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AfD-Beilage und die "Badische Zeitung"

Wirtschaftlich unbedeutend

AfD-Beilage und die "Badische Zeitung": Wirtschaftlich unbedeutend
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Freiburgs bekanntester Rechtsextremist durfte in einer Beilage für die Wochenzeitung "Der Sonntag", eng verbunden mit der "Badischen Zeitung", seine flüchtlingsfeindliche Propaganda verbreiten. Das kam gar nicht gut an beim liberalen Publikum.

Aufgeklärte LeserInnen der "Badischen Zeitung" (BZ) dürften verwundert gewesen sein, als sie am 6. Dezember die kostenlose Wochenzeitung "Der Sonntag" aus ihren Briefkästen zogen. Im Lieferumfang enthalten eine Beilage namens "Stadt im Blick", kostümiert als journalistisches Produkt mit zwölf Seiten, deren Aufmachung an eine Boulevard-Zeitung erinnert. Dass die AfD dahintersteckt, ist nicht auf Anhieb zu erkennen, erst im Impressum findet sich ein dezenter Hinweis. Lediglich Überschriften wie "Corona-Wahnsinn und kein Ende!", "Migrationshotspot Freiburg" und "Staatsknete für Linksextreme?" deuten an, dass die Blattlinie nicht die allerprogressivste ist.

Auf den Seiten 6 und 7 findet sich schließlich das "große alternative Stadtrat-Interview" mit den AfD-Politikern Detlef Huber und Dubravko Mandic, welche die Gelegenheit nutzen, über einen "linksextrem dominierten Gemeinderat" zu schwadronieren. Aber Moment mal … Dubravko Mandic? Da klingelt irgendwas. Das ist doch der Mann, den einen Nazi zu nennen, laut der Freiburger Staatsanwaltschaft, eine legitime Position im öffentlichen Meinungskampf darstellt.

Kaum inhaltliche Unterschiede zur NPD

"Von der NPD unterscheiden wir uns vornehmlich durch unser bürgerliches Unterstützerumfeld, nicht so sehr durch Inhalte." [Dubravko Mandic auf Facebook]

Szenen aus einem Gerichtsprozess im September 2013. Eine Minderjährige schildert die Folgen einer Vergewaltigung: Schulabbruch, Weinkrämpfe, Schlafstörungen, Depression. Doch dem Mädchen, zum Zeitpunkt der Tat 15 Jahre alt, gibt der Rechtsanwalt und -extremist Dubravko Mandic eine Mitschuld an dem Verbrechen. Sie habe seinen Mandanten "offensiv angetanzt" und ihn dadurch erregt, sagt er in seinem Plädoyer: "Eine Vergewaltigung findet nicht unabhängig von sexuellen Reizen statt."

Im April 2016 fällt Mandic als "Alter Herr" der Burschenschaft Saxo-Silesia auf, über deren Umtriebe die "Badische Zeitung" ausführlich berichtet. Das Blatt zitiert aus einem Schreiben des Vorsitzenden des Hausvereins: "Am heutigen Montag um 09.00 Uhr befanden sich immer noch 'feiernde' Personen auf dem Haus; gleichzeitig wurden Nazilieder abgespielt und 'Heil Hitler' gebrüllt und dies alles so lautstark, dass es auch die Nachbarschaft und Passanten auf der Straße hören konnten." Eingeladen habe Mandic, den man, so ein weiterer Vorwurf, bei anderer Gelegenheit dabei beobachten konnte, wie er umliegende Straßen vom Balkon des Burschenschafthauses mit Musik der verbotenen Neonazi-Band Landser beschallt haben soll. Mandic hat die Vorwürfe bestritten, laut BZ sei es bei der burschenschaftsinternen Überprüfung nicht gelungen, dem Anwalt "direkte Verfehlungen" nachzuweisen.

Dennoch ist die Weste nicht blütenweiß. Der 40-Jährige nannte den früheren US-Präsidenten Barack Obama öffentlich einen "Quotenneger", den amtierenden Freiburger Oberbürgermeister will er "aus dem Amt jagen", wegen Nötigung einer Journalistin wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt, vor dem SWR-Gebäude in Baden-Baden drohte er JournalistInnen, sie "aus ihren Redaktionsstuben zu vertreiben". Am vergangenen Dienstag wurde er vor dem Freiburger Amtsgericht wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt, nachdem er bei einer Prügelei mit politischen Kontrahenten Reizgas eingesetzt hatte.

