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Die Taschenlampe raus

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Kretschmann, Löw, Schulz, Zetsche – aber der Star heißt Döpfner. Der Springer-Chef ist der Hohepriester der Zeitungsverleger. Er hält die besten Sonntagspredigten beim BDZV-Kongress und die Stuttgarter Blätter pflegen ihn mit Hingabe.

Der deutsche Zeitungsverleger ist ein weithin unbekanntes Wesen. Was man weiß, ist, dass er überwiegend männlich, altersmäßig fortgeschritten, vermögend und eher der CDU als der Linken zugeneigt ist. Und dass er seit einigen Jahren in seiner Art bedroht ist. Wegen des Internets, Google, Facebook & Co., heißt es. Er selber spricht nicht gerne darüber, wie es ihm so geht und wo es weh tut. Dafür hat er seinen Verein, den Bundesverband der Deutschen Zeitungsverleger, kurz BDZV.

Der hat seit einem Jahr einen neuen Präsidenten. Mathias Döpfner, Zweimeterzwei groß und Vorstandsvorsitzender des Axel-Springer-Verlags. Er hat zwar die meisten seiner Papierzeitungen verkauft, an die Funke-Mediengruppe, die jetzt immer wieder in den Nachrichten auftaucht, aber das macht nichts, weil Döpfner ein Mann der Zukunft und der Zuversicht ist. Als einer der ganz wenigen macht sein Riesenladen im digitalen Geschäft Gewinne, was insbesondere an Immobilien-, Job- und Handelsportalen liegt. Nicht an "Bild" und nicht an der "Welt".

Wenn Frauen keine Miniröcke mehr tragen

Döpfner war der Star am vergangenen Montag und Dienstag in der Stuttgarter Carl-Benz-Arena. Trotz Kretschmann, Schulz und Zetsche. Man könnte auch sagen, er war der Hohepriester im Hochamt der Verleger, in dem sie in der Mühsal ihres Gewerbes wieder aufgerichtet werden sollten. Knapp zweistellige Renditen machen einfach schlechte Laune. Und dann kracht noch die Welt rund herum (Terror, Trump, Weidel), die Autokraten (Putin, Erdogan, Orban) sind auf dem Vormarsch, und wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht den Freiheitsfeinden unterwerfen. Warnt Döpfner. Dazu braucht es die Möglichmacher von Journalismus. Also die Verleger. Sonst passiert, was Michel Houellebecq prophezeit: Frauen tragen keine Miniröcke mehr, treten zum Islam über, um nicht unangenehm aufzufallen.

Nun will Döpfner nicht irgendeinen Journalismus. Er soll natürlich ein kritischer und unabhängiger sein, ein "Werkzeug der Freiheit", ein "Scheinwerfer der Aufklärung" oder zumindest eine "Taschenlampe des mündigen Bürgers". Deshalb sollen sie nicht sparen bei ihren Reportern, bei den Querköpfen in der Redaktion, bei den exzellenten Autoren, bittet er seine Kollegen. Sie sollen den aneckenden Lokalredakteur unterstützen, Proteste von Politikern ignorieren, einen Anzeigenboykott riskieren. Dafür würden sie fürstlich entlohnt, wenn auch immateriell. Mit einer "wunderbaren offenen Gesellschaft", in der wir so gerne und gut leben, in der am Ende nicht die Angst, sondern die Freiheit siegt. Verspricht der Großverleger, der "keinen Spielraum zum bangen Kompromiss" mehr sieht (die komplette Rede <link http: www.bdzv.de fileadmin bdzv_hauptseite veranstaltungen zeitungskongress2017 assets _blank external-link>gibt es hier).

Löw sagt, man müsse einen Plan haben

Danach tritt der Fußballtrainer Joachim Löw auf. Von ihm, sagt Döpfner, könnten die Kollegen lernen, "wie man das Siegen trainieren kann". Dass er selber mal eine Sportflasche war, verschweigt der promovierte Musikwissenschaftler diesmal. Löw erläutert, dafür müsse man einen Plan haben und man dürfe nicht am Status quo festhalten. Befragen lässt er sich vom Pressesprecher der Nationalmannschaft, umrahmt von einem Werbefilm des Fußballbundes, der viele Mercedes-Sterne zeigt. Später wird Daimler-Chef Dieter Zetsche ebenfalls einen Stern-Streifen vorführen und sagen, dass ihm um die Zukunft der Medienindustrie so wenig bange ist wie um das Auto. Jenes werde bald emissionsfrei und elektrisch sein und Mercedes ganz vorne. Zetsche ist wieder in Turnschuhen gekommen.

