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Deal und Dilettanten

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Im EnBW-Untersuchungsausschuss aufgedeckte Kungeleien und Kontakte zwischen Ex-Ministerpräsident Mappus und CDU-Abgeordneten zeigen eindrucksvoll, dass der schwarze Filz lebt und die Rolle des Sündenbocks am besten ein Investmentbanker oder ein Rechtsanwalt übernehmen soll.

Flankiert von drei Anwälten erschien Stefan Mappus im EnBW-Untersuchungsausschuss am 14. Juni 2013. Sein ebenfalls geladener Freund aus Junge-Union-Tagen, Dirk Notheis, fehlte. Entschuldigt, immerhin. Der frühere Deutschlandchef der Investmentbank Morgan Stanley hatte seinen Anwalt mit einem ärztlichen Attest in den Landtag geschickt. Notheis sei "schwer erkrankt, nicht reise- und verhandlungsfähig", las der Ausschussvorsitzende Klaus Herrmann (CDU) vor, "sollte er trotzdem teilnehmen, sind bleibende gesundheitliche Folgen nicht auszuschließen".

Möglicherweise hat es für Notheis bereits bleibende berufliche Folgen, dass er im Herbst 2010 die Landesregierung beim Rückkauf des EnBW-Aktienanteils vom französischen Staatskonzern EdF beriet. Weil, abgesehen von der verfassungswidrigen Umgehung des Parlaments, der Kaufpreis von 4,7 Milliarden Euro möglicherweise überhöht war, wird seit Ende Juni 2012 gegen Notheis wegen Verdachts auf Beihilfe zur Untreue ermittelt. Unmittelbar darauf schied er aus dem Morgan-Stanley-Vorstand aus. Arbeitslos blieb er nicht lange: Seit 1. April dieses Jahres ist er Geschäftsführer bei Rantum Capital, einem sogenannten Finanzdienstleister für Mittelständler.

Wegen der laufenden Ermittlungen hatte Notheis schon vor der zurückliegenden Ausschusssitzung erklärt, von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Nun ist er für die nächste Sitzung am 19. Juli erneut geladen und wird wohl dann auch nichts sagen – wenn er denn erscheint.

Dass Notheis kommt, am besten etwas sagt, zumindest aber ausgiebig befragt werden kann, ist besonders für die CDU- und FDP-Mitglieder im Ausschuss von Bedeutung. Denn Strategie der Oppositionsparteien ist seit Konstituierung des Ausschusses im Dezember 2011, Mappus und Notheis allein für den Deal verantwortlich zu machen.

Das klare Kommando lautet: "Alles über Notheis"

Dass Notheis immer wieder eigenmächtig gehandelt habe, stützte auch der Anwalt Martin Schockenhoff von der Kanzlei Gleiss Lutz bei seiner Befragung am 14. Juni. Schockenhoffs Kanzlei beriet das Land bei dem Deal. Der Rechtsanwalt erklärte, nicht nur die Mandatierung von Gleiss Lutz sei über Notheis erfolgt, sondern auch die gesamte Kommunikation. "Die Weisung, die mir erteilt wurde, war: Alles über Notheis."

Von Notheis stamme die Information, dass Mappus den Aktienkauf am Landtag vorbei durchziehen wolle, wenn sich das "nur irgendwie begründen" ließe. Schockenhoff betonte, Mappus sei eher bereit, "verfassungsrechtliche Risiken einzugehen, als dass ein anderer die Anteile wegerwirbt". Zweimal habe Gleiss Lutz auf Restrisiken hingewiesen, wenn man den Weg über Notbewilligungsrecht gehe – wiederum nur gegenüber Notheis. Mit Mappus direkt habe die Kanzlei keinen Kontakt gehabt, während sie einen rechtlich gangbaren Weg des Deals geprüft habe, so Schockenhoff – erst danach, als die Entscheidung schon gefallen sei.

Mappus selbst bestritt am 14. Juni einmal mehr, von irgendwelchen verfassungsrechtlichen Risiken gewusst zu haben. Er bezeichnete Schockenhoffs Darstellung als "unwahr", "ehrenrührig" und eine "Risensauerei" und wiederholte seine frühere Aussage: "Wären von Gleiss Lutz auch nur ansatzweise Zweifel an der Gangbarkeit dieses Weges geäußert worden, hätte ich die Transaktion sofort abgebrochen." Für CDU und FDP hätte es vermutlich dennoch eine gewisse Entlastungsfunktion, wenn die Darstellung eines eigenmächtig handelnden Notheis' zutreffen würde. Fast hoffnungsvoll wirkte es jedenfalls, als FDP-Obmann Andreas Glück im Anschluss an Schockenhoffs Befragung von Mappus wissen wollte, ob dieser es für möglich halte, dass Notheis eine größere Rolle bei dem Deal als gedacht gespielt habe. "Nein, das halte ich nach Kenntnis seiner Person für ausgeschlossen", antwortete Mappus.

