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Jugendhilfe statt NPD

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In Meßstetten sollte das braune Herz Baden-Württembergs schlagen. In der Gaststätte Waldhorn, die in NPD-Besitz übergehen sollte. Jetzt könnte sie ein Wohnheim für Jugendliche werden.

Niko Lustig ist, je länger er überlegt, mehr denn je der Meinung, dass er ein guter Mensch ist. Wie sind sie über ihn hergefallen, den Wirt des Waldhorns in Meßstetten. Droben auf der Zollernalb. Er sei der Türöffner für die braune Brut, schlimmer noch, Sympathisant und Profiteur, hieß es im März 2015, als die NPD auf den Plan trat. Für Bürgermeister und Landrat war er fortan eine zwielichtige Figur, für die Antifa der Herbergsvater rechtsextremer Parteigrößen und für seine Ex-Frau, die Mitbesitzerin des Waldhorn, wahrscheinlich ein Trottel. Weil er nicht an die NPD verkauft hat, für stolze 490 000 Euro.

Heute, ein Dreivierteljahr danach, sagt Lustig, er habe "vielen Vieles erspart", und niemand habe ihm dafür gedankt. Da ist etwas dran, denn was wäre geworden, wenn er mit jenem Jan Zimmermann, dem Quartiermeister der Partei, zum Notar gegangen wäre und den fix und fertigen Vertrag unterschrieben hätte? Die Zentrale der NPD Baden-Württemberg, knapp neben der Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge, die aus allen Nähten platzt. Zudem auf der Zollernalb, die sich jetzt schon mannigfacher rechtsradikaler Umtriebe erwehren muss.

Merkbar unterstützt hat ihn nur Andreas Hauser, der Kreisrat der "Linken", der für sich beschlossen hat, dass Lustig "kein schlechter Kerl" sei. Der Sozialarbeiter hat versucht, Gespräche mit dem Meßstettener Bürgermeister (erfolglos), mit dem Landrat in Balingen (ziemlich erfolglos) anzubahnen, stets in der Hoffnung, dass sie als Käufer auftreten und aus der Kneipe etwas Sinnvolles machen. Die Antwort war stets dieselbe: Wir lassen uns nicht über den Tisch ziehen.

Jetzt könnte ein anderer tatsächlich Nützliches im Kopf haben: das Diasporahaus Bietenhausen. Hauser sagt, das würde wunderbar passen, wenn die karitative Einrichtung, die sich der Jugend- und Familienhilfe widmet ("Pädagogik des sicheren Orts"), hier einsteigen würde. Gerade in Meßstetten, in dieser uncoolen 10 000-Einwohner-Gemeinde, wo die jungen Menschen eher unbehaust sind.

Niko Lustig bestätigt das Interesse. Seit drei Wochen befinde er sich in Verhandlungen mit dem Diasporahaus, berichtet der 37-Jährige, und er hoffe auf einen guten Ausgang. Kontext-Anfragen beim Diasporahaus in Rangendingen-Bietenhausen blieben bisher unbeantwortet. Nicht die Hälfte des NPD-Preises würde er bekommen, erzählt Lustig, und damit weiterhin für die Bank schuften, die seine Schulden beinhart eintreibe. Trotzdem, mit dem "sehr blauen Auge" könne er leben, mehr noch, es verschaffe ihm ein "ruhiges Gewissen", und wenn dann noch Kinder und Jugendliche in sein Waldhorn einzögen, fände er das "einfach super". Das taugte doch als gute Botschaft für das neue Jahr.


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