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Ziemlich beste Feinde

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Der CDU-interne Wahlkampf hat noch nicht begonnen. Und schon beharken sich der Merkel-Vize Thomas Strobl und Landtagspräsident Guido Wolf. Die zwei Aspiranten für die Spitzenkandidatur 2016 rammen munter erste inhaltliche Pflöcke ein nach dem Prinzip: Vorwärts in die Vergangenheit.

Beim Geld hört oft die Freundschaft auf. Und die politische Redlichkeit dazu, wie sich aktuell wieder einmal an der nie enden wollenden Debatte um den Länderfinanzausgleich zeigt. Den Ist-Zustand haben ausschließlich CDU-Regierungschefs mit zu verantworten: Lothar Späth drohte damit, alle Zahlungen einstellen, ohne grundlegende Veränderungen durchzusetzen; Erwin Teufel bejubelte ein Verhandlungsergebnis mit den Nehmerländern, das sich sehr schnell als noch teurer fürs Land entpuppte; an den bis heute geltenden Regelungen bissen sich in der Folge Günther Oettinger in der Föderalismusreform und Kurzzeit-Regierungschef Stefan Mappus die Zähne aus.

Natürlich wissen Wolf und Strobl um diese Hinterlassenschaften. Was sie aber nicht hindert, mit der Botschaft durchs Land zu ziehen, der traditionell prosperierende Südwesten sponsere unaufhörlich weniger emsige Nord- und Ostlichter. Das kommt prima an bei vielen, nicht nur an den Stimmtischen. Also kritisieren die beiden Schwarzen unentwegt, dass Grün-Rot nicht zusammen mit Hessen und Bayern klagt gegen die Zahlungen.

Deutlich seltener reden die beiden Anwärter auf die CDU-Spitzenkandidatur darüber, wie sie die Aufgabe schultern würden, als zehnter Ministerpräsident Baden-Württemberg in die in jeder Rede versprochene bessere Zukunft zu führen. Aber an Einlassungen wie jenen zum Länderfinanzausgleich, die der Komplexität des Sachverhalts überhaupt nicht gerecht werden wollen, zeigt sich, wohin die Reise nach 2016 gehen könnte: Ellenbogen raus und durch. "Ein MP muss auch mal für sein Land Beute machen", sagt Strobl dieser Tage. Er verlangt schon mal ein Ende der Solidarität mit den Nehmerländern und "klare Kante", er zieht gegen Kretschmanns "präsidial-philosophischen Stil" auf der Suche nach Konsens zu Felde.

Der Landtagspräsident haut noch lauter auf die Pauke

Der Landtagspräsident, in diesem Amt zum Ausgleich verpflichtet, haut als parteiinterner Wahlkämpfer noch lauter auf die Pauke: Wer die Verhandlungen zum Finanzausgleich so angehe, "muss einen Zwillingsbruder haben: Denn so blöd kann einer alleine nicht sein". Äußerungen von Oppositionspolitikern, die in früheren Jahren zu einem Sturm der Entrüstung in der CDU geführt hätten. Zumal ausgeblendet wird, dass sogar die Kanzlerin die Strategie des Grünen lobt, dass Verhandlungen zwischen Bund und Ländern mit dem Einverständnis aller Ministerpräsidenten verabredet sind – die in Bayern und Hessen inklusive – und dass bei beiden Nachbarn Forderungen laut werden, die Klage beim Bundesverfassungsgericht doch jetzt offiziell ruhen zu lassen.

Die frühe Zuspitzung des Zweikampfs um die Spitzenkandidatur, der Baden-Württemberg bis Ende November überziehen wird, überrascht selbst professionelle Beobachter. Der Tübinger Politikwissenschaftler Hans-Georg Wehling empfiehlt Wolf mehr Zurückhaltung im verständlichen Streben nach einem höheren Bekanntheitsgrad. Andere fühlen sich erinnert an den Mitgliederentscheid vor zehn Jahren. Damals zogen Günther Oettinger und Annette Schavan ebenfalls als ziemlich beste Feinde durchs Land. Ersterer ließ seine Umgebung mit harten Bandagen kämpfen, die im öffentlichen Vorwurf eines bekannten Stuttgarter CDUlers gipfelten, die Parteifreundin und Wunsch-Nachfolgerin von Teufel sei lesbisch.

Oettinger gewann, scheiterte als Regierungschef genauso wie an der Herkulesaufgabe, den gespaltenen Landesverband wieder zu einen. Diesmal werde der Mitgliederentscheid sicher einfacher über die Bühne gehen, meinte die neue Botschafterin am Heiligen Stuhl kürzlich bei ihrer Verabschiedung in Berlin, es stehe ja keine Frau zu Wahl.

Strobl verläuft sich im Gelände der Schulstrukturen

Sie könnte sich ziemlich täuschen. Wehling nennt die Verbalinjurie Wolfs an die Adresse des Ministerpräsidenten "grenzwertig". Unter landespolitischen Stallwächtern werden die neue Dünnhäutigkeit, die fehlende Souveränität des Präsidenten diskutiert, und die Tatsache, dass ihn immer öfter zu allem Überfluss sein Redetalent verlässt, wie jüngst beim Städtetag vor vielen Dutzenden Multiplikatoren. Demtsprechend machen mitten in der Sommerpause sich in der CDU-Fraktion erste Zweifel breit, ob der ehemalige Tuttlinger Landrat wirklich die richtige Wahl war.

