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Tapferes Schneiderlein

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Landratsämter in Baden-Württemberg sind feste Bastionen der CDU. In Biberach steht am 11. Juli der parteilose Heiko Schmid zur Wiederwahl an, was offenbar einem schwarzen Granden nicht gefällt: Peter Schneider, amtierender Sparkassenpräsident, CDU-Landtagsabgeordneter und Ex-Landrat von Biberach.

Heiko Schmid, 55 Jahre, hat vor acht Jahren etwas geschafft, was in Oberschwaben undenkbar schien: Landrat ohne CDU-Parteibuch zu werden. Als Parteiloser, damals noch Bürgermeister von Pfullendorf, gewann er gegen den Ulmer IHK-Geschäftsführer Otto Sälzle, und damit hatten die Christdemokraten nicht irgendeinen Job verloren, sondern einen schwarzen Erbhof. Nun schien alles möglich, auch die Wiederwahl Schmids, die sogar als ziemlich sicher galt.

Doch plötzlich taucht ein Herausforderer auf: Matthias Frankenberg, 45 Jahre, verheiratet und Vater von drei Söhnen. Das CDU-Mitglied ist seit 2003 Erster Landesbeamter im Zollern-Alb-Kreis. Dahinter stecken soll Peter Schneider, der beschlossen hatte, vom Biberacher Landrat (1992–2006) zum besser dotierten Chef des Sparkassenverbands Baden-Württemberg aufzusteigen. Politisch scheint er freilich immer noch unter Phantomschmerzen zu leiden, die offenbar auch seine Ehefrau Rosemarie als Mitglied des Kreistags nicht lindern kann.

Es sah lange so aus, als ob die Wiederwahl des 55-jährigen Amtsinhabers reine Formsache sei. Die CDU im Biberacher Kreistag hatte schon bei der letzten Wahl keine Mehrheit mehr, inhaltlich gegen Schmid nichts einzuwenden und verzichtete auf die Nominierung eines Herausforderers. Aber wie das "tapfere Schneiderlein" kam plötzlich Matthias Frankenberg um die Ecke und erklärte seine Kandidatur. Nein, er sei weder gerufen noch geschickt worden, wenngleich sein Parteibuch es nahelege. Dabei bleibt er. Und plötzlich geht ein Raunen im Biberacher Kreistag um: Die Wahl wird knapp, Schmids zweite Amtszeit ist alles andere als sicher. Man könnte meinen, einem wackligen Amtsinhaber stehe ein starker Herausforderer gegenüber.

Das Trauma der CDU – wieder ein Posten weg

Dem ist aber nicht so. Zumindest wenn man den gescheiterten Versuch Frankenbergs, in Tuttlingen Landrat werden zu wollen, als Messlatte nimmt. Denn die riss er, obwohl er dort in der Nachfolge des jetzigen Landtagspräsidenten Guido Wolf als offizieller Kandidat von der CDU ins Rennen geschickt worden war. Und was sich in Tuttlingen im März 2012 abspielte, ist eine Kopie aus Biberach aus dem Jahr 2006. Frankenberg verlor mangels Mehrheit der CDU gegen den Bürgermeister Stefan Bär, der als Fraktionsführer der Freien Wähler ins Rennen ging und die Wahl zwar knapp, aber gleich im ersten Anlauf gewann. In Tuttlingen wiederholte sich das Trauma der CDU – wieder ein Posten weg. Und der Verlierer war Matthias Frankenberg, der als Neffe des früheren Regierungspräsidenten in Tübingen und heutigen Landtagsdirektors Hubert Wicker (CDU) im zarten Alter von 16 Jahren bereits CDU-Mitglied wurde und ein typisches Gewächs der Landes-CDU ist.

Der Landkreis Biberach ist das Revier von Peter Schneider. Der Ex-Landrat trommelte nicht nur in den eigenen Reihen für Frankenberg, sondern versuchte offenbar auch in anderen Fraktionen für den CDU-Kandidaten zu werben. Der Hinweis kommt aus dem Führungskreis der Freien Wähler: Schneider habe beim frisch gekürten Fraktionschef der Freien Wähler und Bürgermeister von Schemmerhofen, Mario Glaser, angerufen und unverblümt für Frankenberg Reklame gemacht. Darüber habe der Vorsitzende in der Fraktionssitzung selbst erstaunt informiert. Weiter ist zu hören, es beträfe nicht nur die Freien Wähler: "Er (Schneider) hat definitiv bei anderen angerufen." Davon will der Schemmerhofer Bürgermeister nichts wissen. Schneider habe zwar angerufen, ihm aber lediglich zur Wahl gratuliert, betont der Kommunalpolitiker, der vorher Dezernatsleiter in Schneiders Landratsamt war.

