"Sie leben den Parlamentarismus nicht!", schleudert Björn Höcke neulich den anderen Fraktionen im Erfurter Landtag entgegen, in der herrischen, vielen Nationalisten eigenen Tonlage. Da hatte er sich schon eine der regelmäßigen Rügen für seinen unbotmäßigen Ton abgeholt. Er hatte versucht, die im Präsidium des Hauses vereinbarte Verkürzung der Redezeiten wegen übervoller Tagesordnung zum Beweis für die Verlotterung des Altparteienkartells zu machen. Und schließlich die Kollegenschar diskreditiert, wider besseres Wissen: "Wie erklären Sie es dem Thüringer Arbeitnehmer, der sich eine normale 40-Stunden-Woche wünschen würde, warum das Plenum als Herzstück unseres Parlamentarismus gerade einmal für drei Tage im Monat zusammenkommt?" Natürlich ist sogar Höcke nach fast zwei Jahren im Landtag bekannt, dass Plenarsitzungen nur einen Bruchteil der Abgeordnetentätigkeit ausmachen. Aber warum nicht mal (wieder) das Parlament anpinkeln, in das man doch unbedingt einziehen wollte.
Die Aufregung ist nach Höckes Rede groß unter den anderen Fraktionen. Die AfD muss sich vorhalten lassen, selber verantwortlich für ihre Lage zu sein, weil sie – wie so oft – zuerst alle Absprachen sabotiert und sich dann beklagt. Sie stelle sich als unschuldiges Opfer dar, versucht der Geschichtslehrer Volker Emde (CDU) nach der Höcke-Rede "eine kleine psychologische Erklärung". Und schreibe als Opfer "Missstände, die Folgen eigenen Versagens sind, immer äußeren Umständen zu". Oder den anderen. Obstruktion, selbst zum eigenen Schaden, und eine derbe, aggressive Tonlage ziehen sich wie ein roter Faden durch das Auftreten der Populisten. Nicht nur in Erfurt, sondern überall in Landtagen und Gemeinderäten. Gepflogenheiten werden missachtet, die Möglichkeiten der Volksvertreter, das Volk wirklich zu vertreten, ignoriert. Statt sich einzufädeln in bewährte Mechanismen, legt die Alternative für Deutschland erkennbar den größten Wert darauf, Parlamente zu instrumentalisieren für ihre Inszenierungen.
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Rolf Steiner
am 15.08.2016