Dabei wurde bereits in diesem Geschäftsbericht – es war im Übrigen der erste mit Hartmut Mehdorn als Bahnchef – glasklar ausgeführt, was das in Zukunft zu bedeuten hatte: "Die Verwaltung des umfangreichen Grundbesitzes sowie die Entwicklung und Vermarktung der freiwerdenden Immobilien stellen ein langfristig angelegtes Kerngeschäft dar. [...] Für die Immobilien, die zukünftig nicht mehr betriebsnotwendig sind, verfolgt die Deutsche Bahn eine einheitliche Strategie. [...] Flächen und Gebäude ohne weiteres Wertschöpfungspotential werden veräußert. [...] Nicht betriebsnotwendige Flächen mit absehbarem Wertschöpfungspotential werden – häufig mit Partnern – als Immobilienprojekte entwickelt." Die Deutsche Bahn erklärte damals also selbst: Ab sofort sind wir ein großer Player im Bereich der Immobilienwirtschaft.
Im Folgenden müssen drei Ebenen unterschieden werden, auf denen es nach der Bahnreform zum Verkauf von Bahngelände und Bahnwohnungen kam. Erstens die laufenden Verkäufe von Bahngelände, das sich ab Ende 1996 in juristisch nicht mehr anfechtbarem Besitz der Deutschen Bahn AG befand und mit dem im Land die Immobilienspekulation regelmäßig gefüttert wurde, vornehmlich in Citylagen. Zweitens der Verkauf der Bahnhöfe, mit dem die Infrastruktur der Schiene systematisch zerstört wird. Und schließlich – drittens – der Verkauf der Eisenbahnerwohnungen, der die Schaffung des größten deutschen Wohnungskonzerns ermöglichte.
Die Deutsche Bahn AG verkaufte ab 1997 Jahr für Jahr zunehmend mehr Bahn-Immobilien und verbuchte die Erlöse als Teil ihrer Gewinne. Es gab offenkundig einen erheblichen Anreiz, Strecken, Ausweichgleise und anderes Bahngelände stillzulegen beziehungsweise als "nicht bahnnotwendig" zu deklarieren. Schließlich konnte man auf diese Weise erhebliche Sondergewinne erzielen. Es gibt leider keine belastbare Statistik, die alle diese Verkäufe zusammenfasst. Die Bundesregierung ließ 2018 mitteilen: "Für die im Eigentum der DB befindlichen Flächen werden keine Statistiken geführt." Das ist natürlich grotesk; immerhin handelt es sich dabei indirekt um Bundeseigentum.
Andererseits findet man dann, wenn man sich in die Niederungen der Geschäftsberichte begibt, dort die "Erträge aus dem Abgang von Sachanlagen und immateriellen Vermögenswerten". Dahinter verbergen sich die Erlöse aus dem Verkauf von Bahnimmobilien. Das Gesamtergebnis allein für den Zeitraum 1997 bis 2018 lautet: Die Deutsche Bahn konnte mit dem Verkauf von Bahnimmobilien Erlöse in Höhe von rund 9,5 Milliarden Euro erzielen.
Der Aurelis-Skandal
Zwei besonders große Positionen waren dabei die Erlöse aus dem Vorabverkauf des Stuttgart-21-Geländes in Höhe von 639 Millionen Euro und die Einnahmen aus dem Verkauf eines Pakets mit Bahnimmobilien, das in einem eigenen Unternehmen mit Namen Aurelis zusammengefasst wurde, in Höhe von 1,65 Milliarden Euro. Der Bahnkonzern konnte damit in dem genannten Zeitraum im Jahresdurchschnitt mehr als 400 Millionen Euro an Sondergewinnen aus Immobilienverkäufen generieren.
Der Aurelis-Deal sollte eigentlich auch heute noch für Aufregung sorgen. Denn mit der ehemaligen Bahntochter Aurelis – sie hatte nach dem Verkauf durch die DB wechselnde Eigentümer – macht die DB inzwischen interessante neue Geschäfte. 2016 beauftragte die DB AG Aurelis und ein anderes Immobilienunternehmen, Phoenix Real Estate, mit dem Bau von zwei großen Bürogebäuden in Frankfurt am Main. 2017 schloss die DB dann mit Aurelis einen Mietvertrag über 20 Jahre für diese noch gar nicht erstellten Gebäude. In den Gebäuden mit mehr als 50 000 Quadratmetern Büroflächen sollen, wenn sie fertig erstellt sind, 3000 DB-Beschäftigte einen Arbeitsplatz erhalten. Es geht dabei um eine neue Zentrale für DB Netz und um einen Sitz für die Zentrale des Personenverkehrs. Wobei die DB gleichzeitig Gebäude, die ihr gehören, aufgibt und in Zukunft in die neu errichteten Gebäude einzieht und dort hohe Mieten bezahlt.
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