Wer den verheirateten 52-Jährigen mit der markanten Brille unterschätzt, hat schon verloren. Fast immer lächelnd tritt er auf, im Präsidenten-Outfit mit dunklem Anzug und Krawatte, ein Handschlag da, ein freundliches Wort dort, landauf, landab unermüdlich unterwegs. Zum ersten Mal in der Geschichte Baden-Württembergs müsse eine Generation von CDU-Politikern aus der Opposition heraus für ihre Ideale kämpfen, jammerte jüngst der Landesvorsitzende Thomas Strobl. Wolf muss das nicht.
Der Landtagspräsident ist überall willkommen, sitzt immer in der ersten Reihe, übergibt Preise und Auszeichnungen am laufenden Band, macht sich bekannt. Er ist beliebt in einem Land, in dem die CDU wie der Ministerpräsident nicht müde werden daran zu erinnern, wer in sämtlichen Wahlkreisen die Mehrheit hat. Die Rolle sei ihm zur Vorbereitung auf Höheres auf den Leib geschneidert, sagen seine Fans, sie verleihe ihm Ruhe und Geduld.
Schlummernde Kampfeslust
"Der Wolf versucht, sich seinem Beutetiere unbemerkt bis auf geringe Distanz zu nähern", steht in Brehms Tierleben. Und weiter: "Das Opfer wird im Normalfall möglichst vollständig gefressen." Natürlich geht es so keinesfalls zu in der baden-württembergischen CDU. Aber die Internetadresse Wolf-im-Revier gibt doch einen Fingerzeig auf die schlummernde Kampfeslust. Ebenso diese Gedichtzeile: "Ich bin der Wolf / drum bin ich hier." Landtagspräsident wurde er als Nachfolger von Willi Stächele, der das schöne Amt quittieren musste, weil er als Finanzminister mit seiner verfassungswidrigen Unterschrift den EnBW-Milliardendeal am Parlament vorbei besiegelt hatte. Konsequent spielt der Wolf seither mit dem Wolf. Sein Anspruch sei, "von möglichst vielen Menschen wahrgenommen zu werden", verkündet er und lässt Wolfsmasken verteilen. Seine Homepage zieren ein Wolfskopf mit schwarzer Brille oder die Überschrift "Ein Wolf, ein Wort". Nach seiner Erfahrung verbinden "die Leute keine negativen Assoziationen mit dem Raubtier, solange es nicht unangenehm auffällt".
Nicht auffallen. Noch nicht. Dabei lässt seine Strategie nur einen Schluss zu: Er will der mächtigste Mann in der Südwest-CDU werden, Spitzenkandidat und am besten gleich auch noch Landes- und Fraktionschef dazu. Denn wollte er nicht, hätte er die Personaldebatte längst austreten und seiner Partei die Hängepartie vor den Kommunal- und Europawahlen ersparen müssen. Stattdessen brilliert er als Meister der ungenutzten Gelegenheiten. Die aktuell letzte ihrer Art ließ er am Wochenende in Donaueschingen verstreichen. Zum 65. Landesparteitag lud die Südwest-CDU, zur Tour d'Horizon, bei der viele sich bemerkbar machten, darunter Promis von Günther Oettinger bis Wolfgang Schäuble.
Nur Wolf mochte nicht reden, nicht zu Europa, nicht zu den Kommunalwahlen, nicht zu Straßenbau, Bildungspolitik oder Haushaltsanierung. Wie angetackert saß er auf dem Podium, unüberwindbar die acht Meter bis zum Rednerpult – wie ein Krater zwischen Wollen und Müssen, zwischen Können und Sollen. "Wir warten seit Wochen auf ein Zeichen", klagte eine Delegierte aus Südbaden, und "drei sind zwei zu viel", analysierte ein smarter Jungunionist.
1 Kommentar verfügbar
Ulrich Frank
am 01.04.2014Große Skepsis ist jedoch angebracht ob sich letzere gegebenfalls realisieren werden und sich der angedeutete Feinsinn durchhält. Und der Feinsinn nicht nur…