Im Fokus: Mauscheleien von Ausschussmitgliedern mit Mappus

Schwer vorstellbar, dass Notheis am 19. Juli mit einer neuen Version aufwarten wird. Ziemlich sicher ist aber, dass sich die Freude der Landes-CDU über die im Anschluss an ihn geladenen Zeugen in Grenzen hält: Das ehemalige Ausschuss-Mitglied Winfried Mack und Landtagspräsident Guido Wolf (beide CDU) sollen sich zu den seit Februar bekannt gewordenen Kungeleien zwischen CDU-Abgeordneten aus dem Ausschuss und Mappus äußern. Diese Episode zeigt, dass Mappus' alte Seilschaften in der Partei noch gut funktionieren.

Drei Ausschussmitglieder sind bereits zurückgetreten, weil sie interne Dokumente an Mappus weitergeleitet hatten. Den Anfang machten im Februar ausgerechnet die beiden wichtigsten Unionsleute in dem Gremium, der Ausschussvorsitzende Ulrich Müller und CDU-Obmann Volker Schebesta.

Müller, Abgeordneter des Wahlkreises Bodensee und bislang eher im Ruf eines untadeligen Parlamentariers, hatte sich dabei als ergiebigste und bei der Übermittlung fantasievollste Informationsquelle für den Ex-Ministerpräsidenten erwiesen. Die beiden waren mehrere Jahre enge Weggefährten gewesen: Als Müller von 1998 bis 2004 baden-württembergischer Umwelt- und Verkehrsminister war, diente Mappus als sein Staatssekretär.

Um Mappus den zunächst vertraulichen Regierungsbericht zum EnBW-Deal zukommen zu lassen, traf sich Müller mit ihm im Februar 2012 nachts auf einem Autobahnparkplatz zwischen Stuttgart und Pforzheim. Wo genau das konspirative Treffen stattfand, konnte er dem Untersuchungsausschuss nicht mehr sagen. Weniger spektakulär übermittelte CDU-Fraktionsmanager Schebesta Unterlagen an Mappus: Unter anderem verschickte er an den Ex-Ministerpräsident SMS direkt aus den Sitzungen.

Im Februar forderte der CDU-Fraktionsvorsitzende Peter Hauk die Christdemokraten im Landtag ultimativ dazu auf, eventuelle weitere Kontakte zu Mappus offenzulegen. Weitere Bekenntnisse gab es damals keine. Erst als der U-Ausschuss Anfang Juni neue Akten von der Staatsanwaltschaft erhielt, stellte sich heraus, dass auch der stellvertretende CDU-Landesvorsitzende und Fraktionsvize Winfried Mack eine ausschussinterne Mail an Mappus geschickt hatte. Dieser Vorgang sei ihm "nicht mehr präsent" gewesen, sagte Mack – und räumte ebenfalls seinen Platz im Ausschuss.

Landtagspräsident Guido Wolf nannte daraufhin Macks Handlung "fraglos einen Fehler" und einen Verstoß gegen das Untersuchungsausschussgesetz. Pikanterweise geriet unmittelbar danach Wolf selbst in den Fokus des Ausschusses, als bekannt wurde, dass er bereits am 10. Oktober 2012 von Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) darüber informiert worden war, dass ein Ausschussmitglied offenbar Unterlagen an Zeugen weitergegeben habe. Wolf bestätigte den Erhalt des Briefs, bestritt aber, sich durch seine Untätigkeit unkorrekt verhalten zu haben. Denn es habe schließlich keine Anhaltspunkte für eine Straftat gegeben.

Grüne und SPD vermuten dagegen, Wolf habe seine kungelnden Parteifreunde decken wollen, weswegen sie ihn vor den Ausschuss geladen haben. Das Amt des Landtagspräsidenten scheint der CDU in dieser Legislaturperiode kein Glück zu bringen – Wolfs Amtsvorgänger Willi Stächele war das erste CDU-Mitglied, das über den EnBW-Deal stolperte. Als Finanzminister unter Mappus hatte er durch seine Unterschrift den Aktienkauf am Parlament vorbei mithilfe des Notbewilligungsrechts ermöglicht, was sich später als verfassungswidrig herausstellte, worauf Stächele im Oktober 2011 als Landtagspräsident zurücktrat.