Kurzum: Der Mann, der seit Mai 2019 für die AfD im Gemeinderat sitzt, ist in Freiburg und darüber hinaus kein Unbekannter. Umso sonderbarer erscheint die Entscheidung des Badischen Verlags, dem wohl bekanntesten Rechtsextremisten der Region eine Plattform in gut getarnter Anzeigenform zu geben. Weniger verwunderlich ist dagegen der Shitstorm, den sich die Zeitung bei ihrem Publikum eingehandelt hat.

Junge Union bis Linksjugend: Alle sind schockiert

Bereits am Erscheinungstag der Beilage sieht sich der Verlag, dem der liberale Lord Ralf Dahrendorf als Säulenheiliger gilt, zu einer Stellungnahme veranlasst – nachdem ihm "einige Leser irritiert" erschienen. Grundsätzlich wird die Entscheidung aber noch verteidigt. Bei den Kriterien, welche parteipolitischen Werbeinhalte man annehme, spiele das "Prinzip der Gleichbehandlung der politischen Akteure die entscheidende Rolle" (im Original gefettet). Weiter: "Wir nehmen die Werbung aller für Wahlen zugelassenen Parteien entgegen, sofern diese Werbung keine ehrverletzenden, diskriminierenden, rassistischen oder verfassungswidrigen Inhalte enthält."

Wie das dazu passt, dass Flüchtende in der Beilage als "Fracht" von Schleppern entmenschlicht werden, die ganz genau wüssten, "für den letzten Kilometer werden schon die dummen Deutschen" aufkommen, erläutert die BZ nicht.

In einem offenen Brief und in ungewohnter Einigkeit wenden sich die Freiburger Jusos, die Grüne Jugend, die Jungen Liberalen, die Junge Union und die linksjugend[‘solid] an den Verleger Wolfgang Poppen. Darin heißt es, sie seien schockiert, "dass sich die Badische Zeitung auf diese Weise instrumentalisieren lässt" und "als journalistische Einheit das Verbreiten von Fake News, Hass und Hetze" unterstütze. Die Gruppe Aufstehen gegen Rassismus Freiburg kommentiert: "Die BZ verteilt Werbung derer, die sie als 'Lügenpresse' verteufeln und die freie journalistische Presse abschaffen wollen. Damit schadet sie sich selbst und unterstützt rechte Kräfte." Der Deutsche Gewerkschaftsbund weist darauf hin, dass "Der Sonntag" mitsamt Beilagen in aller Regel von unterbezahlten MigrantInnen verteilt werde.

Die BZ hat einen schrecklichen Verdacht

Am 7. Dezember folgt eine zweite Stellungnahme. Diesmal unterzeichnet von Verleger Wolfgang Poppen und Thomas Fricker, dem Chefredakteur der BZ. "Eine Zeitung des Badischen Verlags verbreite menschenverachtende, rassistische AfD-Propaganda und verdiene auch noch Geld damit – das ist der Hauptvorwurf. Er trifft uns schmerzlich", lassen sie wissen. Die Werbung anzunehmen, sei auch intern umstritten gewesen. Da sie aber nicht eindeutig justiziabel sei, habe man vor einem Dilemma gestanden.

 Im gewundenen BZ-Deutsch liest sich das so: "Sollten wir der AfD die Gelegenheit bieten, sich als von der vermeintlich bösen Systempresse unterdrücktes Opfer in der Märtyrerrolle zu inszenieren, oder sollten wir den Nutzern des 'Sonntag' eine zweifelhafte Beilage zustellen im Wissen, dass dies Leser empört, aber in der Hoffnung, dass diese die AfD-Broschüre spontan als Werbung klassifizieren und gegebenenfalls der Papiertonne zuführen würden? Vor diesem Hintergrund fiel der Beschluss, den Beilagenauftrag – wirtschaftlich übrigens unbedeutend – regulär abzuwickeln." Knapp muss es gewesen sein: "Es war eine 51- zu 49-Prozent-Abwägung, und sie war im Ergebnis falsch." Schwierig eben, wenn man der Meinung ist, dass es "unrichtig" wäre, der AfD "jeden demokratischen Charakter abzusprechen" und sie "in toto" dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen.

