressekonferenzen wollen, müssen klingeln und sich anmelden, um die besonders heiligen Hallen der AfD betreten zu dürfen. Kritik daran war bisher zwecklos, auch die Landtagsverwaltung sieht wegen der Auslagerung der Fraktion keine Handhabe. Bei Jörg Meuthen, dem Co-Chef der Bundespartei, hat der Kontrollwahn sogar die seltsame Vorstellung hervorgerufen, seine Fraktion könne bestimmen, ob und welche Bilder in Zeitungen abgedruckt werden dürfen. Es würden "unautorisierte" Fotos veröffentlicht, lamentiert Meuthen – und gibt damit zumindest einmal mehr seine Ahnungslosigkeit in puncto "Lügenpresse" zu erkennen. 


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1 Kommentar verfügbar

  • Rolf Steiner
    am 03.06.2017
    Antworten
    Meuthen , Höcke, und Co. sollten als gesellschaftspolitischer "trash" ausgegrenzt werden. Will dieser MdL Meuthen und seine sich selbst zerfleddernde Chaostruppe einen neuen "Völkischen Beobachter", der jetzt nicht mehr nach Goebbels Pfeife tanzt, sondern nach Meuthens Zensur die der Partei genehmen…
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