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NPD-Zentrale auf der Zollernalb

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Die NPD will Meßstetten zum braunen Herz Baden-Württembergs machen. Ausgesucht hat sie sich die Gaststätte Waldhorn, in der sie häufig zu Gast war. Offenbar stört es kaum jemanden im Land, wenn die Rechtsradikalen neben einer großen Flüchtlingsunterkunft ihr Hauptquartier aufschlagen wollen.

Die Botschaft lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. An seine Facebook-Freunde schreibt der NPD-Funktionär Jan Zimmermann, die Stadt auf der Zollernalb sei "gekippt". Die Realität habe so manchen naiven Bürger eines Besseren belehrt, das "Gutmenschengeseiere" ziehe nicht mehr. Die Einwohner seien "genervt" ob des "wilden Urinierens, Saufens und Lärmens" der Flüchtlinge, sie hätten "keine Berührungsängste" mehr mit seiner Partei, und jetzt gelte es, diese Stimmung "aller Meßstetter Wutbürger" zu kanalisieren und das Waldhorn als Heimstatt dafür zu nutzen. Für die Vögel gibt es schon viele Häuschen in den Bäumen rund um das schmucklose Anwesen.

Konkret: Die Gaststätte am Ortseingang soll zur Zentrale der baden-württembergischen NPD werden. Genutzt als Geschäftsstelle, Schulungszentrum und Veranstaltungsort. Mit allen Vorteilen. 60 Kameraden könnten in den 14 Zimmern übernachten, frohlockt Zimmermann, 250 auf der Wiese hinterm Haus feiern und "kreative Aktionen" gegen die Landeserstaufnahmestelle LEA würden ein bundesweites Medienecho auslösen. Die überfüllte LEA ist etwa einen Kilometer vom Waldhorn entfernt, der sozial schwache Ortsteil Bueloch nur wenige Meter. Ein Drittel der 1100 BuelocherInnen sind Menschen mit Migrationshintergrund.

Der Käufer ist als regelmäßiger Aufmarschierer bekannt

Zimmermann ist Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Breisgau, zu dem die Städte Freiburg, Emmendingen und die Ortenau gehören. Seinen Sitz hat er in Eichstetten am Kaiserstuhl. Der 37-Jährige kommt aus Hamburg, saß dort im Landesvorstand, ist der Polizei als regelmäßiger Aufmarschierer bekannt und gilt als Immo-Beauftragter der Partei. Zuletzt im thüringischen Eisenach, wo er ein zweistöckiges Haus mit Ladengeschäft erworben hat, ohne dass es Innenministerium oder Verfassungsschutz bemerkt haben beziehungsweise bemerken wollten.

Das Waldhorn gehört noch Niko Lustig. Der 36-Jährige ist in Meßstetten geboren, gelernter Koch, Hardrock-Fan, tätowiert und steht jetzt, wie er sagt, unter Polizeischutz. Treffen kann man ihn nicht, er ist abgetaucht wegen ständiger Drohungen, "von rechts und links". Seine Gaststätte ist seit Mai geschlossen, Lustig ist pleite, besser gesagt: hoch verschuldet. Er spricht von 400 000 Euro, die ihm unter anderem Stromklauer über Jahre eingebrockt hätten. Seine 69-jährige Mutter ist mit einer Bürgschaft dabei, seine Ehefrau Ariane mit der Hälfte des Anteils, und die will er "nicht mitreißen". Da kam Zimmermann – mit einem Angebot über 490 000 Euro. Maklergebühren seien darin nicht enthalten, hält der NPD-Jünger im Vorvertrag fest. Vom Verkaufswunsch des Eigentümers habe ihn ein "Beamter aus Meßstetten" unterrichtet.

Seitdem diese Offerte bekannt ist, sind Kneiper und Kneipe zum Politikum geworden. Im Hotel Schwane, direkt neben dem Rathaus, tagt ein Bündnis aus Gewerkschaften, SPD, VVN, antifaschistischen Gruppen wie der Alboffensive, MLPD Zollernalb. Die Einheimischen sind in der Minderheit, die Mehrzahl kommt aus Tübingen, Reutlingen, Ebingen und Stuttgart. "Hier oben interessiert das keinen", sagt ein Sozialdemokrat, "außer ein paar Linken", und wenn sie auf die Straße gingen, sei das schon okay – "nur ist hier keiner auf der Straße". Sie verständigen sich darauf, am Samstag, dem 15. August um 15 Uhr auf dem Marktplatz in Meßstetten eine Kundgebung abzuhalten. Das Motto heißt "Keine Basis der NPD", gegen das "braune Herz Baden-Württembergs".