Eine Mehrheit der Abgeordneten hatte dem eigenen Fraktionschef Peter Hauk, der ebenfalls so gern Regierungschef geworden wäre, die Gefolgschaft verweigert – gerade mit dem Argument, der Präsident könne eher punkten bei der Wählerschaft. Und zwar genau mit jenen Eigenschaften, die dem Amtsinhaber seit dem Frühjahr 2011 regelmäßig zu seinen ungewöhnlich hohen Persönlichkeitswerten weit über das Lager der eigenen Partei hinaus verhelfen. "Und jetzt holzt er plötzlich", staunt einer der Neuen, die Wolf in der vergangenen Legislaturperiode noch nicht als Fraktionskollegen kennengelernt hatten.

Zwischen 2006 und 2011 trat der zwar nicht oft ans Rednerpult im Landtag, hatte aber gelegentlich durchaus Programmatisches zu bieten. Zum Beispiel das Versprechen, mit der CDU werde es einen gesetzlichen Mindestlohn nicht geben – die Geschichte oder richtiger: Angela Merkel hat ihn überholt. Oder als er verbindliche Vorgaben zur Beseitigung des eklatanten Männerüberhangs in den Parlamenten im Land als "antidemokratisch" rüffelte. Die CDU setze darauf, dass "der Wähler mündig ist und dafür sorgt, dass die Richtigen in unseren Gremien vertreten sind". Die Geschichte hat ihn in diesem Punkt noch nicht überholt, auch weil er als Präsident jede Gelegenheit verstreichen ließ, für eine Wahlrechtsreform zu werben. Weiterhin ist Baden-Württemberg bundesweit Schlusslicht in Sachen Frauenanteil in Gemeinderäten, Kreistagen und Landtag.

Dass der Spagat zwischen Parlamentsamt und Bewerberrolle schlecht gelingen will, zeigt die jüngste bildungspolitische Debatte. Strobl, der Bundespolitiker, verläuft sich schon mal im unübersichtlichen Gelände der Schulstrukturen oder der Lehrerbildungsreform, Wolf hingegen spricht mit zwei Stimmen. Als Präsident auf Vor-Ort-Besuch gibt er sich beeindruckt von dem Engagement der neuen Gemeinschaftsschulen, mit denen Grün-Rot eine andere, bessere Lern- und Lehrkultur aufbauen will. Als parteiinterner Wahlkämpfer hingegen kündigt er die Rückabwicklung der Gemeinschaftsschulen an und will daraus "differenzierte Realschulen" machen – in der Annahme, damit erfolgreich um die Zustimmung der Mitglieder zu buhlen.

Oettinger tadelt rüde Tonlage der eigenen Partei

Sogar Landeshandwerkspräsident Joachim Möhrle sieht sich aufgerufen, der CDU interne Beratungen vor derartigen öffentlichen Festlegungen zu empfehlen: Verlässlichkeit an Schulen sei nicht dadurch zu erreichen, "dass man bei einem Regierungswechsel die Bildungspolitik der Vorgängerregierung grundsätzlich in Frage stellt".

Ein noch lohnenderes Thema für Disput und Analyse hinter verschlossenen Türen wäre der Zustand des Landesverbands überhaupt. Denn einen weiteren spektakulären Lapsus leistete sich Wolf, Verfasser leidlich witziger Gebrauchslyrik, kürzlich mit der Aussage, seine CDU sei eine "Allerweltspartei". Der solcherart mitattackierte Landesvorsitzende, der seit Jahren Spitzenämter bekleidet, widersprach prompt. Facebook-Freunde des Heilbronners sahen den Gegner, der weichgespült Mitbewerber heißt, unverzüglich gar entscheidend geschwächt. "Genug gedichtet und verbal danebengegriffen", postete einer, der "das wahre Dichtergesicht öfter genießen durfte".

Strobl dagegen wird regelmäßig beklatscht dafür, nach dem Machtverlust von 2011 Umbau und Aufbruch in Gang gebracht und das Profil geschärft zu haben. Er positioniert sich selber in verschiedenen Punkten – etwa der Gleichstellung von schwulen und lesbischen Paaren – im liberalen Unionslager, prägt zugleich aber jene rüde oppositionelle Tonlage mit, die kürzlich sogar Oettinger tadelte. Außerdem ist der inhaltliche Nachholbedarf weiterhin beträchtlich und die Versuchung, etwa in der Diskussion über den Zuzug von Flüchtlingen oder bei der in so vielen anderen Ländern längst üblichen anonymen Kennzeichnungspflicht für Polizisten bei Großdemos nach rechts wegzurutschen, latent vorhanden. Vor fast einem Vierteljahrhundert hatte die CDU, das C verleugnend, schon einmal eine Asyldebatte angeheizt, die am Ende die Republikaner in den Landtag schwemmte.

In vielen anderen Zukunftsfragen bleibt der ehemalige Generalsekretär dagegen diffus, seine Reden auf Parteitagen kleben klischee- und floskelhaft an der Oberfläche ("Baden-Württemberg ist uns Auftrag und Leidenschaft"). Dass erstmals in der Geschichte des Landesverbands einer Generation von Politikern die Aufgabe aufgetragen sei, für ihre Ideale aus der Opposition heraus zu kämpfen, bejammert er. Und in einem Aufsatz für die FAZ verriet er einmal ein bemerkenswert defensives Rezept für die Rückeroberung der Macht: "Wird der Konservative zu einer Wette beim Pferderennen gezwungen, setzt er nicht auf ein, sondern auf alle Pferde." Das sei weder sexy noch visionär – "aber es ist solide und bewahrt vor dem Ruin".


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4 Kommentare verfügbar

  • Also iie finds scho schlemm
    am 22.08.2014
    Antworten
    wenn die do innerhalb der verwandschaft so..... aber wem schreib iie dess.
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