Kreative Buchführung ist Teil des Geschäfts. Etwa bei Drogendealern und Zuhältern, die Gelder damit reinwaschen. Selbst klamme Staaten frisieren Bilanzen, um bei Gläubigern besser dazustehen. Doch nicht nur Krisenländer und skrupellose Kriminelle nutzen laxe Gesetze und Kontrollen zu ihrem Vorteil. Trickreiche Zahlenakrobatiker sind auch im Berliner Bahntower zugange. Deren Methoden offenbart der geheime Prüfbericht des Bundesrechnungshofs (BRH) zu Stuttgart 21.
In dem Bericht, der vergangene Woche publik wurde und Kontext vorliegt, sieht die unabhängige Behörde "zahlreiche Anhaltspunkte" dafür, dass die seit Anfang 2013 offiziell auf knapp sechs Milliarden Euro taxierten Baukosten des Tiefbahnhofs "bis zum geplanten kaufmännischen Projektabschluss im Jahre 2025 nicht unerheblich überschritten werden" könnten. Im sogenannten Gesamtwerteumfang (GWU) Stand 2013 seien "annähernd 2 Mrd. Euro Projektrisiken und Kosten, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit Stuttgart 21 stehen, nicht abgebildet". Nicht enthalten seien "zudem etwa 1 Mrd. Euro Herstellungskosten in Form von Bauzeitzinsen, die zu aktivieren sind", so die Rechnungsprüfer.
Welche Tricks der Bahnvorstand anwandte, um im Frühjahr 2013 trotz offensichtlichen, dramatischen "Risiken" grünes Licht vom Aufsichtsrat für den Weiterbau von Stuttgart 21 zu bekommen, zeichnet der BRH detailliert nach. Beispielsweise:
1. Runtergerechnete Nachträge
Im Baugewerbe kommt es häufig zu Nachtragsforderungen, etwa weil sich ein Vorhaben während der Ausführung als aufwendiger als geplant herausstellt. Im GWU 2013 für Stuttgart hat die Bahn 800 Millionen Euro für Nachträge eingerechnet, was 17,2 Prozent des Vergabevolumens entspricht. Viel zu wenig, sagt der Bundesrechnungshof: "Gerade bei Stuttgart 21 ist eine deutliche Unterschreitung des Nachtragsvolumens, das bei allen Infrastrukturprojekten der DB AG durchschnittlich 24 Prozent beträgt, nicht zu erwarten." Die BRH-Prüfer setzen die notwendigen Nachträge um 600 Millionen Euro höher auf 1,4 Milliarden Euro an.
2. Teure Sparversion für Tunnelbauten
Siehe dazu auch den Kontext-Artikel "Unterirdische Leistung" in dieser Ausgabe.
Um Kosten zu drücken, sollen die S-21-Tunnel kleinere Querschnitte und dünnere Wände haben. Damit lassen sich Stahl und Beton für 130 Millionen Euro einsparen, frohlockte der Bahnvorstand und verbuchte die Summe im GWU 2013 auf der Habenseite. Dumm nur: Im quellfähigen Gipskeuper zwingen die weniger stark bewehrten Tunnelröhren zu teuren Abdichtungs- und Sicherungsmaßnahmen. Die Kosten dafür hat die Bahn im GWU 2013 nicht ausreichend berücksichtigt, sagt der BRH. Allein im Tunnelabschnitt von Feuerbach und Bad Cannstatt in den Tiefbahnhof schlägt die Abdichtung mit 144 Millionen Euro zu Buche. Sie liegt damit allein in dieser Tunnelröhre höher als die gesamte erhoffte Materialeinsparung. Auch in weiteren Tunnelabschnitten sind kostspielige Abdichtungen vorgeschrieben.
7 Kommentare verfügbar
by-the-way
am 30.09.2016höchste Zeit, diesen Herrn Bahnvorstand juristisch zu bejagen und zur Strecke zu bringen.
Mt seinen öffentlich getätigten Aussagen zu den Kosten für Stuttgart 21 hat der sich doch schon "um Kopf und Kragen" geredet.
Nach eigener Aussage von Herrn Dr. Rüdiger…