So manches Silberhaar schaut da ein wenig skeptisch zwischen Mercedes und Springer herum. Freiheit, siegen, Taschenlampe. Ist ja alles prima, hilft aber nicht, wenn die Profitrate tendenziell fällt, wenn der Aldi nicht mehr inserieren will. Manche verkaufen dann lieber, wie in Esslingen oder Böblingen. Solange sie für ihre Erbstücke noch was kriegen. Das Internet zertrümmert ihre Auflagen, zieht die Anzeigen ab, die LeserInnen sind undankbar und bezweifeln die Gültigkeit ihrer Hervorbringungen. Die Kinder der Verleger fürchten um ihre Existenzsicherung, machen lieber einen Saftladen auf.

Kretschmann will mit der Zeitung rascheln

Für den millionenschweren Springer-Chef ist das keine Option. Er hat das Große und Ganze im Blick, die Demokratie und die freie Presse, die einander bedingen. Das betonen auch der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann ("existenziell") und der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz ("zentral"). Beide Politiker präsentieren sich als Verlegerversteher, versprechen, sich für die Belange der "Qualitätspresse" einzusetzen, wobei bei Kretschmann noch Persönliches mitspielt. Er möchte sein Frühstück nicht ohne "Zeitungsrascheln" haben, und damit das so bleibt, will er die Verlage bei ihren Zustellern steuerlich stärker entlasten. Es sei ein "schlechter Scherz", meint er, wenn hier der unter Druck geratenen Branche nicht geholfen werde. Das hätte gewiss auch Horst Seehofer (CSU) in seiner Rede gesagt, wenn er hätte kommen können. Aber er hatte sich beim Oktoberfest erkältet.

Dafür war ein anderer da: Günther Oettinger (CDU). Nicht persönlich, aber rechtzeitig per Interview in den Stuttgarter Einheitsblättern. Es fehlte einfach noch eine Attacke auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (mit dem man sonst gerne kooperiert). Also durfte der EU-Kommissar sagen, was vor ihm schon Kretschmann gesagt hat, und Döpfner so nett "gebührenfinanzierte Staats-Presse" genannt hat. Dass die Textangebote von ARD und ZDF im Netz eine "scharfe Konkurrenz" seien, begrenzt und im Zweifel gerichtlich geprüft werden müssten. Tagesschau.de steht national auf Platz 13. Das haben weder der Alt- noch der amtierende MP gesagt, und das stand auch nicht in den StZN, in der sonst Vieles stand.

Beeindruckend, mit welcher Hingabe das Stuttgarter Pressehaus als Gastgeber des Kongresses zu Werke gegangen ist. Täglich zwei Seiten in Papier, Meldungen über Meldungen im Netz ("Löw spricht über seine Führungskraft"), Fotos über Fotos von Anzugmännern, alles gefertigt von einer Mannschaft so groß wie Jogis Truppe. Chefredakteure, Ressortleiter, Titelautoren, Geschäftsführer (alles Männer), Marketingpersonal – da hat sich ein sonst so sparsames Haus im Sinne der Sache, also der verlegerbasierten Demokratie, nicht lumpen lassen. Daran nicht sparen, hat der Druide Döpfner gemahnt, und SWMH-Geschäftsführer Richard Rebmann, der auch Döpfners Vize im BDZV ist, hat es wohl vernommen.

Unzufrieden waren nur die, die nicht eingeladen waren. Die Gewerkschaften. Sie hätten gerne etwas über die Folgen der alltäglichen Sparwut in den Verlagen gehört, über die zusammengelegten, ausgedünnten oder ganz geschlossenen Redaktionen, über die miese Bezahlung der Freien, das Mehr an Arbeit. Befürchtet haben sie, dass es an "Lippenbekenntnissen" nicht mangeln werde. Angesichts der Dichte an Gästen aus Politik und Wirtschaft. Ihre Sorge war und ist berechtigt.


Info:

In seinem Schlußwort hielt BDZV-Chef Döpfner fest, MP Kretschmann (Grüne) habe die Rede gehalten, die er von MP Seehofer (CSU) erwartet habe. <link file:34133>Deshalb steht sie hier.


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3 Kommentare verfügbar

  • Philippe Ressing
    am 20.09.2017
    Antworten
    Diese Verleger aber auch - immer wieder lustig! Wie die "Freunde der Italienischen Oper" in Billy Wilders "Manche mögens heiß". Da macht sich der Herr Döpfner zum Verteidiger der Tageszeitungen. der Mann, der im Springer-Konzern fast alle Tageszeitungen an Funke (WAZ-Krake) verkloppt hat. Nur die…
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