Heinz-Dieter Wehner, emeritierter Direktor des Tübinger Instituts für Rechtsmedizin, war schon einmal Zeuge. Im März hatte er detailliert sein Vorgehen im Fall des in seinem Wagen verbrannten Rechtsaussteigers Florian Heilig zu Protokoll gegeben. Und seine Verwunderung darüber, dass nicht weiter untersucht worden war, "ob es ein Suizid oder ein Tötungsdelikt war". Jetzt erläutert er, dass die Heilbronner Täter Links- oder Rechtshänder hätten sein können und anhand einer anthropomorphen Puppe, wie der Kopf der Polizistin Kiesewetter so lange gedreht wurde, bis der Schusskanal und der Einschuss in der Trafohäuschenwand an der Theresienwiese eine Linie ergaben. Wehner wollte so rückschließen auf die Größe des Schützen.
Auf der Seite von Kiesewetters Kollegen Arnold erwies sich dieses Verfahren nach "einer Matrix aus Vorgaben" als schwieriger: Das Projektil prallte in seinem Kopf auf das besonders harte Felsenbein und trat deshalb in einem Winkel wieder aus. Ob die herausgefilterten Möglichkeiten und Hinweise auf den oder die Täter tatsächlich zu Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt passen, den beiden mutmaßlichen NSU-Tätern, die viereinhalb Jahre später in Eisenach tot in dem ausgebrannten Wohnwagen gefunden wurden, das weiß der Professor nicht: "Dazu sind wir nicht gefragt worden. Ich kenne die Maße überhaupt nicht und habe keine weiteren Aufträge bekommen."
Einen anderen Auftrag bekam er schon. Noch vom Tatort in Heilbronn wird der Professor per Hubschrauber an Arnolds Krankenbett geflogen. Im Ausschuss zeigt er ein Foto einer verbundenen, blutbespritzten Hand. Das Opfer habe sie in der Nähe des Einschusses gehabt, sagt er. Das sei für die Kriminalisten deshalb wichtig, "weil sie wissen möchten, ob er reagierte". Keiner der Abgeordnete fragt nach, wieso er überhaupt nach Ludwigsburg geflogen wurde, da er doch seine Patienten gut gelaunt im Allgemeinen als solche beschreibt, die "nicht mehr sprechen". Aber alle hören gebannt zu, als er erläutert, wie beim Eintritt der Kugel der Druck im Gehirn so drastisch ansteigt, dass es sofort seine Arbeit einstellt. Da spiele der Schusskanal keine Rolle: "Schon wenn ein Patient fällt, weiß er nichts mehr über das Fallen."
Erinnerungen seien unmöglich, sagt der Neurologe
Ein paar Stunden später wird sich auch der Neurologe, Psychiater und Psychologe Thomas Heinrich darauf festlegen, dass Arnold sich angesichts des "Schädel-Hirn-Traumas der schwersten Form" unmöglich an irgendetwas von der Bluttat erinnern könne. Heinrich hat mit dem Polizeibeamten gesprochen und hält in seinem Gutachten dessen Aussagen für unverwertbar, weil eine Amnesie vorliege, und zwar zeitlich "nach vorne und nach hinten". Diesen Zeugen allerdings wollen die Abgeordneten nicht so einfach davonkommen lassen. Was nicht zuletzt mit dem Auftritt der forensischen Hypnotherapeutin Andrea Beetz vor dem Ausschuss zusammenhängt.
Die hatte im Juli souverän und im Wissen, dass ihre Methoden umstritten sind, von einem Treffen mit Arnold vor sieben Jahren berichtet. Dabei hatte der sich sehr wohl erinnert, zum Beispiel an eine bis dahin noch nie erwähnte Pizzaschnitte als Pausenbrot, ferner an eine männliche Person mit dunklen Jeans, Kurzarmhemd, schwarzen Schuhen und kurzen, dunklen Haaren. Und, wiederum erstmals, an eine zweite Person, mit rot-weiß kariertem Hemd an der Beifahrerseite, deren Gesicht er aber nicht habe sehen können. Die Kollegen werden diese Erinnerungen als "glaubhaft" einstufen, weitere Ansätze erkennen sie aber nicht. Auch Beetz beschreibt als es ungewöhnlich, dass sich jemand nach einer derartig schweren Kopfverletzung detailliert erinnert.
1 Kommentar verfügbar
Barolo
am 07.10.2015Kann es sein, daß die…