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Seele verkauft

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Mit dem "Stuttgarter Wochenende" landete als Beilage auch der rechte "Deutschland-Kurier" in Stuttgarter Briefkästen. Da stellt sich die Frage, wo die Grenze liegt zwischen verlegerischer Verantwortung und Fahrlässigkeit.

Die Südwestdeutsche Medienholding (SWMH) hat, wie berichtet, einem Anzeigenblatt ein Supplement beigelegt, das einer Menge LeserInnen aufstieß und innerhalb der Branche Verwunderung bis Abscheu hervorrief. Im "Stuttgarter Wochenende" steckte der "Deutschland-Kurier", ein AfD-nahes Hetzblatt, das seine Verachtung und seinen Zynismus gegenüber Geflüchteten, der Politik, der Normal-Gesellschaft, der Presse auf acht Seiten druckt.

So kann man das machen als Medienkonzern. Wenig Skrupel, stets dem Geld verpflichtet, auch wenn es nur 10 000 Euro sind, wie im Falle des "Deutschland-Kuriers", die nicht mal ein Nasenwasser sind für einen Großkonzern wie die SWMH.

Stefan Winterbauer, Autor des Branchenmagazins "Meedia", brachte es vergangene Woche auf den Punkt: "Ein Pamphlet wie den 'Deutschland Kurier' für ein paar Euro dem eigenen Medium beizulegen, ist selbst für ein Anzeigenblättchen so ein bisschen würdelos. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Die dürfen das machen. Wenn sie meinen, sollen die das auch machen. Vor allem, wenn einem das eigene Image komplett egal geworden ist."

"Mit der Verteilung des AfD-Sprachrohrs hat sich der SWMH-Sprössling keinen Gefallen getan. Im Gegenteil wurden Leser irritiert und andere Verlage damit düpiert", betont die DJV-Landesvorsitzende Dagmar Lange, was sehr freundlich formuliert ist.

So richtig klar mag man sich auch an anderer Stelle nicht positionieren. Auch nicht beim Pressekonzern Madsack ("Göttinger Tagblatt", "Leipziger Volkszeitung", "Märkische Allgemeine"). "Auch die Veröffentlichung von Anzeigen zu gesellschaftlichen oder politischen Themen ist Bestandteil der Meinungsfreiheit und damit auch Auftrag der unabhängigen Presse – unabhängig von den Inhalten. Trotzdem findet diese Insertionsfreiheit selbstverständlich Grenzen, insbesondere dann, wenn der Inhalt der Anzeige gegen Gesetze oder behördliche Bestimmungen verstößt", heißt es auf Anfrage.

BDZV "würde einen Teufel tun, von so einer Veröffentlichung abzuraten"

Beim BDZV, dem Dachverband der deutschen Zeitungsverleger, in dessen Anzeigenausschuss auch der verantwortliche SWMH-Geschäftsführer Bernhard H. Reese sitzt, fällt die Antwort deutlicher aus. Da heißt es von Seiten der Pressestelle auf die Frage, ob es denn vom Bundesorgan der Verlegerschaft eine Art Leitfaden oder Empfehlung gebe, mit solcherart Postillen umzugehen, man "würde einen Teufel tun, von so einer Veröffentlichung abzuraten", dem Verband sei es verboten, sich in wirtschaftliche Belange der Verlage einzumischen. Es gebe einen grundlegenden "Rest" der Gesellschaft, dem Medien meinungsmäßig "offenbar nicht den Raum geben, den er braucht", oder auch schön "Es ist eine Abwägungssache: mach ich meine Leser sauer, oder erreiche ich einen weiteren Leserkreis." Selbst bei allerfreundlichster Interpretation und mit dem fiesen Knacken des morschen Asts im Hinterkopf, auf dem die Print-Branche sitzt: Auch Siechtum spricht nicht frei von Verantwortung.

Düpiert, also von der SWMH vor den Kopf gestoßen, fühlt sich eigentlich nur DuMont ("Berliner Kurier", "Hamburger Morgenpost"), derzeit im Rechtsstreit mit dem "Deutschland-Kurier", weil der Titel ganz ähnlich aussieht wie der des "Berliner Kurier". "Leserinnen und Leser haben sich verwundert bei uns gemeldet und wollten wissen, ob wir etwas damit zu tun haben", sagt Björn Schmidt, Leiter Unternehmenskommunikation der DuMont Mediengruppe. "Wir stehen für unabhängigen und qualitativ hochwertigen Journalismus, den wir damit nicht in Verbindung gesetzt sehen wollen." Immerhin. Wenn auch nur aus formalen Gründen, aber ein Verlag, der sich distanziert vom Hetzblatt.

