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PETA zwickt den Oberförster

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Die Tierschutzorganisation PETA klagt gegen Baden-Württemberg. Denn das Land verweigert den Tierschützern wichtige Mitspracherechte. Offiziell, weil der Verein zu wenig Mitglieder habe. Interne Protokolle legen andere Gründe nahe: CDU und Agrarlobby sind stramme PETA-Gegner.

Auf dem Papier wollen Peter Hauk und PETA dasselbe. Sowohl dem baden-württembergischen Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, gerne auch als Oberförster bezeichnet,  als auch dem Tierrechteverein mit dem Karnickel als Logo (Slogan: "Wir stoppen Tierquälerei") geht es um all jene, die schutzlos durch die Welt kreuchen und fleuchen. "Wir alle sind für die Tiere als Mitgeschöpfe verantwortlich", heißt es auf Hauks Ministeriums-Homepage. Der CDU-Minister und sein Beamtenapparat kümmerten sich vorbehaltlos um jede Kreatur, wird da versprochen: "Die Bandbreite der Schutzthemen umfasst alle Tiere, vom Schwein bis zum grünen Leguan." Dennoch: Aktuell streiten beide vor Gericht miteinander.

Vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart klagt PETA gegen einen Bescheid aus dem Hause Hauk. Dieser verweigert dem Verein die Mitsprache, wenn es um Wohl und Wehe von Nutz- oder Wildtieren im Südwesten geht. Laut offiziellem Beschluss gehört die Organisation, die ihr Hauptquartier im Stuttgarter Vorort Weilimdorf hat, nicht zum Kreis jener Verbände, denen ein Mitwirkungs- und Verbandsklagerecht in verwaltungsrechtlichen und gesetzgeberischen Fragen zum Tierschutz seitens der grün-schwarzen Landesregierung eingeräumt wird.

Radikale Tierschützer dürfen nur zuschauen

Ende vergangenen Jahres übermittelte das Agrarministerium die Absage an PETA. Mit gleichem Datum gingen Anerkennungsbescheide an drei andere Vereine: den Landesverband des Deutschen Tierschutzbundes mit Sitz in Karlsruhe, die Tierversuchsgegner im Verein Menschen für Tierrechte aus Stuttgart sowie den Bund gegen Missbrauch der Tiere, der seine Geschäftsstelle im Tierheim Pfullingen hat. Die Vereine dürfen sich "als Anwälte der Tiere einbringen", nachdem noch unter Grün-Rot die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Verbandsklagerecht geschaffen worden waren. Das jedenfalls verspricht Hauk im Internet. PETA, das für People for the Ethical Treatment of Animals steht, soll nur zuschauen dürfen. Gerade den Aktivisten, die mit nackten Tatsachen und schockierenden Bildern am radikalsten für Tiere kämpfen, bleiben juristisch die Hände gebunden.

Der Leiter der Abteilung Verbraucherschutz und Ernährung im Ministerium begründet den Bann damit, dass PETA wesentliche Forderungen für eine Anerkennung nicht erfülle. So verfüge der bundesweit tätige Verein über zu wenig ordentliche Mitglieder, heißt es in dem Bescheid, der Kontext vorliegt. <link https: mlr.baden-wuerttemberg.de fileadmin redaktion m-mlr intern dateien pdfs tierschutz_und_tiergesundheit dvo_tierschmvg.pdf external-link-new-window>Laut Durchführungsverordnung, welche die Anerkennung als Klageberechtigter regelt, bedarf es mindestens 500 ordentlicher Mitglieder. Erst ab dieser Größe sei von landesweiten Aktivitäten eines Vereins auszugehen, definiert es die im Juli 2016 von Hauk verkündete Verordnung. Pech für PETA. Der Verein zählt derzeit nur sieben stimmberechtigte Mitglieder.

Zudem bezweifelt das Ministerium, dass PETA sich ausreichend für das Wohl heimischer Tiere einsetzt. Als Anhaltspunkt dafür werden Kampagnen der Organisation erwähnt, die "außerhalb des Landes Baden-Württemberg liegen und globale Tierschutzziele" verfolgen: etwa "Leiden für Leder – Kuhleben in Brasilien ist kurz und schmerzvoll" und "Leiden für Pelz – PETA-Undercover-Ermittlungen in China zeigen Tiere, die für ihren Pelz erschlagen, zu Tode getreten, durch analen Stromschlag getötet oder erdrosselt werden". Dass Schuhe aus brasilianischem Kuhleder und Wintermode mit chinesischen Tierfellen <link http: www.kontextwochenzeitung.de wirtschaft todesurteil-modetrend-1875.html internal-link-new-window>auch auf der Stuttgarter Königstraße verkauft werden, kommt dem Beamten offenbar nicht in den Sinn.

