"Irgendwann", das ist anderen zu unbestimmt. "Wir sind noch nicht in Regierungsverantwortung", sagt Jörg Meuthen, der neue und alte Bundesvorsitzende, als er begründen soll, wieso der "inhaltliche Parteitag" zur Renten- und Sozialpolitik anders als beschlossen 2019 doch nicht stattfand. Aber weil er über kurz oder lang regieren will, ruft er nach einer "Brandmauer gegen rechts". Alexander Gauland, der erste AfD-Ehrenvorsitzende, spricht sogar von einem "klugen Eröffnungsschachzug unseres Freundes Björn Höcke". Gemeint ist dessen briefliches Angebot an den CDU-Anführer Mike Mohring, einer von ihm geführten CDU-AfD-Regierung in den Sattel zu helfen.
Die Zeiten des Wahlkampfs und der gegenseitigen Angriffe sei nun vorbei, steht darin zu lesen. Der Heros des rechtsextremen "Flügels" bietet der CDU ganz konkrete Zusammenarbeit an: "Eine von unseren Parteien getragene Expertenregierung oder eine von meiner Partei unterstützte Minderheitsregierung wären denkbare Alternativen zum ,Weiter so‘ unter Rot-Rot-Grün." Eben jene Konstellation auf Bundesebene hat Alexander Gauland im Blick: Wenn Grün-Rot-Rot eine Option werde, dann solle CDU-AfD auch eine werden. Seine Vision ist eine AfD, die in Wahlen so stark wird, "dass es nicht mehr länger möglich ist, uns von der Gestaltungsmacht auszuschließen".
Klingt nicht nach Brückenbau
Die Welt als Wille und Vorstellung. Viele Sätze aber klingen ganz und gar nicht nach Brückenbau. Gauland nennt dieselbe CDU, mit der er womöglich eines Tages koalieren will, kurzerhand "verrottet". Stephan Brandner, der eben erst von den anderen Parteien im Bundestag über alle ideologischen Grenzen hinweg als untragbar geschasste Vorsitzende des Rechtsausschusses, spricht von CDU-PolitikerInnen als "Merkels Spießgesellen" (und bezeichnet die SPD als "Sozialfaschisten"). Kai Gottschalk, einer der wenigen früheren SPD-Genossen unter den vielen Ex-Unionspolitikern in den AfD-Reihen, donnert in die Braunschweiger Parteitagshalle, dass für alle "sozialen Fehlleistungen der Altparteien" Polizisten ihren Kopf hinhalten müssten. Und dass die AfD inzwischen Freiwild sei in diesem Land und Innenminister Horst Seehofer "bei jedem IS-Rückkehrer Schmiere steht". Derselbe Kai Gottschalk unterliegt bei den Beisitzer-Wahlen Andreas Kalbitz, dem Strippenzieher vom rechtsextremen Flügel. Nicole Höchst, die gegen den neuen und alten Parteichef Jörg Meuthen deutlich unterlag, "schämt" sich dafür, überhaupt mal in der CDU gewesen zu sein. Berüchtigt wurde sie mit dem Satz "Der Schnauzer trägt jetzt Raute", einer Gleichsetzung von Hitler und Merkel, die sie selbst in Braunschweig nicht zurücknehmen mag.
Bisher jedenfalls fruchtet das Kreidefressen nicht. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder macht es kurz: "AfD ist Feind." Das hat mit vielem zu tun und – streng inhaltlich – vor allem mit einem Megathema, dass die Unionsparteien von den selbsternannten Brückenbauern trennt, da können Letztere noch so wortreich die Zusammenarbeit in den Kommunen preisen: Niemand von Verstand in der Union wird bereit sein, den Klimawandel zu leugnen. Erst dieser Tage war Horst Seehofer in der ARD zu sehen mit dem Eingeständnis, die Unionsparteien hätten das Thema "übersehen" und Besserung sei nötig.
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Waldemar Grytz
vor 1 WocheDie Frankfurter AfD-Fraktion geht nun juristisch gegen das Schild vor. Wie zunächst die "Frankfurter Rundschau" berichtete, verlangt die Fraktion von Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD), dass es abgehängt und bis kommenden Dienstag eine Unterlassungserklärung abgegeben wird. Die Abmahnung, ließ die AfD-Fraktion über die Anwaltskanzlei Höcker verschicken.