Ihr ehrgeiziger Nachfolger musste sich erst einmal zurechtfinden in den vielen bruchstückhaften Hinterlassenschaften, im schwierigen Haus, in der Themenvielfalt, die sich ihm erst nach und nach eröffnete. Der Bildungsplan gehörte nicht zu jenen Baustellen, die der 45-Jährige scharf in den Blick nahm. Eher im Gegenteil: Externe wie interne Versuche, ihm die komplexe Materie nahezubringen, kamen über "oberflächliche Erklärungen" nicht hinaus, wie ein Beamter berichtet. Nicht einmal der brieflich an ihn herangetragene Wunsch der Kirchen, sich doch an einen Tisch zu setzen, fand zeitnah Gehör.
Unter Stochs Verantwortung entstand so ein wenig systematisches Gerüst. In der tabellarischen Übersicht bekommen Fähigkeiten wie das "Anlegen und Führen eines jahrgangsübergreifenden Berufsorientierungs-, Talent- und Bewerberportfolios" denselben Stellenwert wie die Orientierung "in der modernen Gesellschaft", um "politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Fragen und Probleme kompetent zu beurteilen". Verwendete Begriffe sind überholt, die Kernthesen holprig. Vielleicht hätten Entwickler besser alles Verkopfte durch die allgemeinverständliche Überschrift "Was uns alle verbindet" ersetzt. "Wäre doch der Minister nur ein einziges Mal rechtzeitig und in Ruhe darangegangen", stöhnt einer der Erprobungslehrer.
Erst als die Thematisierung sexueller Vielfalt zum Skandal hochgekocht wurde, erwachte das Interesse des smarten Juristen. Input war angesagt, der Minister wollte nicht länger durch die Debatte irrlichtern. Leidenschaft für die Herausforderung oder gar den Elan, gemeinsam mit den Experten im Landesinstitut, im Beirat oder in den Verbänden nach Lösungen zu suchen, entwickelte er allerdings nicht. Ein Beispiel von vielen: Ende Februar schreibt die GEW-Vorsitzende Doro Moritz einen Brief an Stoch, empfiehlt, das Vorhaben im Grundsatz unterstützend, den Zeitplan um ein Jahr zu strecken. Die Antwort steht bis heute aus.
"Chaos pur", prognostiziert einer
Beim ersten Symposion für Gemeinschaftsschulleiter Anfang April lässt der Minister seinen Referatsleiter für Grundsatzfragen, Renzo Costantino, ungerührt die zu diesem Zeitpunkt schon überholte Version präsentieren. "Verwundert", sagt einer der Anwesenden, habe er zur Kenntnis nehmen müssen, wie "einer Minderheit in der Frage der sexuelle Vielfalt nachgegeben und damit eine Überarbeitungslawine ausgelöst wird". Tatsächlich verlangt das neue Arbeitspapier in nicht immer einfach zu verstehenden Ministeriums-Deutsch, "die unter den einzelnen Leitperspektiven vorgeschlagenen Kompetenzformulierungen mit fachbezogenen prozessualen und inhaltsbezogenen Kompetenzen abzugleichen". Das brauche "sehr viel Zeit, wenn es gelingen soll", sagt eine Praktikerin. "Chaos pur", prognostiziert ein frustrierter Ministerialer.
Selbst kenntnisreiche SPD-Landtagsabgeordnete aus dem Arbeitskreis Bildung zucken die Schultern, wenn der Name Stoch in Kombination mit Fragen des Bildungsplans fällt. Einen "partiellen Realitätsverweigerer" nennt ihn einer, allerdings sei die Realität mit Stellenstreichungen und Schuldenbremse eben außergewöhnlich unerfreulich. Der Minister bemühe sich doch, urteilt ein anderer im Lehrerjargon, er müsse aber "manches nacharbeiten". Noch schlechter sind zumindest einige jener Experten auf den Minister zu sprechen, die mit Hochdruck an den Fächerfassungen arbeiten, die im September fertig sein sollen. "Mal so eben", sagt einer, seien "zentrale Elemente" neu gefasst worden, weil die FAZ – siehe oben – Indoktrination gewittert hatte.
7 Kommentare verfügbar
wolfgang rauch
am 23.04.2014die unterschiedlichen kommentare zeigen indes nur eines: hin und her, her und hin. Hier äußert sich mal wieder jeder (so wie er kann). Die sexuelle vielfalt brachte das fass zum überlaufen. Sogar die gew (bildungsgewerkschaft) mahnte 1 jahr verzögerung an: lächerlich!…