In diese Zeit fiel auch das Bild mit den toten Bäumen, deren Bedrucken es nicht mehr lohnte. Dorfs bemühte es, wenn ein paar Altvordere wieder einmal für die Nachhaltigkeit des Wortes plädierten und nicht einsehen wollten, dass die Zukunft digital, schnell und volatil ist. Und vor allem nicht verschnarcht. Um diese Einsicht zu befördern, hat er auch lange Sitz-Konferenzen abgeschafft und kurze Steh-Meetings eingeführt, was sowohl seine konjunktivistischen Ausführungen (vielleicht, eventuell, könnte sein) als auch dezidierten Widerspruch reduzierte. Die gedruckte Zeitung ist dadurch nicht aufregender geworden. Nur bunter und mit weniger Text belastet.
Online und Klickzahlen first hieß jetzt die Devise, und dafür richtete der innovative Chefredakteur einen Newsroom ein, einen der "modernsten Deutschlands", in dem er die halbe Redaktion einsperrte. Hier war die Zukunft zuhause, die sich zunehmend am Boulevard entlang hangelte und heute ihren Höhepunkt in dem Samuraischwertmörder findet, der mit seiner Bluttat auf dem Stuttgarter Fasanenhof für Rekordklicks sorgt. Davon kann es nicht genug Geschichten geben.
Dorfs transportiert den Mainstream des schwäbischen Mittelstands
Wenn nun Herausgeber Carl in "dossier B" schreibt, es falle schwer, Dorfs mit journalistischen Highlights in Verbindung zu bringen, hat er einerseits recht, andererseits wieder nicht, weil selbige nicht vorgesehen sind. Dorfs transportiert den Mainstream, der von den Chefs des schwäbischen Mittelstands gespeist wird, zu dem sich auch Daimler zählt, wenn’s passt, und moderiert lieber ihre Veranstaltungen weg, als dass er sich inhaltlich mit den Themen beschäftigen würde. Das schafft Bilder im eigenen Blatt und in der Folge eine Fülle von Medienkooperationen, die kritische StZ-Kollegen vor die Frage stellen, wo sie noch recherchieren können, ohne auf die gute Nachbarschaft hingewiesen zu werden. Banken, Versicherungen, Messe, VfB, SWR, Wieland Backes – alles Freunde.
Aufgefallen sei Dorfs nur, notiert Carl weiter, im Zusammenhang mit dem umstrittenen Gigaprojekt Stuttgart 21. Das stimmt. Erstens als Mitglied eines S-21-Unterstützerkreises, dem auch so wichtige Leute wie Nicola Leibinger-Kammüller, die Vorsitzende der Trumpf-Gruppe, angehören, und zweitens als Garant für eine Berichterstattung, die "Deutschlands dümmstes Großprojekt" (Süddeutsche Zeitung) nie in Frage gestellt hat. Dorfs war derjenige, der sich der Texte S-21-kritischer Kollegen angenommen hat, stets in der Sorge, dass ihm die schwäbische Society die Zuneigung entziehen könnte, die sie ihm zuteil werden ließ, weil er ihr journalistischer Kofferträger war.
4 Kommentare verfügbar
Philippe Ressing
am 18.08.2019Marie Laveau
am 16.08.2019Mit Wehmut beobachte ich seit Jahren den Niedergang dieser Zeitung. An diesem Niedergang ist nicht nur die Tatsache schuld, dass die meisten heute lieber online-surfend Nachrichten lesen. Nein, bei der StZ sind auch konkret zu benennende Personen und deren Strategien schuld. Als Allererstes fällt mir Rebmann ein, dessen reaktionäre Vorgehensweise der StZ den härtesten und schlimmsten Schlag versetzte. Aber auch Dorfs und der Umgang mit dem Thema Stuttgart 21 waren Totengräber. Ich verstehe heute noch nicht, warum die StZ nicht dem Thema S21 wirklich den FREIEN Raum gewährt hat (und es heute noch nicht tut), der der Bedeutung des Themas gerecht geworden wäre - und zwar offen nach beiden Seiten. Es geschah und geschieht in ihrer eigenen Stadt, vor ihrer Haustür! Sie hätte sowas von groß rauskommen können damit! Aber nein, das Festhalten an der vorgegebenen Linie hat die Zeitung in den Abgrund gerissen.
Könnt Ihr Euch noch an so erfolgreiche Zeitungsprojekte wie das rund um Schindlers Liste erinnern, mit dem die StZ (verdientermaßen) bundesweit Ruhm erlangte? Ja, so gut war die StZ mal.
Und heute? Es bleibt nur noch ein Schatten dessen, was sie mal dargestellt hat.
Ich glaube, dass es die StZ nicht mehr lange geben wird. Und es sträubt sich mir dabei zwar alles, aber um das, was jetzt noch von ihr übrig ist, wird es auch nicht mehr schade sein.
Leo
am 14.08.2019Peter Hermann
am 14.08.2019