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Beamten-Keile

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Das Klima zwischen Beamtenbund und Landesregierung ist anhaltend frostig. Die Tarifrunde im öffentlichen Dienst wird daher im baden-württembergischen Vorwahlkampf besonders schwierig. CDU und FDP hoffen, billige Punkte abstauben zu können.

Kaum ein Berufstand kennt mehr Klischees. Beamte sind nölig und langsam, entscheiden willkürlich, falsch oder gar nicht, die Ärmelschoner sitzen fest, der Büroschluss ist heilig. Und dass speziell die gesamte Lehrerschaft viel zu viele Ferien hat, weiß jedes Kind. Stimmt zwar so pauschal ganz und gar nicht, wird aber gerne immer wieder wiederholt. Ebenso wie das dümmliche Schlagwort von Beamten-Mikado, in dem verliert, wer sich als Erster bewegt. Viel näher an der Realität, aber deutlich seltener unter der Lupe ist die geballte Macht in Verwaltungen und Ministerien, in Ämtern und Schulen, gerade in Baden-Württemberg seit 2011.

"Den schwarzen Apparat gibt es nicht", hat Winfried Kretschmann kurz nach seinem Amtsantritt gesagt, und es klang ein wenig nach Pfeifen im dunklen Keller. Denn jede Menge Interessierte und vor allem Interessenvertreter, die ihm das Leben so schwer wie möglich machen wollen in den nächsten Monaten, gibt es allemal. Da kommen die Tarifrunde, mögliche (Warn-)Streiks, die zu erwartenden Schwierigkeiten und der Anspruch der Beamten auf volle Teilhabe am Ergebnis gerade recht. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst könnten ein Zünglein an der Waage sein, wenn im kommenden Frühjahr gewählt wird.

Der Südwesten steht in der laufenden Tarifrunde aber nicht nur deshalb im Fokus. Es geht auch um eine Blaupause für andere Länder. Baden-Württemberg ist reich, sieht sich selber auf den konsequenten Weg zur Schuldenbremse 2020, soll anderen vormachen, wie der Spagat gelingen kann zwischen Sparen und mehr Geld ausgeben für Löhne, Gehälter und Pensionen. Kretschmanns Vorvorgänger Günther Oettinger hat Verhandlungen wie diese gerne mit einem Pokerspiel verglichen. Keine Seite will sich in die Karten schauen lassen. Zwei weitere Treffen haben die Tarifparteien vereinbart. "Wenn nach der dritten Runde Mitte März kein diskutables Angebot auf den Tisch kommt, drohen eine Urabstimmung und ein Arbeitskampf vor Ostern", unkt Klaus Dauderstädt, der Bundesvorsitzende des Beamtenbunds. Sein Stellvertreter, Baden-Württembergs Landesvorsitzender Volker Stich, prophezeit Grün-Rot einen "aufflammenden Konflikt" schon in wenigen Wochen. 

Immerhin führen die Arbeitnehmervertreter eine nicht von der Hand zu weisende Begründung für ihr Verlangen nach einem satten Plus ins Feld: Die Einkommensschere in den Ländern hat sich nicht nur im Vergleich zur freien Wirtschaft weit geöffnet, sondern zum Bund und den Kommunen ebenfalls, die ihren Beschäftigten inzwischen rund vier Prozent mehr zahlen. "Jammern auf hohem Niveau" nennt das Kretschmann. Der Satz fiel erstmals im Sommer 2010, als der Grüne vergleichsweise drastisch klarmachen wollte, dass "ausgeschlossen ist, einen Haushalt mit über 40 Prozent Personalkosten zu sanieren, ohne den Beamten ans Fell zu gehen". Selbst bei einer Nullrunde werde "die Welt nicht untergehen". 

Kretschmann und Stich sind sich nicht grün

Das Echo darauf wurde immer lauter und unfreundlicher, der Regierungschef blieb unbeeindruckt. Manchmal zitierte er sogar den ehemaligen CDU-Finanzminister Gerhard Mayer-Vorfelder mit dessen Spruch "Soldaten kann man anschreien, Zahlen nicht" und hoffte auf "mehr Einsicht in die Notwendigkeiten und eine konstruktivere Haltung" im Beamtenbund. "Der Naive" titelte der "Spiegel" einmal.

Kretschmann und Stich sind sich nicht grün und werden es auch nicht mehr werden. Der eine sieht sich in die Rolle des Buhmanns geschoben, spätestens seit ihn 2012 in der Stuttgarter Liederhalle 2500 Beamte niederbrüllten, -pfiffen und -tröteten. Der andere vertritt nicht nur die Angelegenheiten der 240 000 Staatsdiener im Südwesten. Stich spielt mit der Opposition über Bande: Heftig gemunkelt wird, er wolle mit von der Partie sein, vielleicht sogar am Kabinettstisch, falls es in einem Jahr zum Wechsel nach dem Wechsel kommen sollte.

