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SWR – ganz elastisch

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Für den Südwestrundfunk (SWR) ist die AfD künftig nicht mehr rechtspopulistisch. Zumindest nicht in den Nachrichten. Die Chefetage meint, andere Parteien wie die CDU und SPD bekämen auch kein zusätzliches Etikett. Eine öffentlich-rechtliche Reinwaschung.

Gemeinhin wird am 11. November der Beginn der Faschingszeit oder auch der heilige Martin gefeiert. Nicht beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dort wird ganz nüchtern konferiert, ernst in die Zukunft geblickt und mitgeteilt, dass die "Alternative für Deutschland" (AfD) "mittlerweile bekannt genug" sei, so dass künftig der "erklärende, aber auch wertende Zusatz" weg gelassen werden könne. Gemeint ist das Adjektiv "rechtspopulistisch".

So fasste Wellenvizechef Peter Heilbrunner (SWR 1) die Diskussion in der Konferenz zusammen, in der alle der Meinung waren, dass in den Nachrichtensendungen auf diese "Etikettierung" verzichtet werden soll. Analog zu CDU oder SPD spreche man in der Landesschau aktuell, in der Landesschau sowie in den Hörfunk-News von SWR 1 und SWR 4 fortan nur noch von AfD. Auch die Moderatoren müssten "nicht reflexartig" den Zusatz benutzen, logischerweise könne hier die Regelung "elastischer" gehandhabt werden. Aber auch hier gelte: "Vor Verwendung nachdenken".

Das heißt, die KollegInnen vor dem Mikrofon werden nun grübeln müssen, ob sie das böse Wort sagen sollen oder nicht, ob das gut ist in den Flüchtlingszeiten oder gar vor der drohenden Landtagswahl. Zumindest werden sie, sollte es ihnen über die Lippen kommen, nicht bestraft, versichert Stefanie Schneider, die Landessenderdirektorin, gegenüber Kontext. Für sie ist die neue Sprachregelung "kein Ukas", sondern schlicht pragmatisch. Bei der CDU werde kein "konservativ" dran gehängt, bei der FDP kein "liberal". Am Anfang sei das Attribut "hilfreich zur Orientierung" gewesen, jetzt sei es überflüssig, weil wohl alle kapiert hätten, was die AfD für eine Partei sei.

So viel weiß man tatsächlich: Die rechtspopulistische Partei will die deutsche Grenze mit Waffengewalt gegen den "Asylantenstrom" verteidigen, als ultima ratio, wie sie sagt. Und im kommenden März will sie in den baden-württembergischen Landtag einziehen, mit durchaus günstigen Prognosen. Da heißt es frühzeitig Obacht geben im Sender.

Stimmen zur SWR-Entscheidung

Wolfgang Utz (SWR-Sprecher): Der Begriff rechtspopulistisch wird beim SWR im Zusammenhang mit der AfD immer dann verwendet, wenn er journalistisch sinnvoll ist. Die Landessenderdirektion hat sich allerdings mit den Verantwortlichen der aktuellen Sendungen darauf verständigt, nicht grundsätzlich bei jeder Nennung die AfD mit dem Begriff rechtspopulistisch zu kombinieren. Der SWR sieht durchaus die Notwendigkeit, eine noch junge Partei wie die AfD für die Menschen einzuordnen. Dafür genügt es aber nicht, sie mit einem immer gleichen Attribut zu versehen. Somit ändert sich nichts an dem journalistischen Grundsatz, dass charakterisierende Begriffe für Parteien und Organisationen immer dann gesetzt werden, wenn das nach journalistischen Gesichtspunkten sinnvoll ist. Manchmal sind Begriffe wie "rechtspopulistisch", "liberal", "totalitär", "sozialistisch" usw. notwendig, um ein Ereignis dem Publikum verständlich zu machen und die Einordnung zu erleichtern. Dann nutzt sie der SWR. In anderen Fällen sind sie redundant, dann nutzen wir sie nicht.

Ralf Stegner (stv. Bundesvorsitzender SPD): Egal, wie der Sender diese Partei betitelt, die AfD ist und bleibt eine Ansammlung von Rechtspopulisten, Rechtsextremisten, die von Petry bis Höcke und Gauland nationalistische, teilweise fremdenfeindliche und auch völkische Parolen vertritt. Deshalb gibt es dieser Partei gegenüber nur glasklare Ablehnung und harte Auseinandersetzung mit einer Politik, die antieuropäisch und gefährlich für Deutschland ist. 

Volker Beck (Innenexperte Grüne): Nachvollziehen kann ich die Überlegungen des SWR nicht, da die AfD sich kontinuierlich vom rechten Rand des demokratischen Spektrums weiter nach rechts bewegt. Ich möchte den SWR deshalb an seinen öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag erinnern. Dazu gehört auch, dass man Parteien und politische Bewegungen einordnet.

Bernd Riexinger (Parteichef Linke): Dass die Direktionsleitung eines öffentlich-rechtlichen Senders, ausgerechnet nachdem die AfD ihren strammen Rechtskurs weiter verschärft hat, auf die Bezeichnung rechtspopulistisch bei der AfD verzichtet, ist entweder Resultat grober politischer Unkenntnis und Verantwortungslosigkeit oder einer nicht nachvollziehbaren politischen Positionierung. In jedem Fall nicht akzeptabel.

Stimmen zusammengestellt von Kontext und "Handelsblatt" (aktualisiert am 3.12.2015)

Die AfD könnte um drei Punkte auf acht Prozent zulegen, wenn am nächsten Sonntag (6.12.) Landtagswahl in Baden-Württemberg wäre. Dies ergibt die Umfrage von Infratest dimap, die der SWR und die "Stuttgarter Zeitung in Auftrag gegeben haben.


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25 Kommentare verfügbar

  • Klaus
    am 11.12.2015
    Antworten
    Gut, "rechtspolpolistisch" ist ja auch eher vereinfachend.

    Man könnte besser "rechtskonservativ und mit völkischen Zügen" schreiben, das wurde auch schon bei Analysen des Handeslblattes über die AfD festgestellt:

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