"Der Schneider hält von mir ratzfatz nix"

Auch Elmar Braun, der erste grüne Bürgermeister in Deutschland (seit 1991), blieb nicht verschont. Der Maselheimer Schultes, auch Fraktionschef der Grünen im Kreistag, bestätigt ein Telefonat mit Schneider, den er "früher" mal verehrt habe. Aber bei diesem Gespräch, das vor der Kandidatur Frankenbergs stattgefunden habe, sei es nicht um die Landratswahl gegangen, betont der 58-Jährige. "Der Anlass war ein anderer, aber vielleicht wollte er meine Stimmung testen", mutmaßt Braun sehr vorsichtig, dessen Verehrung Enttäuschung gewichen ist. "Der Schneider hält von mir ratzfatz nix!"

Einer, der kein Blatt vor den Mund nimmt, ist Eugen Schlachter. Der war früher mal grüner Landtagsabgeordneter, ist heute Vorstandssprecher der Raiffeisenbank Dellmensingen und sitzt im Biberacher Kreistag. "Warum sollten wir einen anderen Landrat wählen?", ist seine zentrale Frage, und er beantwortet sie gleich selbst: "Never change a winning team!" "Die hervorragende Position des Landkreises" belege das, warum also auf ein fremdes Pferd setzen, das wäre töricht, meint Schlachter.

"Vernünftige Gründe für die Abwahl Schmids gibt es nicht", meint auch Franz Lemli, der neue Fraktionsvorsitzende der SPD. Sein Vorgänger Werner Krug, der nicht mehr für den Kreistag kandidierte, weiß ebenfalls von dem Anruf Schneiders bei Glaser. Gerüchte kursierten freilich viele, meint Lemli, die gingen zulasten Schmids und zielten "unter die Gürtellinie". Dass die CDU nun versuche, ihre Reihen zu schließen, sei verständlich, aber "Einflussnahme auf andere Fraktionen wäre illegitim", erklärt der SPD-Fraktionsvorsitzende. "Es geht jetzt los mit der Schmutzwäsche", findet auch der altgediente Kommunalpolitiker und grüne Kreisrat Josef Weber. Aber, so seine Hoffnung, "vielleicht merken dann einige Kreisräte, was wir an einem parteilosen Landrat haben".

Sagen wir es mal so: Normal ist, dass ein Vorgänger seinem Nachfolger nicht nur das Feld räumt, sondern diesen dort auch ungestört arbeiten lässt. Gar nicht üblich ist, dass ein Vorgänger, der freiwillig seinen Posten räumte, seinem Nachfolger diesen streitig macht, indem er sich aktiv in den Wahlkampf gegen ihn einmischt. Peter Schneider, dem die "Stuttgarter Zeitung" ein "ausgeprägtes Langzeitgedächtnis" attestiert, scheint dies anders zu beurteilen. Sein Vorgänger sei so geschickt, "dass er sich nicht die Finger schmutzig macht", klagt Landrat Heiko Schmid. Das zerrüttete Verhältnis zwischen den beiden konnte nicht mal Wilfried Steuer (CDU), der legendäre Altlandrat, heilen. Es klinge irrational und sei doch nur Parteipolitik, urteilen Beobachter. Schneider würde nicht ruhen, "bevor er Schmid nicht zur Strecke gebracht hat", da sei er "ganz Jäger", sagen sie.

Konkrete Fragen wollte Peter Schneider nicht beantworten. Es sei nicht üblich, dass sich ein Vorgänger zu seinem Nachfolger "öffentlich äußert", teilte er über sein Abgeordnetenbüro mit. Er habe seit vielen Jahren keine kreispolitische Verantwortung mehr und werde sich deshalb auch nicht in diese Frage einmischen. Und noch etwas zu seiner Frau Rosemarie: Sie sei seit vielen Jahren kommunalpolitisch engagiert, deshalb auch in den Kreistag gewählt. Dies stehe in keinem Zusammenhang mit seiner politischen Tätigkeit.


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12 Kommentare verfügbar

  • Uli Wößner
    am 17.07.2014
    Antworten
    I hao da Eidruck, dr Peter Schneider ischd an Lugabeitl, wo an d'Haut a'regt,
    und was chrischdlich isch. woiß er au net,
    ond mei Kondo bei dr Sparkass däd i au kindiga, wenn e oins het ...
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