Fritz Ulrich, Viktor Renner, Walter Krause, Frieder Birzele, Reinhold Gall: In keinem anderen Ressort hat die SPD mehr Staat gemacht im Land. Immerhin 20 Jahre, seit 1952, wird das Innenministerium von Genossen geführt. Wegweisendes und Nachhaltiges haben sie auf den Weg gebracht. Ulrich wird der Aufbau einer demokratischen Nachkriegspolizei zugeschrieben und, wie weitsichtig, die Gründung der Bodenseewasserversorgung. Krause verantwortete – gegen riesige Widerstände – die große Kreisreform, die Baden-Württemberg seine heutigen Strukturen gab. Birzele war Eckpfeiler in der schwierigen Großen Koalition unter Erwin Teufel Mitte der Neunziger, kämpfte unter anderem erfolglos für die besseren bayerischen Verhältnisse in Sachen Bürgermitbestimmung. Als er die Polizei reformieren wollte, legte sich der Koalitionspartner CDU quer.
Jetzt also Gall – in großen Fußstapfen und mit großen Plänen. Bald nach Amtsantritt erkundigt sich ein Journalist, ob ihm eine Koalition mit der CDU nicht lieber gewesen wäre. Gemein nennt Gall diese Frage, im Sinne von: aufs Glatteis führend. Da will er nicht hin. Die notwendigen gesellschaftlichen Veränderungen, eine Veränderung des Bewusstseins, wären mit der CDU nicht möglich gewesen, sagt er und legt entsprechend los. "Wir machen Schluss mit der Ungleichbehandlung bei der Begründung von Lebenspartnerschaft und Eheschließung", verkündet er, kaum eingezogen ins Ministerium. Bis 2011 blieb Lesben und Schwulen in Baden-Württemberg – als einzigem Bundesland – das Standesamt vorenthalten, um sich zu verpartnern. "Wenn zwei Menschen, egal ob hetero- oder homosexuell, sich dafür entscheiden, ihr Leben gemeinsam zu verbringen und füreinander zu sorgen, dann sollen sie dieselben Rechte und Pflichte haben", so Gall, der gleich auch noch eingetragene Lebenspartnerschaften im öffentlichen Dienst gleichstellte. Die Aufhebung der Residenzpflicht für Asylbewerber folgte sowie ein Rückführungsstopp für Sinti- und Roma-Familien in den Kosovo.
Häutungen ja, Frauenquote nein
Von einschlägigen Organisationen und Verbänden gab es viel Beifall. Grüne Innenpolitiker frohlockten in der Erwartung, doch einen gehäuteten roten Modernisier an ihrer Seite zu haben. Der Feuerwehrmann und Hobbykoch, der schon mal Kurse veranstaltet und eine Rezeptsammlung ("Aus der feinen roten Küche") herausgegeben hat, will bei den Leuten sein, will auf sie hören. Und blendet sein Weltbild Störendes doch aus. Zum Beispiel das, was ihm Frauenpolitikerinnen zuriefen. Seit der Vater zweier Söhne den Weg zur gesetzlichen Frauenquote auf Kommunalwahllisten nicht mitgehen wollte, ist sein Verhältnis zu den Grünen kühler. SPD-Justizminister Rainer Stickelberger hätte nach eigenem Bekunden die Klage gegen ein Parité-Gesetz nach französischem Vorbild zur 50-prozentigen Frauenbeteiligung riskiert, weil "wer vorangehen will, Spielräume austesten muss". Gall dagegen grätschte nicht nur dem Koalitionspartner in die Parade, er wollte – im Falle einer Niederlage vor Gericht – nicht dastehen als einer, der Regieren nicht kann. Und die Genossinnen waren nicht stark genug, um mehr durchzusetzen als die freiwillige Verpflichtung. Störrisch sei er gewesen, wird eine SPD-Abgeordnete später sagen, "aber Männer nennen das ja hartnäckig".
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K21
am 07.08.2013wenn die S21 Gegner angeblich so gefährlich sind dass sie von der Polizei und dem Verfassungsschutz überwacht werden müssen, was ich in hohem maße in Zweifel ziehe,l stellt sich mir die Frage warum werden die meist rechten…