Vielmehr wird in dem Bescheid ein "Anlass zu Zweifeln an einer sachgerechten Aufgabenerfüllung" angeführt, wegen Tierschutzaktionen, die "in der Presse PETA-Mitarbeitern zugeordnet werden und den Verdacht strafbarer Begleithandlungen aufwerfen". Explizit erwähnt wird eine Aktion in Gerlingen im Dezember 2015. Bei drei nächtlichen Besuchen im Hühnerstall des Landwirts Dieter M., der auf seiner Homepage mit glücklichen Freilauf-Hühnern wirbt, fand eine PETA-Aktivistin etliche verweste Kadaver. <link http: www.stuttgarter-zeitung.de inhalt.gerlinger-gefluegelhof-frische-eier-aus-ekelhaltung.fc5eb539-87c8-4b91-8f26-1020b9ec053c.html external-link-new-window>"Frische Eier aus Ekelhaltung", titelte die "Stuttgarter Zeitung", deren Reporter die Besuche dokumentierte. PETA erstattete Strafanzeige gegen den Landwirt, der für die Freien Wähler im Gerlinger Stadtrat sitzt. Im Agrarministerium wurde dagegen PETA wegen des möglichen Hausfriedensbruchs zum Bösewicht: weil sich "die Vereinsleitung nicht klar und eindeutig davon distanziert und illegale Methoden sogar als sachgerechte Arbeitsweise" ansieht, heißt es im Bescheid.

Sieben Mitglieder, 75 000 Förderer

Edmund Haferbeck bringt die Ablehnung schlicht auf die Palme. Der Leiter der Wissenschafts- und Rechtsabteilung von PETA Deutschland bestreitet nicht, sondern betont sogar, dass der 1993 gegründete deutsche Ableger der Tierschutzaktivisten so etwas wie ein Familienunternehmen ist. Mit 60 Festangestellten operiert die Organisation von Stuttgart aus bundesweit. "Vier der sieben ordentlichen Vereinsmitglieder sind Gründungsmitglieder von PETA und heute immer noch mit dabei", sagt er. So fungiert als Vorsitzende bis heute die US-Aktivistin Ingrid Newkirk, die 1980 die PETA-Organisation in Norfolk, Virginia, mit ins Leben rief.

Hinter dem Verein stehe hierzulande aber ein breiter Unterstützerkreis, betont Haferbeck. "PETA hat allein in Baden-Württemberg 22 000 Fördermitglieder, von denen knapp die Hälfte fast seit der Vereinsgründung, also mindestens ein Jahrzehnt, Mitglied ist", sagt er. Bundesweit fördern rund 75 000 Menschen die Stuttgarter Tierrechtler mit jährlichen Spenden von zuletzt 5,4 Millionen Euro.

Das Konstrukt ist unter Nichtregierungsorganisationen (NGOs) nichts Außergewöhnliches. "PETA hat die gleiche Organisationsstruktur wie Greenpeace", verweist Haferbeck auf die Umweltschützer aus Hamburg, die hinsichtlich Mitglieder, Finanzkraft und Einfluss allerdings in einer höheren Liga spielen. Auch Greenpeace ist als gemeinnütziger Verein eingetragen, dessen oberstes Beschlussgremium aus einer Versammlung mit 40 stimmberechtigten Mitgliedern besteht. Finanziell getragen wird die Organisation von mehr als 580 000 Fördermitgliedern.

Gleichwohl besitzt Greenpeace das Verbandsklagerecht bei Umweltgesetzen sogar auf Bundesebene. Vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart heben die PETA-Anwälte deshalb auch auf die Hürde der ordentlichen Mitglieder ab. Für diese gebe es weder eine gesetzliche Grundlage, noch sei sie verhältnismäßig. Vielmehr verstoße die Vorgabe gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz, heißt es im Schriftsatz der Berliner Kanzlei Dentons, der Kontext vorliegt. Das Fazit der Anwälte der weltweit größten Wirtschaftskanzlei ist eindeutig: PETA das Verbandsklagerecht zu verweigern, ist rechtswidrig. Ganz anders sieht dies das Agrarministerium. "Es gibt eine klare Rechtsstruktur für das Verbandsklagerecht, und die Anerkennung von PETA wurde auf fachlich-juristischer Ebene geprüft", bekräftigt Hauks Sprecherin auf Nachfrage.

Soll PETA ein Maulkorb verpasst werden?

"PETA ist größer und stärker als die drei anerkannten Vereine zusammen", deutet Haferbeck an, was aus seiner Sicht wirklich hinter dem Bann steht. Einer kritischen Stimme solle ein Maulkorb verpasst werden, damit Agrarindustrie und Tierproduzenten weiter ungestört Geschäfte machen können. Tatsächlich lassen interne Dokumente diesen Verdacht aufkommen. Demnach tat das Stuttgarter Agrarministerium nach der Landtagswahl im März 2016 alles, damit PETA außen vor bleibt.

