Auf einem kleinen Karteikärtchen hat sich Baran Kücük für das Gespräch die wichtigsten Zahlen notiert. 771 steht da zum Beispiel: "So viele neue Jusos sind seit Jahresanfang in die SPD Baden-Württemberg eingetreten", freut sich der Vorsitzende der Ortsgruppe Fildern. Damit sind mehr als die Hälfte der 1500 neuen Sozialdemokraten im Südwesten Jugendliche, zumindest im weitesten Sinne (die SPD ist hier kulant, die Altersgrenze liegt bei 35). Seit vier Jahren ist der 20-jährige Kücük Parteimitglied, vier Jahre lang hat er den Mitgliederschwund im Landesverband und bundesweit beobachtet und geradezu ehrfürchtig spricht er von jenem "Schulz-Moment", der den krisengebeutelten GenossInnen zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit wieder zu Aufschwung verhelfen sollte. Und plötzlich ist sie wieder da, die Begeisterung für Politik bei den Jungen und Jugendlichen. Aus dem Nichts kommt sie allerdings nicht.
Leander Witte beispielsweise ist einer, den der Kanzlerkandidat zum Parteieintritt bewegen konnte. Allein der Euphorie um Schulz sei das aber nicht geschuldet, betont er, vorher habe sich viel angestaut. Bei Entwicklungen wie einem Präsident Trump, dem Brexit und erstarkendem Nationalismus könne man es sich "zur Zeit schlecht leisten, politisch neutral zu bleiben", sagt er. "Und den Gestalten von der Jungen Alternative oder der Identitären Bewegung kann man ja wohl nicht das Feld überlassen". Polarität politisiert.
Witte steht stellvertretend für eine große Gruppe junger Menschen, die Parteien lange skeptisch gegenüberstanden oder das noch immer tun. Die Weltoffenheit lange Zeit als selbstverständlich wahrnahmen und eine gerechte und friedliche Solidargemeinschaft Europa fördern wollen.
Sie wollen keine Karteileichen sein
Gerade der Gedanke der grenzübergreifenden europäischen Freizügigkeit ist auch Lara Iglesias Luna besonders wichtig. Die 26-jährige Spanierin hat Soziologie studiert, die deutsche Staatsbürgerschaft hat sie schon im Mai 2016 beantragt. Bislang allerdings haben es die Behörden nicht geschafft, dem nachzukommen. "Das ist schon frustrierend", sagt sie, weil sie im September wählen will. "Also bleibt das Engagement in der Partei." Mitglied in der SPD ist sie seit gut einem Jahr, "richtig aktiv" aber erst seit vergangenem Dezember. Zu Themen wie Hartz IV oder den Rentenreformen meint sie lapidar, Erfolg oder Misserfolg einer Entscheidung würde sich oft erst Jahre später bemerkbar machen und Handlungen wären angesichts der Lage am Arbeitsmarkt um die Jahrtausendwende nunmal dringend nötig gewesen.
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Rolf Steiner
am 05.05.2017