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In aller Freundschaft

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Baden-Württembergs CDU bekommt einen neuen starken Mann durch die Hintertür: Landtagspräsident Guido Wolf bricht sein Wort und verdrängt Fraktionschef Peter Hauk aus dessen Amt. Obendrein überlegt Wolf, Parteichef Thomas Strobl zu beerben. Den hatte er vergangene Woche im Mitgliederentscheid um die Spitzenkandidatur geschlagen. Seither wird um Einfluss, Macht und Posten geschachert.

"Wir alle können nicht Opposition, wollen sie zum Teil nicht können", lässt sich der finanzpolitische Sprecher der Fraktion, Klaus Herrmann, am vergangenen Wochenende in entwaffnender Offenheit zitieren. Und auch nicht lernen. Die machtgewohnte Union im Land, die Stütze der Bundes-CDU mit den traditionell besten Ergebnissen, befindet sich dreieinhalb Jahre nach dem Machtverlust in heikler Lage. Denn alle Haupt- und Nebenabsprachen rund ums Basisvotum waren davon ausgegangen, dass Landeschef Thomas Strobl das Basisvotum gewinnt. Die ganz wenigen Mahnungen vom Frühjahr, daran zu denken, dass nach dem 5. Dezember, dem Tag der Verkündung des Ergebnisses, der 6. Dezember kommt, an dem jede Strategie ihre Belastbarkeit beweisen müsse, verhallten ungehört.

Jetzt ist der Deal Makulatur. Der ehemalige Tuttlinger Landrat hat die Ellenbogen ausgefahren - und greift nach den Ämtern, die er im Wahlkampf braucht. "Ich mache den Weg frei", so Hauk nach verlorenem Kampf. Er verstehe Wolfs Anspruch. Der Noch-Fraktionschef ("Ich habe die Arbeit gut gemacht") empfiehlt dem ungeliebten Nachfolger auch noch nach dem Landesvorsitz zu greifen. Auf den Parteitag am 24. Januar in Ulm soll sich Wolf nicht nur endgültig zum Spitzenkandidaten, sondern auch zum Landesvorsitzenden wählen lassen. "Das ist eine Frage der Machtstruktur", sagt auch der stellvertretende Landes- und Fraktionsvorsitzende Winfried Mack.

Denn die Lager haben sich bereits formiert. Seit dem ersten Mitgliederentscheid vor zehn Jahren zwischen Günther Oettinger und Annette Schavan ist die Südwest-CDU gespalten. Was am Freitag, als das Ergebnis der Wahl zum Spitzenkandidaten bekanntgegeben war, sogleich deutlich wurde. In der Weinmanufaktur in Untertürkheim, wo eigentlich Strobls Sieg gefeiert werden sollte und nun Wunden geleckt wurden, sammelten sich führende Teil der Oettinger-Seilschaft: Strobl, Hauk, natürlich der EU-Kommissar selber.

Von wegen geschlossen - Teufel und Schavan geistern immer noch herum

Im Café im Haus der Geschichte wiederum feierten vor allem jene, die sich um Teufel und Annette Schavan oder später um Stefan Mappus geschart hatten - und wurden beobachtet von Hauk-Mitarbeitern, die sich an den Fensterscheiben der gegenüberliegender Fraktionsbüros die Nase platt drückten, um allfällige Überläufer zu erspähen. Von den 47 Abgeordneten, die Hauk nach dem Burgfrieden von Ulm als Fraktionschef wiedergewählt hatten - bei zehn Nein und drei Enthaltungen -, muss jetzt fast die Hälfte umschwenken und Wolf als ihren neuen Vorturner akzeptieren. Natürlich hatte Hauk auch damals die Geschlossenheit der Partei beschworen, und ebenso selbstverständlich wurde er nach Strobls Sieg nicht müde zu betonen, dass er bis 2016 gewählt sei - während hinter seinem Rücken schon an neuen Mehrheiten gezimmert wurde. Zur mühsamen Gesichtswahrung hat er die Neuwahl des gesamten Fraktionsvorstands vorgeschlagen. Nicht einmal die Erfüllung dieser Bitte wurde ihm gewährt. Er muss mit der Scheinriesen-Position des ersten Stellvertreters zufrieden sein. 