Edda Schmidt ist im Waldhorn, die Linke auch

In dem Saal, in dem sonst der Rotaryclub Ebingen tafelt, werden Lustig und sein Waldhorn durchleuchtet. Die Reutlinger Alboffensive, die sich am intensivsten um die braunen Umtriebe auf der Alb kümmert, berichtet von 15 Veranstaltungen im Waldhorn, unter anderem mit Edda Schmidt (Bisingen), die im NPD-Landesvorstand für Kultur und Brauchtum zuständig ist. Zu ihrem Erstaunen ist die 66-jährige Dauerkandidatin erst jüngst sogar mit dem NSU in Verbindung gebracht worden. Das sei eine "totale Lüge", hat sie versichert. Gesichert ist, dass sie als Landesvorsitzende der NPD-Unterorganisation Ring Nationaler Frauen (RNF) fungiert, der im Waldhorn auch zu Gast war.

Niko Lustig streitet das nicht ab, sieht die Sache freilich ausschließlich kommerziell. Er sei kein Sympathisant der NPD, betont er. Vielmehr fühlt er sich als Opfer der Meßstettener Verhältnisse, die in der Tat eng begrenzt sind. In der pietistisch geprägten 10 000-Einwohner-Gemeinde ist ein Wirt – und sei er selbst ein Eingeborener –, der mit großflächigen Tattoos an den Unterarmen herumläuft, ein Außenseiter. Einer, der mit Hardrock-Konzerten Krach macht und Obdachlosen kostenloses Quartier gibt, passt nicht ins Stadtbild. Und dann noch den Kandidaten der Linken, Daniel Morteza-Ghazvini, dessen Vater Perser ist, in seinem Lokal zur Bundestagswahl antreten zu lassen – das macht das Maß voll. Die örtlichen Vereine und die Stadtverwaltung hätten ihn boykottiert, erzählt Lustig. So habe er sich eben mit der NPD, Rockertreffen und veganen Stammtischen behelfen müssen.

Wo immer dieser Lustig steht, eines ist sicher: er kann kochen. Sagt Andreas Hauser (45), der nicht nur gut über sein Essen spricht. Der Niko sei auch sonst "kein schlechter Kerl", meint der Sozialarbeiter, der Niko sei "kein Nazi", höchstens ein miserabler Geschäftsmann. Hauser ist Kreisrat der Linken, also braunen Gedankenguts unverdächtig, wohnt seit seinem dreizehnten Lebensjahr in der Gemeinde, die als berühmtesten Sohn den CDU-Bundestagsabgeordneten Thomas Bareiß ausweist. Und Hauser dürfte zu den letzten Vertrauten des havarierten Gastronomen zählen.

Der Bürgermeister will die rechten Gruppen nicht aufwerten

Für Hauser ist nicht Lustig das Problem. Er hadert mit den politischen Verhältnissen. Zum Beispiel mit Bürgermeister Lothar Mennig (Freie Wähler), der die Stadt seit 24 Jahren regiert, mit einem willigen Gemeinderat, in dem Grüne und SPD (und die Linke sowieso) fehlen. Freie Wähler und CDU stellen 19 von 25 Mitgliedern, keines von ihnen äußert sich öffentlich zur Causa Waldhorn. Dem Schultes, glaubt Hauser, sei das Problem entweder nicht bewusst oder einfach egal, weil am 27. September eh ein neuer Bürgermeister gewählt werde. Bekannt ist nur, dass er "Leumund und Reputation" von Lustig in Zweifel zieht. Der 58 Jahre alte Mennig tritt Ende November ab.

Presseanfragen zum Thema NPD beantwortet er normalerweise nicht. Erst nach mehreren Anläufen im Rathaus meldet sich der Bürgermeister doch, und hält wacker dagegen. Die Aussagen des Mitbürgers Hauser könne er nur als "Frechheit" bezeichnen, was gewiss daran liege, dass er erst seit kurzem versuche, politisch Fuß zu fassen. Er sei ständig mit dem Thema befasst, im engen Kontakt mit Landkreis, Integrationsministerium und Staatsschutz. Aber Grundstücksangelegenheiten seien nun mal "prinzipiell nichtöffentlich", also auch nicht auf dem Marktplatz auszuhandeln. Im Übrigen müsse er nicht besonders betonen, dass alle Beteiligten daran interessiert seien, dass das Waldhorn "nicht an die NPD verkauft wird".

