"Ich sehe ein Bein fliegen", sagt Helge Schneider alias Major zu Redelbeck, mit einem Stahlhelm auf dem Kopf und einem eisernen Kreuz am roten Band um den Hals, nach einem Blick in seinen Feldstecher. Allerdings hat er kein Kriegsgeschehen vor Augen. Was er sehe, teilt der Major mit, sehe nach einer Tanzkompagnie aus. Denn er habe ein Fernglas geschaffen, in das eine Art Kaleidoskop eingebaut sei. "Die Seele hungert nach vier Jahren Krieg", so der Major. "Der Mensch ist für das Schöne geschaffen", sekundiert Alexander Kluge aus dem Off. "Das Schöngeistige leidet im Feld", gibt der Offizier zurück. Dieses "immerwährende graue Matschige" führe am Ende nur dazu, dass alle weglaufen.
Das vierminütige Video scheint Kluge besonders zu gefallen. Jedenfalls macht er die Journalisten beim Pressetermin zu seiner Ausstellung im Württembergischen Kunstverein (WKV) extra darauf aufmerksam. Die Medienvertreter waren die letzten, die diese Ausstellung noch zu sehen bekamen. Die Eröffnung wurde abgesagt.
Was aber hat dieser filmische Dialog zwischen Major und Künstler mit der Oper zu tun, um die es in Kluges Ausstellung gehen sollte?
Neun Stationen einer Ausstellung
"Die Macht der Musik" lautet der Titel des dreiteiligen Projekts in Halberstadt, Ulm und Stuttgart. In dem zwanzigminütigen Video-Loop läuft im Anschluss an Helge Schneider ein Tango mit dem Titel "Die Marne-Schlacht". Es folgt ein Gespräch über den Artillerieoffizier Georg Bruchmüller, der im Ersten Weltkrieg, "bereits pensioniert, von rebellischen Offizieren in der obersten Heeresleitung zurückberufen", so Kluge, eine neue Artillerie-Taktik entwickelt, die den zermürbenden Stellungskrieg durch einen Überraschungsangriff ersetzt. Von hier aus zieht Kluge eine Verbindung zum Bauhaus-Meister László Moholy-Nagy, der zu jener Zeit die Aufgabe hatte, die Flugbahnen des Artilleriefeuers zu berechnen. "Aus dieser Wurzel, der Mathematik der Schießkunst", sagt Kluge, "entsteht nach dem Krieg der Konstruktivismus (wenigstens teilweise)."
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