KONTEXT:Wochenzeitung
KONTEXT:Wochenzeitung

Es geht ums Tun

Es geht ums Tun
|

Datum:

Lohnt sich ein Streik wegen ein paar Promille? Unbedingt, sagt Joe Bauer in seiner Rede bei der Streik-Kundgebung. Nicht wegen des Geldes, sondern weil es eine demokratische Pflicht ist, sich zu wehren. Gerade für Journalisten.

Ich will kurz an unseren mehr als 30 Tage dauernden Streik vom Sommer 2011 erinnern: Es war für viele von uns damals wirklich hart, nervenaufreibend und auch nicht risikolos, so lange durchzuhalten. Aber im Lauf des Streiks hat uns eine neue, vorher unbekannte Stimmung motiviert: Die meisten von uns haben nach und nach gespürt, was Solidarität bewirken kann. Was möglich wird, wenn wir uns für eine gerechte Sache zusammenraufen – und uns mit Fantasie und Freude an der gemeinsamen Aktion gegen die vermeintlich übermächtigen Gegner, nämlich die Arbeitgeber, zur Wehr setzen.

Wenn wir ihnen zeigen, dass ein Streik alles andere ist als Nichtstun. Dass Streik eine Demonstration unserer Courage und unserer Fähigkeiten ist.

Wir haben bei unserer Versammlung in Hoffeld (Freitag, 9.3., d. Red.) gehört, dass einige die Frage stellen: Lohnt sich denn ein Streik überhaupt? Ist es uns wert, für womöglich zu wenige Prozente oder ein paar Promille mehr Gehalt die Arbeit niederzulegen – und uns diesem psychischen Stress auszusetzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Liedermacher Konstantin Wecker hat mal eine Songzeile zum Sinn des Protests geschrieben, die ich mir trotz seiner Neigung zum Pathos gemerkt habe. Sie lautet: Es geht ums Tun und nicht ums Siegen. Das bedeutet: Der Gedanke an das Ergebnis darf nicht wichtiger sein als die demokratische Pflicht, uns zu wehren und zu fordern, was uns zusteht.

Mir ist klar, dass man mit Konstantin Weckers Zeile beim Motivieren und Mobilisieren nicht unbedingt Hurra-Schreie erntet. Aber klar muss auch sein: Ohne etwas zu tun, kannst du nicht siegen. Und wenn wir nichts tun, genießen wir keinerlei Respekt beim Gegner. Dann ziehen sie uns nach Belieben über den Tisch. Deshalb: Es geht ums Tun, wenn man siegen will.

Ich weiß, dass einige von uns generell und oft verallgemeinernd nicht gut auf "die" Gewerkschaft zu sprechen sind. Dazu muss ich sagen: Es gibt Gewerkschaften, die Fehler machen – wie wir –, aber für diese Gewerkschaften arbeiten an der Basis Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, die sich bis an die Grenze ihrer Kraft für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, also für uns, verausgaben.

Und speziell in unserer Gegenwart, in der uns vermutlich die härtesten politischen Auseinandersetzungen seit Jahrzehnten drohen, müssen wir unsere Organisationen stärken. Wir erleben zurzeit die Auswüchse des Neoliberalismus, wir sehen, wie die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht – und wir begegnen einem bedrohlichen, einem gefährlichen Rechtsruck. In unserem Landtag stellt die AfD mehr Abgeordnete als die SPD. Das ist unser Alltag vor der Haustür.

Jeder Arbeitskampf hat eine politische Bedeutung

Jetzt kann man fragen: Was hat das mit unserem Arbeitskampf zu tun? Ich denke, gerade heute brauchen wir starke demokratische Bündnisse, um die Angriffe auf unsere Rechte und Freiheiten zu stoppen, um uns gegen den Abbau sozialer Errungenschaften zu wehren. Viele unserer Rechte – auch das Streikrecht – wurden in der Vergangenheit durch solidarische Aktionen erkämpft.

Schon vor zehn Jahren hat der <link https: www.kontextwochenzeitung.de gesellschaft die-ungerechtigkeit-schreit-zum-himmel-4183.html _blank external-link>Armutsforscher Christoph Butterwege gewarnt: Wenn sich der Neoliberalismus mit dem Nationalkonservatismus verbindet, dann "resultiert daraus ein besonders aggressiver Standortnationalismus, der als politisch-ideologische Steilvorlage für den Rechtsextremismus wirkt". Heute wissen wir, dass er Recht hatte. Und um dagegenzuhalten, brauchen wir starke Gewerkschaften, vor allem jetzt, da Rechtsextremisten bereits eigene Betriebsräte in ihren Scheingewerkschaften in Unternehmen wie Daimler platzieren. Jeder Arbeitskampf hat deshalb eine politische, eine demokratische Bedeutung.

Es geht um noch mehr als eine gerechte Gehaltserhöhung und angemessene Bezahlung für Menschen in einem Beruf, der bei der Verteidigung der Demokratie eine wichtige Rolle spielen muss. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf niemals das Argument gelten, ein Streik lohne sich nicht, weil zu wenig Kohle rüberkommen könnte. Wir dürfen doch nicht ein Spiel aus der Hand geben, bevor wir auf den Platz gehen. Heute stehen wir bereits hier gemeinsam auf unserem Platz, und wir in Stuttgart und in weiter Umgebung haben in der Vergangenheit gezeigt, dass wir kämpfen können.

Deshalb: Es geht ums Tun – und nur mit dieser Haltung können wir auch siegen.

 

Joe Bauer, schreibender Stadtflaneur (StN) und Freund der klaren Sprache, hat die Rede am Montag, 12. März, bei einer Kundgebung von Verdi und DJV gehalten.

<link file:37276 internal-link-new-window>Hier gibt's die Rede der baden-württembergischen DJV-Vorsitzenden Dagmar Lange als PDF.


Gefällt Ihnen dieser Artikel?
Unterstützen Sie KONTEXT!
KONTEXT unterstützen!

Verbreiten Sie unseren Artikel
Artikel drucken


1 Kommentar verfügbar

  • Schwa be
    am 15.03.2018
    Antworten
    "Lohnt sich ein Streik wegen ein paar Promille?" - m.E. eine rhetorische Frage. Grundsätzlich stimme ich Joe Bauers Artikel voll zu.

    Joe Bauer schreibt: "Der Gedanke an das Ergebnis darf nicht wichtiger sein als die demokratische Pflicht, uns zu wehren und zu fordern, was uns zusteht.".
    Hier möchte…
Kommentare anzeigen  

Neuen Kommentar schreiben

KONTEXT per E-Mail

Durch diese Anmeldung erhalten Sie regelmäßig immer Mittwoch morgens unsere neueste Ausgabe unkompliziert per E-Mail.

Letzte Kommentare:






Die KONTEXT:Wochenzeitung lebt vor allem von den kleinen und großen Spenden ihrer Leserinnen und Leser.
Unterstützen Sie KONTEXT jetzt!