Superstrategen hatten zur Abfindung des früheren Landwirtschaftsministers, der ursprünglich selber nach der Spitzenkandidatur greifen wollte, einen Doppelzug ins Spiel gebracht: Präsident Wolf sollte in den Fraktionsvorsitz rochieren und Hauk Parlamentsvorsteher werden. Letzterer winkte allerdings ab. "Vorerst", raunen seine Unterstützer, noch sei da das letzte Wort nicht gesprochen. Immerhin, die Zumutung für die drei anderen Landtagsparteien, dass der Präsidentenjob zum Spielball bei CDU-internen Manövern wird, hätte Tradition: Schon zu Beginn der Legislaturperiode hatte die CDU Grünen und SPD erfolgreich bedrängt, den durch seine unglückliche Rolle im EnBW-Deal angeschlagenen Ex-Finanzminister Willi Stächele mitzutragen, und als der dann doch gehen musste, kam Wolf. Und jetzt sollen die Regierungsfraktionen wieder gute Miene zum bösen Spiel machen und dem Herausforderer des eigenen Ministerpräsidenten die Plattform zur Profilierung mitzimmern. SPD-Vize Wolfgang Drexler schüttelt nur den Kopf. Allein die Idee zeigt, wie es tatsächlich um den gebetsmühlenhaft seit Erwin Teufel wiederholten Spruch geht: Das Amt muss zum Manne kommen, nicht umgekehrt.

Stimmte der, hätte Hauk sich bei seiner Wiederwahl zum Fraktionschef im Frühjahr einem Gegenkandidaten Wolf stellen können, um für Klarheit zu sorgen. Vorstellbar wäre sogar gewesen, wie vor fünf Jahren bei der SPD im Land, dass mit Hauk, Strobl und Wolf gleich drei Bewerber für die Spitzenkandidatur vor die Basis treten. "Wir sind zurzeit nicht nur eine Partei ohne Unterleib", so einer der Südwestdelegierten zum Bundesparteitag in Köln mit Blick auf die vielen Länderregierungen, in denen die Union nicht mehr sitzt, "wir sind auch eine Partei ohne Übung in innerparteilicher Demokratie." Bestes Beispiel ist Strobl höchstpersönlich. Als der vor zwei Jahren, zur Untermauerung der eigenen Karriereerwartungen, stellvertretender Bundesvorsitzender werden wollte, wurde die Zahl der Vizes einfach erhöht, um eine Kampfkandidatur zu vermeiden.

Merkel-Vize hin oder her - der Makel der Niederlage bleibt Strobl

Dass der 54-Jährige am Dienstagnachmittag in Köln mit respektablen 75 Prozent der Stimmen abermals in die Bundesspitze wiedergewählt wurde, beseitigt die Probleme für die Südwest-CDU nicht. Alle Landeschefs von Oppositionsparteien in den vergangenen Jahrzehnten im Land wären mit Rücktrittsforderungen konfrontiert worden, hätten sie bei einem Basisentscheid nicht einmal ein Viertel ihrer Mitglieder hinter sich gebracht. Merkel-Vize hin oder her, der Makel dieser Niederlage bleibt. Zudem lehnen die alten Teufel-Unterstützer Strobl weiterhin vehement ab, nicht nur, weil er damals mit Argumenten weit unter der Gürtellinie Stimmung gegen Annette Schavan gemacht hatte. Die Traditionalisten nehmen ihm seinen vorsichtigen Modernisierungskurs übel.

Wolf müsse sich gegen ein zweites Machtzentrum stemmen, empfehlen die, die dem Schwiegersohn von Wolfgang Schäuble noch nie über den Weg getraut haben. Der designierte Spitzenkandidat will in den nächsten Tagen "in aller Freundschaft" über alle noch anstehenden Fragen reden - natürlich im Wissen, dass ihm die beiden anderen alles andere als freundschaftlich gesinnt sind. Und wie die Union inhaltliche Weichen stellen will, ist ohnehin völlig ungeklärt. Strobl hat dafür erneut die Basis ins Spiel gebracht. Die Gefahr, dass die Beteiligung an solch einem Entscheid dann endgültig unter die Peinlichkeitsgrenze rutscht, erscheint aber vielen viel zu groß. 

Im Januar, rechtzeitig vor dem Parteitag wird ausgeschachert sein. Dann wird wieder von der großen Geschlossenheit die Rede sein. "Alles, alles, alles" werde er dafür tun, griff Strobl in Köln zur theatralischen Wortwiederholung, dass Wolf Ministerpräsident in Baden-Württemberg wird. Der Weg ist weit - und nicht nur gepflastert mit wenig glaubwürdigen Vorsätzen, sondern auch gesäumt von Abnickern. "Wir können nicht Opposition", so CDU-Volksvertreter Karl Zimmermann, "weil wir viel zu viel ans Regieren denken."


Wie sich die Kontrahenten Strobl und Wolf selbst wahrnehmen, können Sie in den beiden Bewerbervideos um die Spitzenkandidatur <link https: www.youtube.com video _blank>hier und <link https: www.youtube.com _blank>hier sehen.


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2 Kommentare verfügbar

  • Liane
    am 10.12.2014
    Antworten
    tja, voll und richtig vorhergesagt, Kassandra :-)
    so ist das wenn Irrsinn, Gier und Macht zusammen"arbeiten"

    "Wolf wolle der Landtagsfraktion eine Satzungsänderung vorschlagen, mit der die neue Funktion eines ersten stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden geschaffen werden soll. Diesen neuen…
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