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Geld ist geil!

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In der Stripperinnen-Geschichte "Hustlers" feiert Jennifer Lopez ihr Comeback als Filmstar. Nur schade, dass dies in einem Film geschieht, der sich als weibliches Empowerment-Drama aufspielt, tatsächlich aber nur den ungebremsten Hedonismus predigt.

Diese Frau will nicht das Opfer männlicher Begierden sein! Wenn Ramona im Silberglitzer-String-Fastnichts die Bühne des Strip-Clubs betritt, wenn Strahler sie aus rotrosa Dämmerung ins rechte Licht setzen und wenn sie sich nun, begleitet von Fiona Apples Song "Criminal" und den Zeilen "I’m a bad, bad Girl", akrobatisch um eine Stange windet, wirkt sie wie eine Königin, die selbstbewusst und ein wenig spöttisch auf ihre johlenden Untertanen herabblickt. Sie bleibt auch dann noch oben, wenn sie sich auf alle Viere niederlässt und, nun ja, posiert, also den schwitzigen Kerlen mit ihrem straffen Hintern zuwinkt und -wackelt. Danach duscht sie sozusagen in Dollars, genießt den großen Regen der grünen Scheine, aber nicht mit dankbar-devoter Miene, sondern wie eine Regentin, die wirklich etwas geleistet hat.

Ramona wird gespielt von der fünfzigjährigen Jennifer Lopez, deren Kinokarriere ("Out of Sight") hinter jener als Sängerin zu verschwinden drohte. Mit "Hustlers" feiert sie nun ein großes Comeback auf der Leinwand, ein oscarreifes sogar, wie in amerikanischen Kritiken zu lesen ist. Als Höhepunkt ihres Auftritts wird dabei ihr oben erwähnter energisch-charismatischer Tanz an der Stange hervorgehoben, wohl auch deshalb, weil sich hier der Unterschied zwischen Rolle und Star zu verwischen scheint: Ramona ist J.Lo, J.Lo ist Ramona. Mit großer Selbstverständlichkeit reißt Jennifer Lopez diesen Film an sich, obwohl sie nominell gar nicht die Hauptdarstellerin ist. Die heißt Constance Wu, wird als Erzählerin dieser Geschichte und als schüchtern-kleine Strip-Novizin Destiny eingeführt und von Ramona zur Freundin erkoren. "Komm unter meinen Pelz!", sagt Ramona in einer nächtlichen Arbeitspause auf einem New Yorker Dach zur frierenden Destiny.

Die Regisseurin Lorene Scafaria inszeniert in "Hustlers" den wahren Fall einer Gruppe von Stripperinnen nach, die sich in boomenden Wall-Street-Zeiten ihren Teil vom Reibach zusammentanzen. Sie habe im Jahr 2007 mehr verdient "als ein Gehirnchirurg", sagt Destiny in der rückblickenden Rahmenhandlung einer sie interviewenden Reporterin (Julia Stiles). Dass Geld geil mache, sagt wiederum eine Scheine raffende Ramona gleich nach ihrem ersten Auftritt, und sie formuliert damit quasi das Motto dieses Films.

Immer wieder und in signalhaften Bildern Bündel von Dollars; immer wieder hübsch zu Musik montierte Kaufräusche; immer wieder und in ermüdender Redundanz teure Klamotten, Handtaschen, Schuhe und Bling-Bling. Auch dann noch, als der Börsencrash zuschlägt, die Zeiten also härter werden und Destiny und Ramona sich mit Mercedes (Keke Palmer) and Annabelle (Lili Reinhart) zur ethnisch-paritätisch besetzten Gang vereinen. Eine Frau mit chinesischem Migrationshintergrund, eine glamouröse Latina, eine handfeste Schwarze und eine dünne Blonde reißen nun reiche und vorwiegend weiße Kunden auf und betäuben diese mit einer selbst zubereiteten Drogenmischung, um an deren Kreditkarten zu kommen.

