Nun will ich hier nicht behaupten, dass regionale Auslandskorrespondenten angesichts der Größe ihres Berichtsgebiets den kompletten Überblick haben. Ich bin beispielsweise für 15 Länder zuständig, in denen ein Drittel der Menschheit lebt. Auch das liegt im Trend: Korrespondentenposten für Japan und China wurden während der vergangenen Jahre oft zusammengelegt. Ganz Afrika, vor zwei Jahrzehnten noch von mindestens zwei, manchmal sogar drei Posten abgedeckt, wird inzwischen meist von einem einzigen Korrespondenten betreut. Doch für sie alle gilt: Wer mit unsauberer Berichterstattung verbrannte Erde hinterlässt, wird es schwer haben, anschließend in der Region Gesprächspartner zu finden, die ihm vertrauen.
Der Edelreporter, der auch nur mit Wasser kocht, muss sich also irgendwie behelfen. Wie der Vertreter eines deutschen Wochenmagazins, der sich von mir nicht nur Ideen für Afghanistan und die Philippinen wünschte. Er hoffte, so erläuterte er über einem gepflegten Glas Weißwein am Rande des Chaopraya-Flusses in Thailands Hauptstadt Bangkok, auf meine Kontakte aus jahrzehntelanger regelmäßiger Berichterstattung aus der Region. Er versprach fürstliche Honorare und träumte von Ruhm und Ehre. Aber: "Damit wir uns recht verstehen, dein Name wird nie im Magazin erscheinen."
"Dein Name wird nie im Magazin erscheinen"
Der Mann schien tatsächlich überzeugt, dass vergleichsweise hohe Honorare den finanziell prekärer gestellten Korrespondenten in Fernost dazu bringen könnten, alle journalistischen Ambitionen an den Nagel zu hängen und fortan die Kärrnerarbeit für "schöne Geschichten" aus dem Fernen Orient zu leisten. Ich habe das grundehrlich vorgetragene Ansinnen in aller Freundlichkeit abgelehnt.
Nach Jahrzehnten als Auslands-, Krisen- und Kriegsreporter will ich mit meinem eigenen Namen über Texten stehen, die ich verantworte und verantworten kann, weil ich jeden Tag mit der Hoffnung aufwache, die Idee oder den Stoff für eine weitere wahre und faszinierende Geschichte zu finden.
Mein großer Vorteil dabei ist, dass ich meine Leute kenne. Wenn ich in Malaysia das Neueste über den Zustand der amtierenden Regierung wissen will, rufe ich einen alten Bekannten im Parlament an. Für die Wahrheit über das Blutbad auf den Philippinen, dass der dortige Präsident Rodrigo Duterte als Anti-Drogen-Kampagne ausgibt, kann ich auf Filipinos zurückgreifen, die mit den Opfern arbeiten. In Afghanistan habe ich seit meinem ersten Besuch im Jahr 1996 alte Kontakte auf allen Seiten. Und in Pakistan bin ich dank jahrelanger Arbeit nicht auf die Hilfe der Fixer und Übersetzer angewiesen, die ausnahmslos Überwachungsdienste für die Regierung leisten, die regelmäßig über die Aktivitäten von Auslandsjournalisten informieren müssen.
Die meisten Regionalzeitungen verzichten inzwischen auf eigene Auslandsberichterstattung beziehungsweise schließen sich <link https: www.kontextwochenzeitung.de medien external-link-new-window>sogenannten Redaktionsnetzwerken an, wie ich sie in Kontext beschrieben habe, oder sie verzichten ganz auf einen selbstgestalteten, eigenen überregionalen Teil. Kompetente, lange und mit Ruhe geschriebene Geschichten sind so zur Mangelware geworden. Und wer von uns ehrlich ist, muss zugeben, dass auch die eigenen Heimatredaktionen ihren Teil dazu beitragen. Sie redigieren kräftig aus "stilistischen Gründen", straffen gerne, weil ihnen die Texte "zu komplex" erscheinen, und tun es doch nur, weil ihnen eingebläut wird, das Publikum wünsche nur leicht weglesbare Geschichten.
Willi Germund, geboren 1954, berichtete aus Nicaragua (1980 bis 1990), Südafrika (1990 bis 1995) und Indien (1996 bis 2000). Seit 2001 lebt er in Bangkok, wo er als Buchautor und freier Südostasienkorrespondent für diverse Tageszeitungen und Radiostationen arbeitet. Darunter ist auch die "Stuttgarter Zeitung". <link ueberm-kesselrand bauchnabel-1392.html _blank external-link-new-window>Zum Thema Auslandsberichterstattung hat er erstmals vor sieben Jahren in Kontext geschrieben.
2 Kommentare verfügbar
Andromeda Müller
am 12.01.2019"Die illusionsmaschienerie"
https://www.rubikon.news/artikel/die-illusions-maschinerie
Nach den Journalisten Barbara Baerns in "Öffentlichkeitsarbeit oder Journalismus.Zum Einfluß im Mediensystem" und Rene Grossenbacher in…