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Streiken im Keller

Streiken im Keller
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Das Ansehen der Journalisten ist im Keller. Im Job-Ranking liegen sie auf Platz 29, kurz vor den Politikern. Das kommt nicht von ungefähr: Ihre Kundschaft glaubt ihnen nur noch eingeschränkt. Wenn überhaupt. Dann wird streiken schwer. Vor allem, wenn das Motto „Gutes Geld für gute Arbeit“ heißt. Ein notwendiger Weckruf.

Der Koch im Tübinger Casino passt sich der Lage an. Es ist landesweiter Streiktag der Journalisten, und es gibt dünne Gemüsesuppe mit drei Wursträdle. Im Saal sagt ein Gewerkschaftsvertreter, man preise ein Minus bei den Tarifverhandlungen ein, worauf ein Murren unter den Zuhörern entsteht. Sind sie dafür, 400 an der Zahl, vorher über die Neckarbrücke gezogen und haben Transparente hochgehalten, auf denen steht, dass sie gutes Geld für gute Arbeit wollen? "Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Löhne klaut", ist auch zu hören, was die Verlegerin des "Schwäbischen Tagblatts", Elisabeth Frate, gewiss nicht erfreut hat. Am Rande der Kundgebung hat sie eifrig mitgeschrieben. Im Casino, wo später vom Einpreisen die Rede war, ist sie nicht mehr zugegen.

Also sagt ein Betriebsrat aus dem Stuttgarter Pressehaus, jetzt müsse eine Urabstimmung mit einem längeren Streik her. Aber nur, wenn fünf weitere namhafte Blätter aus Baden-Württemberg mitmachten. Darauf melden sich ein Vertreter der "Heilbronner Stimme" und des "Schwäbischen Tagblatts". Sie seien dabei. Der Kollege des "Mannheimer Morgen" dagegen winkt ab. Beim letzten Streik 2011 seien Volontäre, Freie und Pauschalisten abgestraft worden. Mit ihnen sei nicht zu rechnen. Und ein Abgesandter der "Badischen Zeitung" berichtet, dass ihr Verleger freiwillig bereit sei, zwei Prozent mehr zu bezahlen. Solidarität sei deshalb nur im Geiste zu üben.

Das klingt, in Anbetracht der Verhältnisse, nicht sehr kampfeslustig. Noch nie haben die Verleger und ihre Manager derart dreist die Daumenschrauben angezogen. Bis zu 20 Prozent wollen sie die Einkommen ihres journalistischen Personals kürzen, ran ans Urlaubs- und Weihnachtsgeld, an die Altersversorgung und hin zu einer Entlohnung, gestaffelt nach regionaler Kaufkraft. Und dafür wollen sie immer mehr: Content für die gedruckte Zeitung, fürs Internet, für Facebook & Co., Fotos und Videos. Alles am besten gleichzeitig, von immer weniger Personal, was einleuchtet, weil den meisten von ihnen ohnehin egal ist, was drin- und draufsteht. Hauptsache billig. Dagegen müsste eigentlich Sturm gelaufen werden. Aber es geschieht nicht. Was geschieht, sind fruchtlose Verhandlungen zwischen Verlegern und Gewerkschaften, schon sieben seit August vergangenen Jahres.

Gegen die Verleger müsste man Sturm laufen – aber nichts geschieht

Das ist merkwürdig, wo der Feind doch klar auszumachen ist: Reich gewordene Profiteure von Zeitungslizenzen, die ihnen die Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg geschenkt haben. Kleine und große Könige in deutschen Provinzen, die sie mit ihren Blättern mit regiert und für die Akkumulation ihrer Gewinne genutzt haben. Das ist heute nicht mehr so einfach, wegen der wegbrechenden Anzeigen und Auflagen und wegen des Internets. Aber es ist auch nicht so, dass für diese Berufsgruppe gesammelt werden müsste. Sie verdienen immer noch genug. Um ihre Profite zu sichern, sparen sie an allem: am Personal und am Produkt. Die Zeitungen werden dünner, inhaltlich wie umfänglich, Redaktionen werden geschlossen, ausgelagert oder zusammengelegt, Tarife mehr und mehr umgangen. Der Billiglöhner ist das Ziel.

Und die Journalisten? Stecken den Kopf in den Sand. Die meisten jedenfalls. Es ist ja nicht so, dass sie nicht registrierten, was um sie herum so vor sich geht. Dazu ist der Arbeitsdruck in den einst warmen Redaktionsstuben zu hoch, sind die Demütigungen durch die Geschäftsleiter zu häufig, die Eingriffe durch kogeschäftsführende Chefredakteure, Anzeigenkunden und PR-Industrien zu massiv. Aber was hindert sie daran, sich dagegen zu wehren? Das Eigenheim, Frau und Kinder, 34 Tage Urlaub, die Rente?

Die Angst vor der Courage. Es war ja nett, die ganzen Jahre mitzusingen im Chor der Konsensdemokraten, die sich darauf geeinigt hatten, der Presse die Aufgabe der "vierten Gewalt" zu übertragen. Das schuf das Gefühl, wichtig zu sein, an der guten Sache der Demokratie zu arbeiten und dafür auch noch Geld zu bekommen. Nun war das mit der "vierten Gewalt" schon immer eine zweifelhafte Geschichte, weil sie von Anfang an darauf angelegt war, die Presse zur Absicherung der Macht zu instrumentalisieren – im jeweils für wünschenswert gehaltenen Rahmen. Nach dem Motto: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Darin waren sich Staat und Verleger einig, weshalb sie auch in ihren Festreden stets betonten, dass daran auf keinen Fall gerüttelt werden dürfe.