Quasi als Retourkutsche hat die CDU am 19. Juli Stickelberger als Zeuge geladen. "Scheinheilig" nennt der CDU-Obmann Fragen zu den Mappus-Kontakten. Dass die Nerven bei der CDU blank liegen, zeigte sich auch im Ausschuss: Nachdem sich Mappus geweigert hatte, Fragen zu den Kontakten mit Ausschussmitgliedern zu beantworten, bohrten nur die Obleute der Grünen und der SPD, Ulrich Sckerl und Sascha Binder, nach - was bei Mappus verpuffte, und die CDU-Ausschussmitglieder auf die Palme brachte.

Auch der Rechnungshof-Chef trifft sich mit Mappus

Im Anschluss an die Befragung attackierten die Obleute der Opposition nicht etwa Mappus, sondern die Vertreter der Regierungsparteien. "Wie hier heute manche Kollegen einen ehemaligen Parlamentarier und ehemaligen Ministerpräsidenten geschulmeistert haben, das schadet dem Ansehen des Untersuchungsausschusses, das schadet dem Parlament, und es schadet Baden-Württemberg", entrüstete sich Andreas Glück (FDP). Ein "Armutszeugnis für diesen Untersuchungsausschuss" nannte CDU-Obmann Throm gar die Nachfragen von Sckerl und Binder. "Ich muss feststellen, dass die Scheinheiligkeit von Grün-Rot hier im Ausschuss nicht zu überbieten ist".

Nicht als Motor der Aufklärung tat sich in Zusammenhang mit dem EnBW-Deal Max Munding hervor, Präsident des Landesrechnungshofs und CDU-Mitglied. Er ist am 19. Juli ebenfalls vor den Ausschuss geladen – bereits zum zweiten Mal. Stand bei Mundings erster Befragung am 13. Juli 2012 das damals neue Gutachten des Rechnungshofs zu dem Aktienkauf im Mittelpunkt, wird es nun ebenfalls um Kontakte zu Mappus gehen, die er erst zögerlich im Juni eingeräumt hatte.

So habe Mappus im vergangenen Jahr, nachdem er für das Gutachten offiziell beim Rechnungshof angehört worden war, bei Munding "kurz vorbeigeschaut". Angeblich ein "Höflichkeitsbesuch", bei dem es nicht um den EnBW-Deal gegangen sei. In der Zeit der Anfertigung des Gutachtens sei es zudem zu "einigen wenigen Zufallsbegegnungen" mit Mappus und Notheis gekommen, bei denen die EnBW aber auch keine Rolle gespielt habe, wie Munding versicherte. Die Frage, ob Mappus Einfluss auf das Gutachten zu nehmen versuchte, wird dem obersten Rechnungsprüfer des Landes am 19. Juli wohl gestellt werden.

Lange hatte sich der Rechnungshof-Präsident gegen eine Prüfung des EnBW-Deals gesperrt. Erst im November 2011 begann die Behörde auf Wunsch der Grünen- und SPD-Fraktionen im Landtag mit einer Prüfung des Deals.

Wegen seiner wachsweichen Haltung hatte Munding schon zuvor für internen Unmut gesorgt. Bei einer Sitzung des Landtags-Finanzausschusses im Dezember 2010 hatte er eine kritische Sicht des Rechnungshofs zum EnBW-Deal so verwässert dargestellt, dass dies nicht nur der damalige Finanzminister Willi Stächele (CDU) als Zustimmung zu dem Milliardengeschäft verstand. Rechnungshof-Direktorin Hilaria Dette und Vizepräsident Günther Kunz, die ebenfalls anwesend waren, seinen davon regelrecht "empört" gewesen.

Auch Dette ist am 19. Juli zum zweiten Mal in den Ausschuss geladen – nicht als Zeugin, sondern als Sachverständige. Die Prüferin war federführend bei der Verfassung des Rechnungshof-Gutachtens, das der Landesregierung und Morgan Stanley ein vernichtendes Urteil ausstellte, wonach der Deal niemals hätte stattfinden dürfen.


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1 Kommentar verfügbar

  • gravity
    am 12.07.2013
    Antworten
    "Mappus selbst bestritt am 14. Juni einmal mehr, von irgendwelchen verfassungsrechtlichen Risiken gewusst zu haben."

    Herr Polizist, ich wusste nicht, dass ich bei rot nicht über die Ampel fahren darf! Unwissenheit scheint in gewissen Kreisen vor Strafe zu schützen (in anderen Kreisen dafür…
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