Das Agrarressort führte damals noch der Grüne Alexander Bonde. Dessen damaliger Amtschef Wolfgang Reimer, Landwirt aus Gaildorf mit grünem Parteibuch, führte die Verhandlungen zu Klagerecht und Verordnung. Am 28. April 2016 traf sich Reimer in Stuttgart mit Vertretern von Tierschutzvereinen und der Kirchen. Während des Treffens, zu dem PETA-Vertreter nicht eingeladen waren, wurde auch das Anerkennungskriterium "Nicht-Billigung von Straftaten" thematisiert. "Hier stellte MD Reimer (MD steht für Ministerialdirigent, Anm. d. Red.) klar, dass diese Anforderung bewusst reingenommen wurde, um ein politisches Signal zu setzen", heißt es im Sitzungsprotokoll, das Kontext vorliegt.

Auf den Einwurf, dass Aktionen wie die in Gerlingen auch ziviler Ungehorsam sein könnten, der schon wichtige Diskussionen um Haltungsbedingungen von Nutztieren ausgelöst habe, erwiderte Reimer laut Protokoll, dass "dies zwar stimmen könne". Nur eine Anerkennung des Landes bräuchten die PETA-Aktivisten dann nicht erwarten, bekräftigte der Beamte damals. Der eigentliche Grund für den PETA-Bann findet sich weiter unten im Protokoll: Es gebe "ein starkes Votum gerade der CDU und der Agrarlobby in Ba-Wü", PETA das Verbandsklagerecht zu verweigern. Würde man dies ignorieren, stünde das gesamte Klagerecht auf der Kippe, sagte Reimer laut Protokoll.

Ende Mai 2016 zog sich Agrarminister Bonde wegen der "Seitensprung-Affäre" zurück. Nach Ende der Koalitionsverhandlungen übernahm der bisherige CDU-Fraktionsvize Peter Hauk das Ressort. Unterhändler Reimer wechselte als neuer Behördenchef ins Regierungspräsidium Stuttgart. Dass der neue Minister mit dem Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine fremdelte, belegt schon das Ergebnis, als am 6. Mai 2015 über das von Grün-Rot eingebrachte Gesetz im Landtag abgestimmt wurde: Die damalige Opposition aus CDU und Freidemokraten votierte geschlossen dagegen.

Das Verhältnis zwischen Christdemokraten und PETA gilt spätestens seit Oktober 2016 als zerrüttet. Damals veröffentlichten die Tierschützer schockierende Videos von verletzten und verwesenden Schweinen aus Ställen, die drei Landwirten gehören sollen, die für die CDU im Bundestag sitzen. Darunter der Biberacher CDU-Abgeordnete und langjährige Bauernfunktionär Josef Rief. Die PETA-Aufnahmen zeigen nicht nur "klassische Systemprobleme, sondern auch Rechtsverstöße", zitierte der "Spiegel" damals Cornelie Jäger, die Landesbeauftragte für Tierschutz in Baden-Württemberg.

Staatsanwaltschaft prüft Vorwürfe gegen Eierproduzenten

Anfang Februar dieses Jahres revanchierte sich Agrarminister Hauk. Auf dem Kreisbauerntag in Ehningen polemisierte er gegen die Vorstände von spendenfinanzierten Tier- und Umweltschutzvereinen wie PETA, Foodwatch und Greenpeace. "Die machen den Reibach und haben ein sechsstelliges Einkommen, wovon Landwirte nur träumen können", behauptete Hauk laut "Gäubote". Eine Erklärung, diese Äußerungen künftig zu unterlassen, verweigerte Hauk PETA zunächst. Erst als das Landgericht Hamburg auf Antrag der Tierschützer ihm diese Aussagen vor wenigen Tagen bei Androhung von Bußgeld oder Haft untersagte, gab der Minister klein bei. "Das Geld setzt er lieber für den Tierschutz ein", begründet seine Sprecherin, warum man nicht gegen den Richterspruch vorgehe.

Am Donnerstag, 30. März 2017, verhandelt das Verwaltungsgericht Stuttgart über die PETA-Klage. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart prüft derweil noch, ob sie ein Strafverfahren gegen den Gerlinger Eierproduzenten Dieter M. einleitet. Beim CDU-Abgeordneten Rief sah die Staatsanwaltschaft Ravensburg keine strafbaren Tierschutz-Verstöße. Nach PETA-Einspruch prüft derzeit die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart den Fall. 

Nachtrag: Nach der Ablehnung der Klage am 30. März will die Tierrechtsorganisation nun vor die nächst höhere Instanz ziehen.


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8 Kommentare verfügbar

  • Bekassine
    am 04.04.2017
    Antworten
    Oh, der Gscheidle, ein Satiriker vor dem Herrn.
    Ja, so als Verkehrsexperte versteht man was von "Sechs"
    und alles andere natürlich auch.
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