"Die Funke Mediengruppe ("WAZ", "Berliner Morgenpost", d. Red.) versteht sich als Unternehmen, in dem Unabhängigkeit und parteiübergreifendes Arbeiten an oberster Stelle stehen. Wir prüfen Beilagenangebote sehr genau und würden wir das Gefühl bekommen, dass das entsprechende Angebot nicht zu unseren unternehmensweiten Grundsätzen passt, würden wir die Veröffentlichung der Beilage in unseren Medien ablehnen." Auch so eine wachsweiche Formulierung. Aber immerhin: Anstatt den "Deutschland-Kurier" beizulegen, schreibt "Der Westen", das Onlineportal der Funke Mediengruppe, über das Blättchen. Am vergangenen Samstag wurde der Deutschland-Kurier 300 000 Mal auch in Essen verteilt, wohl von eigenen AusträgerInnen.

"12 Artikel zählt die Ausgabe, fünf sind davon von AfD-Mitgliedern oder Sympathisanten geschrieben. Unabhängig? Wohl kaum", urteilt "Der Westen" und befragt den Deutschen Journalisten-Verband: "Ich würde dieser Postille jede journalistische Qualität aberkennen", sagt Sprecher Hendrik Zörner, die Zeitung sei "Propaganda von der ersten bis zur letzten Seite". Der Presserat sagt: "Für uns entspricht die Zeitung nicht den Kriterien, die wir für Presseprodukte voraussetzen." Das sei eher ein Vereinsblatt. 

"Deutschland-Kurier" verbreitet Hetze und falsche Tatsachen

Eines für Mitglieder, die es mit Zahlen und Wahrheiten nicht so genau nehmen. Das Recherchebüro Correctiv jedenfalls hat den "Deutschland-Kurier" vor einer Weile auf seine Wahrheitstreue überprüft – Ergebnis: "Viele Fakten stimmen nicht." Correctiv hat ebenfalls die – zurecht – umstrittene Prüfung von Facebook-Kommentaren auf deren Fake-Gehalt mitübernommen. Fakten-Finder sind der wohl notwendigste Trend des Mediensystems seit langer Zeit, um genau das zu verhindern, was der "Deutschland-Kurier" macht: Hetze und falsche Tatsachen verbreiten.

Gegen beides sperrt sich sogar die Schwäbisch Media ("Schwäbische Zeitung") in Ravensburg, im sicher biedersten aller baden-württembergischen Landkreise. "Für Wahlwerbung gilt der Grundsatz, dass Meinungsäußerungen gestattet sind, nicht aber Hetze (gleich ob rechts oder links) und falsche Tatsachenbehauptungen (soweit wir dies prüfen können)." Dazu würde im Falle des "Deutschland-Kuriers" eine einfache Google-Suche reichen.

Das eigentlich Tragische an der Sache mit der SWMH-Beilage allerdings ist überhaupt nicht rechercheintensiv, es liegt sogar auf der Hand: Da bemüht sich die Zivilgesellschaft seit einer ganze Weile, gegen diese neue Art des Rassismus und Nationalismus Stellung zu beziehen in Demonstrationen oder Kunstaktionen, kluge Menschen schreiben kluge Bücher, Fernseh- und Nachrichten-JournalistInnen formulieren brettharte Kommentare zum Thema, und selbst die Werbe-Branche nutzt ihre Verbreitungskanäle und ihre Öffentlichkeitswirkung, um gegen AfD-Ressentiments und Flüchtlingshetze vorzugehen.

Und ausgerechnet ein Stuttgarter Medienhaus torpediert all diese Bemühungen, in dem es eine rechte Postille mit einem Wahrheitsgehalt von nahezu Null mitverteilt. Für 10 000 Euro.


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14 Kommentare verfügbar

  • Andromeda Müller
    am 21.08.2017
    Antworten
    Sehr geehrter Herr Steiner ,
    1. auch die USA haben flüchtende Juden von ihren Küsten nach Europa zurückgeschickt !
    da lief vor ein paar Wochen eine Dokumentation , ich denke das war auf ZDF-Neo .
    Und im Übrigen keinerlei Interesse gezeigt auch ein paar ihrer Bomben für die Schienenwege nach…
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