KONTEXT:Wochenzeitung
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Propaganda 2.0

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Eine Flut von Fake-News, erfundene Zitate und an jeder Ecke Meinungsroboter – soziale Netzwerke sind heute Gegenöffentlichkeit mit allen Risiken und Nebenwirkungen. Die Politik und ihren Wahlkampf wird das nachhaltig verändern, wie nicht nur Donald Trump zeigt.

Ein Foto mit Zitat, passend zum Weltbild, und schon ist's echt. Dann weiter verteilt via Facebook, Twitter & Co., und nicht nur die Jugend ist versorgt, auch der Rest der Bevölkerung. Und so verwundert nicht, dass die sogenannten sozialen Netzwerke in diesem Jahr erstmals <link https: www.hans-bredow-institut.de webfm_send external-link-new-window>häufiger als Nachrichtenquelle genutzt wurden als Tageszeitungen. Wenn also Renate Künast falsche Zitate in den Mund gelegt werden, findet das potenziell mehr Rezipienten als alle Print-Artikel, die darüber aufklären.

Hinzukommt: Das Online-Verhalten lässt etliche Rückschlüsse auf Persönlichkeit und Vorlieben der Nutzer zu. Dank Datenanalysen wissen nicht nur Werbe-, sondern auch Wahlkampfabteilungen, welche Botschaften vielversprechend sind, welche auf fruchtbaren Boden fallen. In den USA schaffte das Donald Trump mit Bravour – für seinen Wahlerfolg spielten Facebook und Twitter, Social Bots und Big Data eine wichtige Rolle.

Das elektrisiert auch die hiesige PR-Industrie, die ökonomische und die politische, und wird den bevorstehenden Bundestagswahlkampf prägen. Wohlwissend, dass für den durchschnittlichen Internetnutzer bereits heute nur schwer zu unterscheiden ist, ob Beiträge in Online-Kommentarspalten von echten Personen verfasst worden sind oder von Robotern, die auf stures Vervielfältigen bestimmter Meinungen programmiert sind. Noch reicht das nur für simple Parolen, nicht für komplexe Debatten. Doch kann schon das genügen, viele zu überzeugen und den Anschein zu erwecken, hinter einer gewissen Ansicht stünde eine relevante Anzahl gleichgesinnter Individuen.

In Verbindung mit Filterblasen und fehlenden Faktenchecks kann das besonders heiter werden. Unter einem breiten Repertoire vermeintlicher Wahrheiten können sich Nutzer schließlich die herauspicken, welche ihre bereits bestehenden Ansichten am besten bekräftigen. Wie von diesen Mechanismen insbesondere diejenigen profitieren, die es mit Genauigkeit und Anstand nicht so eng sehen, zeigen unter anderem die stetig steigenden Anhängerzahlen plumper Populisten, auch und insbesondere digital.

So hat die AfD schon heute mehr Facebook-Fans als alle anderen Parteien in Deutschland – und damit eine beträchtliche Reichweite der eigenen Deutungshoheit. Nach dem Anschlag in Berlin wird dort ein "Fahndungsfoto" von Merkel gepostet, die Anhänger teilen es tausendfach. Ein User ohne Profilbild und mit vermutlich erfundenem Namen jubelt: "Wir brauchen die Lügenpresse nicht. Wir haben unsere eigene Öffentlichkeit." Wirklichkeit nach Wunsch – das Netz macht's möglich.



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2 Kommentare verfügbar

  • someonesdaughter
    am 05.01.2017
    Antworten
    "Nachplappern ersetzt eben keinen seriösen Journalismus."

    Nachplappern ersetzt aber auch keine ernst zu nehmenden Kommentare. Außer dem reflexhaften 'die andern sind schuld"

    Zitat: "Es war aber gerade die Gegenseite,"

    sehe ich hier nur leicht varieertes 'Lügenpresse'-Gemähre:

    Zitat:…
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