Montag, 20. April 2020
Der Spätzlehobel am Tatort lockt die Polizei auf eine falsche Fährte. Denn in Wahrheit arbeitet der Stuttgarter Gentrifizierungskiller in einer Maultaschenfabrik.
"Gesellschaftskritische Texte im Poetry Slam: Schön und gut. Aber Hand aufs Herz: Geht ihr öfter zu Literaturveranstaltungen oder schaut ihr lieber Tatort?", fragt Matthias Becher in dem Beitrag, den er für unsere Vorhang-auf-Serie bereitgestellt hat. Als Mitveranstalter des Stuttgarter Lit.Fests, das jungen Autorinnen, Lyrikern und Kulturbegeisterten eine Bühne bietet, weiß er, wie schwer es ist, von Literatur zu leben.
Wer mit seiner Kunst viele Menschen erreichen will, muss sie massentauglich gestalten – etwa in Form einer "absatzstarken Heimatmeuchelei" mit einer Menge Lokalkolorit, soziopolitischen Kontroversen und, natürlich, vielen, vielen Abgründen und Sexszenen. Und abgründigen Sexszenen. Wer könnte da einen passenderen Protagonisten abgeben als ein unterbezahlter Fließbandarbeiter, der zum Mörder wird, um endlich etwas gegen die horrenden Mietpreise in seinem Viertel zu tun? Das ist "fies, aber doch irgendwie Robin-Hood-mäßig", führt Becher aus.
Wichtig ist ihm, zu betonen: "Ich will niemanden beleidigen." Wenn er sich über Lokalkrimis lustig macht, "ist das eher ein bisschen Neid". Als Literaturwissenschaftler und Autor beobachtet Becher, Jahrgang 1988, dass fast alle jungen Autorinnen und Autoren, die vom Texten leben wollen, irgendwann einen Roman schreiben, auch dann, wenn sie eigentlich Poeten sind. "Und es ist trotzdem noch schwierig, daran etwas zu verdienen."
Das Lit.Fest, das seit 2015 einmal pro Sommer stattfindet, soll da ein kleines Gegengewicht sein, "einen Raum zum Austausch schaffen und Stuttgart als einen Fixpunkt der Literaturlandschaft in Deutschland stärken", wie es in der Selbstbeschreibung heißt. Noch unentdeckte Autorinnen und Autoren können sich um einen Auftritt bewerben, "schickt uns eure gelungensten Texte, denkt nicht an thematische Vorgaben, sorgt euch nicht um Formatvorlagen", ermuntert der entsprechende Aufruf dazu. Deklamiert wird dabei im Freien, "auf einer malerisch gelegenen Bühne über der Stadt".
Noch ist das Lit.Fest 2020 nicht abgesagt, noch ist ja nicht klar, was als Großveranstaltungen gilt. Wenn die Corona-Maßnahmen es zulassen, sollten ortskundige Stuttgarter etwas mit der Adresse Doggenburgstr. 17 anfangen können.
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