Außerdem – endlich kommt Mandic ins Spiel – habe man die handelnden Personen zu wenig "in den Blick genommen". Verlag und Chefredaktion erkennen an, dass dieser "sich wiederholt als Gegner von Demokratie und Meinungsfreiheit" positioniert habe, und sie relativieren schon im darauf folgenden Absatz: "Der Versuch, der gesellschaftspolitischen Vielfalt und Zerrissenheit in Freiburg auch durch das Verbreiten randständiger Positionen Rechnung zu tragen, stößt dann an Grenzen, wenn sich einzelne politische Akteure außerhalb des demokratischen Grundkonsenses stellen. Zumindest dieser Verdacht liegt bei Mandic immer wieder sehr nahe." Jetzt also nur noch ein Verdacht?

Anzeigenerlös wird gespendet

Auch mit Stellungnahme Nummer 2 ist der Streit noch nicht befriedet. Mehr als 80 Kommentare laufen online ein, die wenigsten sind verständnisvoll. Es vergehen weitere fünf Tage, dann folgt eine weitere Meldung in eigener Sache. Zwar wolle der Badische Verlag weiterhin ein "breites Spektrum an politischen Positionen zulassen" und eine "demokratische Debatte ermöglichen". Aber "als Zeichen, dass die genannte Beilage von diesem Maßstab nicht gedeckt war und der Badische Verlag sich daran nicht bereichern will, wird der Erlös gespendet".  5000 Euro kommen nun dem Verein "Geraubte Kinder – vergessene Opfer" zugute, der sich um Betroffene kümmert, die als Kinder von der SS verschleppt worden sind. "Ein weiterer Betrag" fließe zudem in die (hauseigene) Aktion Weihnachtswunsch.

Braunkohle stinkt

Im August 2017 entschied sich das Anzeigenblatt "Stuttgarter Wochenende", den AfD-nahen "Deutschland-Kurier" beizulegen. Nicht nur wegen der 10.000 Euro, die das einbrachte, sondern auf Basis grundsätzlicher Erwägungen, wie Bernhard Reese gegenüber Kontext betonte. Als ein Geschäftsführer des Medienkonzern SWMH, zu dem auch "Stuttgarter Zeitung", die "Stuttgarter Nachrichten" und die "Süddeutsche Zeitung" gehören, sah er kein Problem darin, eine Plattform für rechte Propaganda zu bieten, sondern eine Tugend: Denn demokratietheoretisch betrachtet, so der Manager, müssten auch solche Meinungen einen "Marktplatz" finden. Eine Kostprobe: Deutsche Frauen würden alles mögliche über sich ergehen lassen, schreibt dort ein Autor, "nicht selten mit der Machete an der Kehle. Um dann von einer Dame namens 'Justizia' zynisch gemessert zu werden, warum sie gar nicht … oder nicht laut genug geschrien haben …" (Auslassungen im Original). (min)

Nun könnte man den BZ-Checkern noch zugute halten, dass die AfD-Beilage rhetorisch etwas gemäßigter auftritt als Mandic bei anderen Gelegenheiten. Doch dahinter steckt Kalkül. So befürwortete er wiederholt eine Zusammenarbeit zwischen der AfD und der rechtsextremen Identitären Bewegung (IB) – nur zu offensichtlich sollte sie nicht sein. 2016, also vor bereits vier Jahren, empfahl Mandic, Vorstände der Jungen Alternative oder AfD sollten nicht "gleichzeitig in führender Funktion bei der IB tätig sein". Das geschehe auch, um einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu entgehen. "Dies ist unser Tribut an das System", so Mandic.

Wie schrieb doch der langjährige "konkret"-Herausgeber Hermann Gremliza in seiner letzten Kolumne über viele Nazis, die sich nicht bei jeder Gelegenheit als solche zu erkennen geben? "Der Pfiffige ruft seine Freunde nicht zur Unzeit mit Heil Hitler! zum Tee."


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2 Kommentare verfügbar

  • Ingo
    am 17.12.2020
    Antworten
    Der Herr Mandic mag ja ein übler Geselle und verkappter Nazi sein.

    Aber gleich im einleitenden Absatz ("Szenen aus einem Gerichtsprozess"), also als einleitendes Indiz für seine Schlechtigkeit, seine Verteidigungsstrategie in einem Vergewaltigungsprozess zu bringen, ist unangemessen. Als Anwalt…
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