Mächtige Männer in ohnmächtigem Zustand

"Hustlers" ist eine exzessive Feier des Hedonismus, die sich freilich als weibliche Emanzipationsleistung verstehen will. Und von manchen KritikerInnen auch so verstanden wird. Beandrea July etwa schreibt im "Hollywood Reporter" über Jennifer Lopez alias Ramona: "Sie repräsentiert eine Gruppe hart arbeitender und alleinerziehender Mütter in ganz Amerika, die sich schweigend abmühen, um für ihre Kinder zu sorgen." Tatsächlich hat Ramona eine Tochter, die dem Film als Geld-Anschaffungs-Alibi dient, ansonsten aber keine Rolle spielt. Destiny gibt sich ebenfalls fürsorglich: "Ich will nur meine Großmutter versorgen können. Vielleicht noch ein bisschen shoppen gehen ..." Auch sie ist dann plötzlich mit Tochter zu sehen, deren Vater nach etwa dreißig Sekunden Screentime als lästiges Anhängsel rückstandsfrei aus der Handlung gekippt wird.

Überhaupt brauchen diese Frauen – und das unterscheidet sie zum Beispiel von den ebenfalls hedonistischen Luxusfrauen aus "Sex and the City" – keine Männer. Außer zum Ausnehmen natürlich. Letzteres wird damit gerechtfertigt, dass die Klientel aus Scheißkerlen besteht, die, wie Ramona es formuliert, uns alle betrogen und bestohlen haben. Nein, mit diesen Wall-Street-Typen muss und soll man in diesem Film kein Mitleid haben, auch dann nicht, wenn sie nach Betäubungsüberdosis kollabieren. Mächtige Männer in ohnmächtigem Zustand: für "Hustlers" ist das – und ganz buchstäblich! – überwältigendes weibliches Empowerment! Aber wenn schon der Sexualtrieb durch die Gier nach Geld ersetzt ist, wie sieht es dann mit dem Verkauf des Körpers aus? Wie geht man etwa im Separee beim Lapdance vor? Nein, nicht so schnell, sagt Ramona bei einer Trockenübung zu Destiny und erklärt die Regel: "Schluck seine Zeit, nicht seinen Schwanz!"

Keusch, kommerziell und echt nicht kritisch

Aber so ganz traut die Regisseurin, obwohl sie sich so fröhlich-moralfrei gibt, ihrem coolen Empowerment-Programm dann doch nicht. Destiny muss, wenn auch wie nebenbei dahingeschludert, ein Opfer sein und von schwerer Kindheit erzählen. Oder davon, dass sie nach dem Crash, weil diese neuen Schlampen aus Russland es vormachen, sich im Separee mal zu einem demütigenden Blow-Job überreden ließ. Demütigend vor allem deshalb, weil die drei vom Kunden versprochenen und bereitgelegten Hunderter sich nach vollbrachter Tat als Zwanziger herausstellten. Diese Dienstleistung wird filmisch übrigens nur angedeutet.

So wie "Hustlers" sich überhaupt ziemlich keusch gibt, da blitzt in der Mädels-Kichern-und-Gackern-ganz-unter-sich-Garderobe höchstens – und nie von einer Hauptdarstellerin! – ein nackter Busen auf. Dass Destiny und Ramona wirklich mal den Beischlaf vollziehen, das kann und will sich dieser Film nicht vorstellen. In Deutschland läuft er übrigens "ab zwölf".

Den vom Verleih als Kick-Ass-Ladies, also als Arschtritt-Damen bezeichneten Frauen wird in US-Kritiken manchmal "emotionale Tiefe" bescheinigt, tatsächlich sind es – trotz ein bisschen Kater und Katzenjammer am Schluss – in ihren Zielen unverändert bleibende Heldinnen des Konsums. "Hustlers" hat also nie das, was man als Fallhöhe bezeichnet, es sei denn, man würde schon die Statusveränderung von Viel-Geld-Haben zu Weniger-Geld-Haben als solche sehen. Das größte Missverständnis ist allerdings der Vergleich mit Scorseses Gangsterfilmen. Endlich hätten Frauen auch ihr "Goodfellas", so wird gejubelt. Und dabei übersehen, dass es in Scorseses Film nicht darum geht, die Mafia zu preisen, sondern darum, sie als kleinbürgerlichen Spießerverein zu denunzieren. Aber sollten wir Destiny, Ramona und Co. nicht einfach ihren Spaß lassen? Was ist denn so schlimm an teuren Klamotten, Handtaschen, Schuhen und Bling-Bling? Und die Frauen, die das alles herstellen, in Bangladesch und anderswo, verdienen doch auch daran ...


Lorene Scafarias "Hustlers" ist ab Donnerstag, 28. November in den deutschen Kinos zu sehen. Welche Spielstätte den Film in Ihrer Nähe zeigt, sehen Sie hier.


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