Keine Frage, es gab und gibt Journalisten, die immer wieder die Probe aufs Exempel machen. Sie finden sich noch in den Zeitungshäusern, als Einzelkämpfer in aller Regel. Aber das ist anstrengend. Das stört, bringt Probleme und Klagen ins Haus, ist der Karriere hinderlich und beeinträchtigt das Wohlbefinden. Angenehmer ist es, die Deutungshoheit der Machteliten zu teilen beziehungsweise gleich deren PR-Texte zu übernehmen. Das sichert den Arbeitsplatz oder bringt einen neuen – bei der Deutschen Bahn, in einem Ministerium, bei den Stadtwerken, überall dort, wo professionelle Medienarbeit vonnöten scheint. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einem Drehtür-Effekt.

Es gibt immer noch Journalisten, die widerborstig sind

Wenn der Eindruck nicht täuscht, dann reden die Verleger und ihre Hilfstruppen inzwischen seltener von der Demokratie und ihrem gesellschaftlichen Auftrag. Sie klagen lieber über schlechte Geschäfte, den Tod der gedruckten Zeitung (den sie selbst betreiben) und Journalisten, die ihre Rolle als eierlegende Wollmilchsau noch nicht verinnerlicht haben (was nicht gänzlich falsch ist). Richtig ist, dass ihr Geschäftsmodell kracht. Die Kohle kommt nicht mehr schubkarrenweise ins Haus, weil Leser und Anzeigenkunden andere Plätze gefunden haben, weil sie sich nicht mehr über die Tageszeitung verständigen, sondern übers Netz. Darauf haben die Verleger keine Antwort. Woher auch, wenn sie es gewohnt waren, Kommunikation von oben zu betreiben?

Die Gesellschaft ist heute eine andere. Wer will sich noch vorschreiben lassen, was er wo zu lesen hat? Wer will Zeit investieren in die Lektüre von Artikeln, die stimmen können oder auch nicht? Und wer traut den Verfassern? Offenbar immer weniger. Einer jüngsten Umfrage zufolge rangieren Journalisten an 29. Stelle unter 32 Berufsgruppen, wenn bewertet wird, welche Jobs in Deutschland das höchste Vertrauen genießen. Ein schlechteres Ansehen genießen nur noch Werbeleute, Versicherungsvertreter und Politiker. Ganz oben stehen Feuerwehrleute, Sanitäter und Krankenschwestern.

Die Frage, wem zu trauen ist, bleibt die zentrale. Sie zielt auf die Integrität der Journalisten, ihr Berufsverständnis, ihre Einstellung, ihre Haltung, und damit ihre Glaubwürdigkeit. Es ist nicht schwer, mit dem Finger auf die Verleger und ihre Manager zu zeigen, und sich selbst zu exkulpieren, als Opfer von deren Willkür. Schwieriger ist es, den Beweis anzutreten, dass dieser Beruf notwendig ist, dass sie einer Gesellschaft dienen, die einen Marktplatz der Öffentlichkeit braucht. Mit einer Vielzahl von Meinungen, mit dem Versprechen, sich um die Aufklärung der täglichen Sauereien zu kümmern, mit der Lust am Streit.

Kante zeigen, auch den eigenen Herren gegenüber

Resignation ist da ein schlechter Ratgeber, Frust kein Muntermacher, die Hoffnung, irgendwie noch durchzukommen, keine Perspektive. Besser ist, sich einzumischen, Position zu beziehen, Kante zu zeigen, auch gegenüber den Herren im Haus, Spielräume, die es noch gibt, zu nutzen. Sprich das zu tun, was diese Gesellschaft erwarten kann: kritischen Journalismus.

Wenn das gelingt, dann ist auch besser streiken. Dann kann man den Leuten sagen, dass gute Arbeit gutes Geld kostet. Dann verstehen sie, warum Journalisten auch für ihre Interessen kämpfen. Dann leuchtet ihnen ein, warum es so fatal ist, wenn die Verleger ein journalistisches Prekariat heranzüchten, das nur noch überlebt, wenn es Aufträge von Daimler hat. (Dass Chefredakteure, Ressortleiter und altgediente Festangestellte immer noch ordentlich verdienen, sei an dieser Stelle auch nicht verschwiegen.)

Und dann ist auch Schluss mit der Demut, und dann erübrigt sich auch die Frage, wer keinen Arsch in der Hose hat: die Journalisten oder die Gewerkschaften. So lange beide darauf keine Antwort haben, spielen die Verleger weiter Zirkusdirektor und ziehen sie am Nasenring durch die Manege.


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14 Kommentare verfügbar

  • caesar von+struwe
    am 13.03.2014
    Antworten
    wenn ich meinen Kindern ein Karnikel kaufe, dann muss das gefüttert und gepflegt werden und entmistet. So ist das auch mit der Pressefreiheit und der Lizenz diese zu pflegen.
    Allein mit dem Kauf einer Zeitung ist nichts getan. Stellen Sie sich vor, dass ebenso dienstags wie montags eine…
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