Dazu heizen CDU und FDP den Schlagabtausch an, und das bereits seit der vergangenen Tarifrunde. Damals schon mit der unverhohlenen Aufforderung an Baden-Württembergs Beamtenschaft, doch zum Protest gegen die Sparmaßnahmen der Koalition auf die Straße zu gehen und Rabatz zu machen. Dies wäre in eigenen Regierungszeiten sicher in die Nähe des abendländischen Untergangs gerückt worden. Besonders gern locken die bürgerlichen Parteien mit vollmundigen Versprechungen, Einschnitte wie etwa die Absenkung der Eingangsbesoldung wieder rückgängig zu machen. Das Verhältnis zwischen Beamtenschaft und Regierung sei komplett zerstört, freute sich der CDU-Landtagsabgeordnete Joachim Kößler kürzlich und gab im Überschwang sogar eine ironische Selbsteinschätzung zu Protokoll: "Wir haben 58 Jahre gebraucht, bis wir Vertrauen eingebüßt haben, Grün-Rot ist schon in 58 Monaten erfolgreich gewesen."

Stich fordert "mehr Verständnis für den öffentlichen Dienst" beim Regierungschef ein, um Vertrauen wieder herzustellen, und für die "hohe Motivation in der Beamtenschaft, sich mitverantwortlich für den Staat zu fühlen". In eine konkrete Forderung übersetzt heißt das: Wir wollen den im Frühjahr zu erwartenden Tarifabschluss für die Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Diensts eins zu eins auf die Beamten übertragen, und zwar sofort. Ein millionenschweres Verlangen. Schon vier Sparrunden habe es in der Legislaturperiode gegeben, klagt der ehemalige Gymnasiallehrer, "das hätte sich keine andere Landesregierung in den letzten Jahrzehnten getraut". 

Allein die Verschiebung der Gehaltserhöhung 2013 habe einen verbeamteten Justizwachtmeister rund 850 Euro gekostet, einen Steuerbeamten knapp 1700 oder eine Juristin sogar fast 2800. Stich: "Ich sehe die Entwicklung mit großer Sorge, denn die Koalition kommt ihrer Verpflichtung, den öffentlichen Dienst und die Beamten ordentlich zu behandeln, nicht nach." Geflissentlich lässt er unter den Tisch fallen, dass Ministerpräsident Erwin Teufel seinerzeit zwei Jahre lang gar nicht mehr reden wollte mit dem Beamtenbund. Oder dass sein Nachfolger Oettinger, immer auf der Suche nach hurtigen Lösungen, einen Pakt ausgehandelt hatte, der die Spielräume, durch Strukturveränderungen Kosten zu senken, erheblich einengt. "Fest wie die Alpen steht die Schuldenbremse", sagt Kretschmann und findet, auf dem Weg dorthin könne noch so manche Besoldungserhöhung zwar beschlossen, aber zeitlich nach hinten geschoben oder abgemildert werden. 

Jede Menge Grenzverletzungen und Muskelspiele

Die Eckdaten liegen – Poker hin oder her – ohnehin auf dem Tisch. Grün-Rot hat die Mittel für ein Lohn- und Gehaltsplus von 1,8 Prozent schon mal im Doppelhaushalt 20105/2016 eingestellt. Gewerkschaften und Beamtenbund bewerten das als unfreundlichen Akt, wenn nicht sogar als neuerlichen Angriff – denn sie wollen das Dreifache herausholen. Nach den ungeschriebenen Regeln der Tariftradition wird der Abschluss im Volumen irgendwo zwischen zweieinhalb und dreieinhalb Prozent liegen. Danach will der Ministerpräsident mit dem Beamtenbund reden und er weiß, dass Ärger programmiert ist. 

Jede Menge Grenzverletzungen, Verbalattacken oder Muskelspiele geben einen Vorgeschmack. "Wir haben ein Elefantengedächtnis", sagte der oberste Beamtenbündler Dauderstädt bereits damals in der Liederhalle, "und vergessen bei den kommenden Wahlen nicht, wer uns zu schlachten versucht hat." Stich stichelt regelmäßig. Und seit November, CDU- und FDP-Granden reiben sich die Hände, steht auch noch die Drohung mit einem Wahlaufruf gegen die Landesregierung im Raum. Kretschmann konterte kühl und stoisch: "Wenn Herr Stich meint, es kommt bei der CDU wärmer raus, dann soll er halt zur Wahl der CDU aufrufen. Wir leben in einer Demokratie, in der jeder wählen kann, was er möchte." Er jedenfalls richte seine Politik keinesfalls danach aus, wer ihn wähle und wer nicht. Und da wird er bei Beamten keinen Unterschied machen.


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4 Kommentare verfügbar

  • Heinz Greiner
    am 22.02.2015
    Antworten
    Und wenn wir schon dabei sind , kann ja mal jemand fragen bei der Verdi Chefin , warum Pensionäre dieselbe prozentuale Erhöhung erhalten müssen wie aktive Beamte .
    Bei einer Basis die oft ein Mehrfaches des gesetzlichen Rentners ist .
    Auf Pump versteht sich . Und auf Kosten der staatlichen…
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