Schade, dass Weber, von Parteifreunden gern auch verunglimpft als "fromme Helene", jenen Männern in der CDU-Landtagsfraktion nicht erschienen ist, die im Traum nicht daran dachten, Frauen zu würdigen. Mit 20 zu 38 Stimmen entschieden sich die Abgeordneten für Wilfried Klenk aus Oppenweiler bei Backnang als neuen Landtagspräsidenten. Der 55-Jährige, bisher eher Hinterbänkler, war von interessierten Kollegen ganz gezielt in Stellung gebracht worden – mit dem fadenscheinigen Argument des "endgültigen Neuanfangs", weil er "nicht verstrickt" sei in die Ära Mappus. Vor allem aber mit einem einzigen großen Ziel: eine Präsidentin zu verhindern.
Klenk ist Sozialpolitiker, ein freundlicher, umgänglicher Mensch. Vor vier Jahren allerdings hatte er sich eine Aktion geleistet, die einer Frau noch lange anhängen würde als Ausweis von Naivität gepaart mit unberechtigtem Machthunger. Ohne jede Absprache mit FraktionskollegInnen stolperte er in ein CDU-internes Rennen um den Präsidentenstuhl. Drei Exminister und ein Staatssekretär, lauter Schwergewichte, hatten ihren Hut bereits in den Ring geworfen, um das letzte wichtige Amt zu ergattern, das den Schwarzen nach dem Machtverlust an Grün-Rot noch zustand auf der landespolitischen Bühne. Im ersten Wahlgang wurde er mit einigen wenigen Stimmen abgespeist und nahm sich selbst wieder aus dem Rennen. Kein Hohn, kein Spott, kaum der Erwähnung wert, dass derselbe Kandidat es vier Jahre später doch schafft. "Damals bin ich reinmarschiert", sagt er schmunzelnd, stolz darauf, dass ihm das nicht noch einmal passiert ist. Jetzt will er dem Parlament ein menschliches Gesicht geben. Ein männliches, raunt einer der wenigen Abgeordneten, die ihn nicht gewählt haben.
Im März 1985, beim Essener Bundesparteitag, hatte sich die CDU nicht zuletzt unter dem Druck der gesellschaftlichen Debatten, die die neuen Grünen und ihre weitreichenden Gleichberechtigungsansprüche auslösten, offiziell neue Leitsätze gegeben. Sie schrieben fest, "dass das Ziel einer Gesellschaft mit menschlichem Gesicht nur erreicht werden kann, wenn Frauen auf allen Ebenen und in allen Bereichen an verantwortlicher Stelle mitwirken." Der Bundesvorstand wurde aufgefordert, "Vorschläge zu erarbeiten, wie der Einfluss der Frauen in der CDU gestärkt werden kann". Der Generalsekretär hieß damals Heiner Geißler.
"Typische CDU-Frau: kleiner Kopf und gebärfreudiges Becken"
Gerade den besonders bürgerlichen Parteifreunden aus Baden-Württemberg schrieb er ins Stammbuch: "Eine große Volkspartei wie die CDU kann es sich nicht leisten, die Bedürfnisse, die Lebensperspektiven von Frauen zu ignorieren." Warme Worte, in den Wind gesprochen. Lothar Späth traf die Geisteshaltung in seinem Landesverband deutlich besser, als ihm wenige Wochen später beim Anblick von Henry Moores "Die Liegende" ein längst legendärer Satz nicht nur durch den Kopf schoss: "Typische CDU-Frau: kleiner Kopf und gebärfreudiges Becken." Natürlich waren die Lacher auf seiner Seite.
Andere in der Union nehmen die Essener Beschlüsse ernster. Zwar wird 1986 die Quote noch abgelehnt, aber immerhin beschlossen, dass Männer Ämter und Mandate nur noch entsprechend ihrem Anteil in der Partei bekleiden sollen. Die Südwest-CDU hat damals rund 95 000 Mitglieder, der Frauenanteil lag bei 17 Prozent, in vielen Parlamenten aber deutlich darunter. Dutzende Gemeinderats- und Kreistagsfraktionen bestanden überhaupt nur aus Männern. Im Landtag saßen unter 68 CDU-Abgeordneten zwei Frauen.
Kein Wunder, dass der Druck größer und der Ruf nach einer Quote selbst hierzulande lauter wurde. Die Südwest-Grünen hatten die Latte hochgelegt und ein Statut verabschiedet, wonach Gremien zumindest zur Hälfte mit Politikerinnen besetzt werden müssen. Die SPD arbeitete an einem Quotenbeschluss, der nur noch drei Viertel aller Ämter für Männer vorsah und diesen Anteil nach und nach auf 60 Prozent senken sollte. Ausgerechnet Helmut Kohl stärkt Rita Süßmuth, der inzwischen zur Bundestagspräsidentin aufgestiegenen Vorsitzenden der Frauen-Union, den Rücken. 1995 in Karlsruhe scheitert die Quote dennoch am massiven Widerstand der Delegierten aus Baden-Württemberg, ein Jahr später wird sie in abgemilderter Form durchgesetzt. "Wer die Quote nicht will, muss Frauen wollen", warnt Süssmuth, "vor allem, wenn es darauf ankommt."
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Ulrich Frank
am 07.02.2015