Mennig warnt auch noch vor einer „Aufwertung“ rechter Gruppen, wenn zu viele öffentliche Aktivitäten stattfinden. Einige seiner BürgerInnen lassen ihn brieflich wissen, dass sie genau das befürchten, allerdings andersrum. Sie berichten ihm von ihrer „großen Sorge“, dass demnächst die „ständige Präsenz von NPD-Größen“, Demonstrationen aller Art und Übergriffe „zum Alltag“ in Meßstetten gehören werden.

Nun ist der Bürgermeister nicht alleine in der Stille. Am 3. Juli hat der SPD-Ortsverein Meßstetten, kein bedeutender gewiss, einen Brandbrief an seine Minister geschickt. Liebe Bilkay Öney (Integration), lieber Reinhold Gall (Innen), lieber Rainer Stickelberger (Justiz), haben die Alb-Genossen geschrieben, in ihrem Ort breite sich ein "ekliges politisches Krebsgeschwür" aus. Wer jetzt nicht Farbe bekenne, nehme braun hin, und deshalb seien öffentliche Äußerungen notwendig, um "Klarheit zu schaffen und Verzagte zum Handeln" zu bewegen. Geantwortet hat nur das Büro von Öney. Für das Land käme ein Erwerb des Waldhorns nicht in Betracht, teilte ein Sprecher mit, das obliege der Entscheidung der Gemeinde, des Landkreises sowie der jeweiligen kommunalen Gremien. Im Übrigen stelle sich die Frage nach der Seriosität der Kaufabsicht, liege der Marktwert der Liegenschaft doch nur bei 100 000 Euro.

Ein Altnazi finanziert und der Notar will von Politik nichts wissen

Dahinter steckt der Verdacht, dass es die NPD wieder einmal mit einem Bluff probiert. Sprich den Preis mit einer Fake-Offerte nach oben treiben, um mit dem Verkäufer anschließend zu teilen. Lustig dementiert das vehement. Das Geld stehe bereit, sagt er, alleine für ihn und seine Frau, und er will sogar wissen, von wem: von Rolf Hanno, Altnazi und Immobilien-Millionär, wohnhaft in Marbella. Der greise Kamerad hat der klammen Partei stets geholfen, wenn sie Geld brauchte.

Einer, der sagt, das interessiere ihn alles nicht, ist der, der den Kauf beurkunden soll: Notar Alfons Veit in Emmendingen. In seinen Räumen sollen sich, laut Vertragsunterlagen, die Herren Lustig und Zimmermann am 21. August um 13 Uhr einfinden, um das Geschäft abzuschließen. Veit will den Termin auf Anfrage von Kontext nicht bestätigen. Er sei kraft Gesetzes zur Verschwiegenheit verpflichtet, erklärt er. Die politische Dimension des Deals habe ihn nicht zu kümmern. Basta.

Derweil jubelt die NPD. "Unsere nächste Sonnenwende können wir auf der großen Wiese hinter dem Waldhorn feiern", schreibt Funktionär Zimmermann auf Facebook. Möglich sei auch ein Pressefest mit ihrem Zentralorgan, der "Deutschen Stimme". Land und Leute im Zollernalbkreis seien "einfach genial".

 

Info:

Das Bündnis "Keine Basis der NPD" ruft zu einer Kundgebung am Samstag, 15. August, 15 Uhr, auf dem Marktplatz in Meßstetten auf. <link file:20785 _blank external-link-new-window>Siehe dazu den Flyer.


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8 Kommentare verfügbar

  • Schwabe
    am 18.08.2015
    Antworten
    Ohne Waffenexporte bzw. ohne Krieg keine Kriegsflüchtlinge!
    Ohne wirtschaftliche Ausbeutung anderer Länder keine Wirtschaftsflüchtlinge!
    Mit einer anständigen Wirtschaftspolitik keine Arbeitsmigranten!
    Gleichzeitig wäre der Spaltung von Bevölkerungen/Kulturen der Boden entzogen!
    Hauptdrahtzieher…
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